Judith Pühringer
Mit roten Kernthemen und Klimaschutz in die Wien-Wahl

Leistbares Wohnen ist eines von Judith Pühringers Kernthemen für die Wien-Wahl 2025. | Foto: Max Spitzauer/MeinBezirk
15Bilder
  • Leistbares Wohnen ist eines von Judith Pühringers Kernthemen für die Wien-Wahl 2025.
  • Foto: Max Spitzauer/MeinBezirk
  • hochgeladen von Barbara Schuster

Die Grünen werden mit Judith Pühringer als Spitzenkandidatin in die Wien-Wahl 2025 ziehen. Mit welchen Themen Pühringer punkten will, wo sie ein "wirkliches Systemversagen" der Stadtregierung ortet und mit wem sie nach der Wahl koalieren will - MeinBezirk traf Pühringer zum Interview.

Frau Pühringer, Sie sind designierte Spitzenkandidatin der Grünen für die Wien-Wahl 2025. Wie kam es zu dieser Entscheidung zwischen Ihnen und Peter Kraus?
JUDITH PÜHRINGER: Wir haben in den vergangenen Monaten alles in eine Waagschale geworfen. Einerseits persönliche Überlegungen, andererseits die Frage, was beschäftigt die Wienerinnen und Wiener gerade am meisten - und das sind Themen wie Teuerung und leistbares Wohnen, also soziale Gerechtigkeit.

Das klingt nach den roten Kernthemen …
Ich bin überzeugt davon, dass die Verbindung von sozialer Gerechtigkeit und dem Klimathema die richtige thematische Aufstellung für die Wien-Wahl ist.

Wie lange hat die Entscheidungsfindung zwischen Ihnen beiden tatsächlich gedauert?
Es war ein längerer Prozess. Wir haben viele Gespräche miteinander geführt, auch mit Mitgliedern und mit der Bevölkerung, und haben die Entscheidung gemeinsam getroffen.

Was unterscheidet Sie beide von den Spitzen anderer Parteien?
Wir hatten keine Konkurrenzsituation. Es war eine sehr schöne Erfahrung, dass so eine anspruchsvolle, vertrauensvolle Entscheidung in der Politik auch genau so getroffen werden kann. Wenn einer sagt ‚Ich mache die Nummer 1‘, dass die zweite Person, in dem Fall Peter Kraus, nicht sagt, ‚gut, dann ziehe ich mich zurück‘, sondern sagt, ‚ich bin die Nummer 2 und ich stehe an deiner Seite‘. Das finde ich sehr besonders.

"SPÖ ist mutlos geworden"  

Sie setzen in den kommenden Monaten neben dem Klimathema also verstärkt auf soziale Gerechtigkeit. Ist das eine Herzensangelegenheit von Ihnen?
Absolut, dort liegen meine beruflichen Wurzeln. Ich habe 15 Jahre lang mit sozialen Unternehmen, armutsbetroffenen und langzeitarbeitslosen Menschen gearbeitet. Soziale Gerechtigkeit ist in meiner DNA verankert. Seit ich vor vier Jahren in die Politik gegangen bin, hat mich dann auch das Thema leistbares Wohnen sehr beschäftigt.

Inwiefern?
Insofern, dass wir uns überlegt haben, was sind denn gute Lösungen für leistbares Wohnen und günstige Energie.

Soziale Gerechtigkeit ist eine Herzensangelegenheit von Judith Pühringer. | Foto: Max Spitzauer/MeinBezirk
  • Soziale Gerechtigkeit ist eine Herzensangelegenheit von Judith Pühringer.
  • Foto: Max Spitzauer/MeinBezirk
  • hochgeladen von Barbara Schuster

Hat die Stadtregierung hier zu wenig getan?
Mein Eindruck ist, dass die SPÖ sehr mutlos und sehr visionslos geworden ist und gerade ein sehr großes Erbe verspielt, nämlich das Erbe des Roten Wiens. Wir haben lange als Opposition einen Mietpreisdeckel im Gemeindebau gefordert. Da wurde uns am Anfang lang und breit erklärt, warum das nicht geht. Dann ist der Mietpreisdeckel plötzlich doch gekommen. Die Ausstattung der Gemeindebaudächer mit PV-Anlagen müsste viel schneller vorangehen. Das ist ein Beispiel dafür, wie das Klimathema mit dem Sozialthema verbunden werden kann, wenn man es wirklich ernst meint. Auch bei Gebäudespekulationen haben wir Grüne Druck gemacht. Wir wollten, dass die Stadt Wien Verantwortung übernimmt und dafür sorgt, dass Spekulationshäuser zwangsverwaltet werden. Jetzt, zwei Jahre nach unserem Vorschlag, ist es endlich dazu gekommen.

Welche Maßnahmen würden Sie noch ergreifen wollen?
Wir wissen nicht, wie viele Wohnungen in Wien leerstehen, weil das gar nicht erhoben wird. Mit der Einführung einer Leerstandsabgabe würden wir das einerseits wissen und andererseits dafür sorgen, dass Wohnungen wieder zum Wohnen und nicht zum Spekulieren da sind. Da bewegt sich die SPÖ keinen Schritt weiter. Wir wissen auch, dass das für die Neos ein rotes Tuch ist. Wir hingegen sind der Meinung, dass die Leerstandsabgabe ein effektiver Beitrag ist, um leistbares Wohnen zu gewährleisten.

