So geht Wien
Jeder Straßenname hat seine (problematische) Geschichte
Wie soll man als Gesellschaft mit Straßenbenennungen, die auf kritische Persönlichkeiten zurückgehen, umgehen? Welche Alternativen gibt es und wie viele problematische Straßennamen hat Wien laut Historikerkommission überhaupt? Die Kolumne "So geht Wien" gibt Antworten.
WIEN. Während des Mittelalters und der Frühen Neuzeit spielten die Namen von Verkehrswegen und -flächen eine untergeordnete Rolle. Straßen wurden nach der Topografie, ansässigen Handwerkergruppen etc. benannt - jedoch nicht amtlich. Die Frage von amtlichen Verkehrsflächenbenennungen wurde in Wien erst mit der Einteilung der Bezirke 1850 - und dann wieder 1890 mit der Eingemeindung der Vororte - ernsthaft relevant.
Rund 130 Jahre später ist nicht mehr die Benennung per se problematisch, sondern es sind die Persönlichkeiten, nach denen benannt wurde. Die Diskussion begann mit dem Lueger-Denkmal und vor allem dem vormaligen Dr.-Karl-Lueger-Ring, der mittlerweile ehemaligen Adresse der Universität Wien, heute Universitätsring. Aber wer Zeitung liest weiß, ähnliche Diskussionen gibt es in auch in Wels, in Salzburg und vielen deutschen Städten.
170 "kritische" Wiener Straßennamen
Im Auftrag der Stadt Wien hat ab 2011 eine Historikerkommission die Bedeutung jener Persönlichkeiten, nach denen Wiener Straßen benannt sind, untersucht. Seit Juli 2013 liegen die Ergebnisse vor: 170 (3,6 Prozent) sind als historisch kritisch einzustufen und wurden in die drei Kategorien eingeteilt:
- Intensiver Diskussionsbedarf
- Diskussionsbedarf
- demokratiepolitisch relevante biografische Lücken
Die Konsequenzen aus dem Bericht: Ein Katalog mit Empfehlungen wurde erarbeitet, das Umbenennen soll eine Ausnahme bleiben. Nachzulesen gibt es alles auch hier.
Umbenennung oder Zusatztafel?
Der Umgang mit der Vergangenheit ist durchaus differenziert zu betrachten: Was geschieht denn nach einer Umbenennung von Straßen und Plätzen, die nach historisch belasteten Persönlichkeiten benannt wurden? Findet hier dann nicht eine Auslöschung der Geschichte statt? Wie geht man damit um, dass der Anteil der nach Frauen benannten Straßen nur bei 11 Prozent liegt?
Die Vorgangsweise der Stadt Wien mittels Zusatztafeln über die 27 Männer und die eine Frau zu informieren, die in die Kategorie „intensiver Diskussionsbedarf“ fallen, ist grundsätzlich eine sinnvolle. Geschichte wird nicht ausgelöscht, die Namen bleiben erhalten und doch wird auf den Zusatztafeln die Geschichte dieser Menschen erzählt, auch die dunklen Seiten. Aber ist das wirklich genug? Möchten Sie in einer Straße wohnen, deren Namen so negativ belegt ist?
Kontextualisierung durch Kunst
Weitere Aktionen – vor allem künstlerischer Art – sind gut vorstellbar; so ist die mittlerweile langjährige Auseinandersetzung mit dem Lueger-Denkmal noch nicht endgültig und zur Zufriedenheit aller beendet. Schon 2009 schlug die Universität für Angewandte Kunst in einem Ideenwettbewerb eine Neigung des Denkmals um 3,5 Grad nach rechts vor, um auf die antisemitische Einstellung des ehemaligen Bürgermeisters hinzuweisen. 13 Jahre später fand die Idee auch bei der Stadt Wien Anklang. Noch heuer soll der Entwurf in Umsetzung gehen.
Aber achten da die Menschen darauf? Wie sehen Sie das? Umbenennung? Oder reichen Zusatztafeln mit Erläuterungen aus? Schreiben Sie mir Ihre Meinung per E-Mail an sogehtwien@regionalmedien.at
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