Rechnungshofbericht
Schein-Baufirmen lieferten Essen für Wiener Kindergarten
Details aus dem aktuellen Stadtrechnungshofes-Prüfbericht lesen sich laut ÖVP Wien wie ein "Kriminalroman": Ein Wiener Kindergarten hat Essenslieferungen von Bauunternehmen bekommen, drei davon wurden als Scheinfirmen klassifiziert. Außerdem wurden untypische Lieferfahrzeuge gekauft und mehrere Mitarbeiter haben denselben Nachnamen.
WIEN. Am Montag, 16. Jänner, wurde der aktuelle Prüfbericht des Stadtrechnungshofes (StRH) veröffentlicht. Mehrere Stellen wurden geprüft, unter anderem der Vollzug des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes bei der MA 35 und die Förderung an den Verein Kindergarten "Minibambini" bei der MA 10.
Der Kindergartenverein "Minibambini" wurde im dritten Quartal des vergangenen Jahres mit seinen mittlerweile zwölf Standorten geprüft. Da der Kindergarten beitragsfrei ist, wurde er von der Stadt Wien von 2019 bis 2021 mit Fördermitteln bedacht. Der Verein erhielt auch eine "Anstoßfinanzierung" für die Schaffung weiterer Kindergartenplätze und eine COVID-Sonderfinanzierung. Dabei handelt es sich um 15,6 Millionen Euro an Förderungen, berichten "Kurier.at" und "ORF Wien".
Die Stadt prüft nun die Rückförderung von Fördermitteln und hat der Staatsanwaltschaft den Rechnungshofbericht übermittelt. Der Verein setzte im besagten Zeitraum bei der Lieferung des Essens für die Kinder auf insgesamt vier Baufirmen. Eine davon wurde aufgrund Konkurs aufgelöst, der Rest wurde vom Finanzministerium als Scheinunternehmen klassifiziert und ebenfalls später gelöscht oder aufgelöst.
"Ungewöhnliche" Zahlungen in bar
Laut dem StRH-Bericht seien einige Zahlungen für das Catering "ungewöhnlich". So sind Beiträge in Höhe von 2,7 Millionen Euro ausschließlich bar über die Vereinskassa erfolgt. Empfehlung der Prüfer: „Der StRH Wien empfahl dem Verein (…), ausschließlich Lieferantinnen bzw. Lieferanten mit der Lieferung von Essensportionen zu beauftragen, welche die erforderlichen Berechtigungen aufweisen.“
Der Verein selbst spricht von "unregelmäßigen Mängel", die Qualität jedoch wäre nicht zu beanstanden gewesen. Laut dem Bericht wurden vom Verein ganz generell ungewöhnlich hohe Barauszahlungen getätigt. Zwischen 2019 und 2021 wurden 4,2 Millionen Euro an Bauunternehmen ausbezahlt. Auch wenn das nicht den Gesetzen widerspreche, seien derart hohe Summen dem StR Wien "ungewöhnlich, jedenfalls aber nicht zweckmäßig und aus Gründen der Sicherheit nicht empfehlenswert".
Untypische Lieferfahrzeuge gekauft
Doch das ist nicht alles. Die Obfrau Vesna J. und die Kassierin des Vereins, Aleksandra J., vermieteten dem Verein ein in ihrem Eigentum stehendes Objekt für den Betrieb eines der Standorte. Außerdem wurde dabei Inventar für 100.000 Euro verkauft: "zwei Elektrogeräte, ein Kochfeld, eine Kaffeemaschine, diverse Hygieneartikel, Geschirr, diverses Spielzeug, Tische, Bänke und Sessel für ca. 40 Kinder, diverse Schränke, Kästchen und andere Gegenstände von geringem Wert".
Dazu die StRH-Bewertung: "Die zugrunde liegende Inventarliste des Verkaufs ließ den StRH Wien an der Angemessenheit des vereinbarten Entgeltes zweifeln". Auch bei diesem Thema rechtfertigte sich der Verein, und zwar mit der Sanierung des Objekts durch die Vermieter, wofür jedoch keine Belege vorgelegt wurden.
Mitarbeiter haben denselben Nachnamen
Und weiter: Von Familienmitgliedern der Obfrau wurden Fahrzeuge gekauft und vom Verein dann geleast. Begründung vom Verein: diese waren zur Überwachung von Umbauarbeiten und diversen Lieferungen nötig gewesen. Laut dem StRH seien jedoch die Einrichtungen des Vereins weitestgehend fußläufig voneinander zu erreichen, und die Fahrzeuge seien auch nicht "typische Lieferfahrzeuge".
Wie man auf der Vereinsseite erfahren kann, haben die Obfrau, die Kassiererin, der Personal-, Einkaufs- und Küchenleiter sowie die Projektentwicklerin denselben Nachnamen. "Zwischen den Vertretungsorganen des Vereins Kindergarten Minibambini bestanden familiäre Beziehungen. Darüber hinaus waren drei Familienmitglieder beim Verein Kindergarten Minibambini angestellt", schreibt der StRH dazu.
VP-Zierfuß: "Wie ein Kriminalroman"
In einer Aussendung kommentierte FPÖ Wien-Chef Dominik Nepp diese Enthüllungen wie folgt: "Wie kann es sein, dass diese Fülle an skandalösen Vorgängen über viele Jahre niemandem auffällt? Hier handelt es sich offenbar um ein Multiversagen der rot-pinken Stadtverantwortlichen". Deshalb muss der "Fördergeldmissbrauch zu Konsequenzen führen", so Nepp.
Laut ÖVP Wien wird "nach wie vor das Geld von Wienerinnen und Wiener blind und ohne Kontrolle beim Fenster hinausgeworfen". Der Bericht liest sich "wie ein Kriminalroman, in dem ein durch Steuermittel finanzierter Kindergarten dreist als Selbstbedienungsladen missbraucht wird", sagt ÖVP Wien-Bildungssprecher Harald Zierfuß.
„Die Stadt muss alle illegal und damit ohne Belege getätigten Zahlungen des Vereins ab 2009 zurückfordern. Der systematische und unkontrollierte Fördermittelmissbrauch muss in dieser Stadt endlich endgültig abgestellt werden", fordert ÖVP Wien-Bildungssprecher Harald Zierfuß.
Der StRH-Bericht lässt "selbst erfahrenste Insider schockiert zurück", so die Grünen Wien. "Es ist unglaublich, dass hier jahrelang völlig ohne Kontrolle Millionenbeträge ohne passende Belege, ohne Nachweis einer korrekten Abrechnung an einen verzweigten und völlig undurchsichtigen Familienbetrieb ausbezahlt wurden. Dass die MA 10 hier nicht früher eingegriffen hat, ist völlig unverständlich", meint Grünen-Ausschussmitglied Martin Margulies.
Das könnte dich auch interessieren:
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.