Grüne Visionen für gerechte Verteilung

Wie schätzen Sie die Arbeit von SPÖ und Neos in puncto Klimawandel ein. Wurde zuletzt genug getan?
Auch hier fehlt mir der Mut und die Schnelligkeit bei den Klimamaßnahmen. Positiv ist der Ausbau der Radwege, das ist auch gut so. Gleichzeitig muss man dazu sagen, dass der Radwegeausbau in Wien auch deshalb möglich war, weil Leonore Gewessler (Umweltministerin, Grüne; Anm.) im Bund ein riesiges Budget zur Verfügung gestellt hat.

Was meinen Sie mit Schnelligkeit? Wo geht es Ihnen zu langsam voran?
Etwa, wenn es um die Oberflächengestaltung im Zuge des U-Bahn-Baus geht. Wir haben bereits Pläne für die Gestaltung der Zweierlinie vorgelegt. Hier geht seitens der Stadt jedoch nichts weiter. Ebenso beim Gürtel. Hier wurden von Ulli Sima (Planungsstadträtin, SPÖ; Anm.) kleine Behübschungsaktionen bei den U-Bahn-Stationen ausgeschrieben, mit ein paar Bänken und Büschen. Warum nicht gleich den ganzen Gürtel angehen und einen mutigen, großen Plan umsetzen, der sowohl Klimamaßnahmen also auch die gerechte Verteilung der Verkehrsflächen beinhaltet?

Die Wiener Grünen wollen den Gürtel umgestalten. Die Fläche soll neu verteilt und vor allem begrünt werden.
  • Die Wiener Grünen wollen den Gürtel umgestalten. Die Fläche soll neu verteilt und vor allem begrünt werden.
  • hochgeladen von Barbara Schuster

Das wäre nicht nur ein jahrelanges, sondern vor allem kostspieliges Projekt. Wie soll das finanziert werden?
Das muss man sich natürlich genau anschauen. Aber andererseits sagt die Stadt, dass sie den Lobau-Tunnel unbedingt so schnell wie möglich bauen will. Da merkt man, wo die Prioritäten der Stadtregierung liegen.

Langfristiges Ziel: Obdachlosigkeit beenden

Stichwort Obdachlosigkeit: Diese hat zuletzt besonders auf der Mariahilfer Straße zugenommen.
Das ist ein Thema, wo im Moment alle Verantwortlichen der Stadt sehr genau hinschauen. Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sind vor Ort im Einsatz, es gibt viele Initiativen und Angebote. Aber man muss sich das Thema in seiner Gesamtheit anschauen. Wir haben dazu bereits einen 6-Punkte-Plan vorgelegt, um Wohnungs- und Obdachlosigkeit in Wien zu beenden. Das ist ein langfristiges Ziel.

Wien hat ein großes Problem mit Obdachlosen aus Ungarn, weil es ihnen dort verboten ist, auf der Straße zu wohnen. Was kann Wien hier tun?
Da sieht man, was autoritäre Systeme à la Viktor Orbán anrichten. Wir müssen diese Menschen mit unserem Angebot unterstützen und ihnen erste Schritte aus ihren sehr schwierigen Situationen ermöglichen.

"Systemversagen" bei Integration und Bildung

Migration war das vorherrschende Thema der vergangenen Wahlen im heurigen Jahr. Integrationsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) hat gerade einen Wertekonvent abgehalten, um Regeln des Zusammenlebens zu definieren. Wo muss bei Migration und Integration angesetzt werden?
Ich denke, die Herausforderung ist, eine gute Balance zwischen einer menschlichen und menschenrechtsbasierten Asylpolitik einerseits und der Sorge der Menschen andererseits zu finden. Es hat schon einmal einen Wertekonvent gegeben, die Ergebnisse wurden in der ‚Wiener Charta des Zusammenlebens‘ (*) festgeschrieben. Es erstaunt mich, dass man auf diese Ergebnisse nicht zurückgegriffen und auf sie aufgebaut hat.

Was bräuchte es stattdessen?
Was es wirklich braucht, sind Menschen in den Schulen und Kindergärten, die vertieft mit Kindern und Jugendlichen über diese Themen sprechen und ihnen klarmachen, was in einer Gesellschaft geht und was nicht. Ganz besonders in Bezug auf den Umgang mit Frauen und Mädchen. Was ich sehr ernst nehme, sind die Zahlen aus den Volksschulen, dass bis zu 50 Prozent der Kinder dem Unterricht gar nicht folgen können, weil sie nicht genug Deutsch sprechen, aber 60 Prozent dieser Kinder in Österreich geboren sind. Das sind extrem alarmierende Zahlen.

Ein völliges Systemversagen ortet Judith Pühringer im Bereich Bildung und Integration.   | Foto: Max Spitzauer/MeinBezirk
  • Ein völliges Systemversagen ortet Judith Pühringer im Bereich Bildung und Integration.
  • Foto: Max Spitzauer/MeinBezirk
  • hochgeladen von Barbara Schuster

Was wäre Ihr Vorschlag?
In der Volksschule ist es schon viel zu spät. Wir müssen früher ansetzen, nämlich im Kindergarten. Am besten mit einem zweiten verpflichtenden Kindergartenjahr. Wir müssen dafür sorgen, dass alle Kinder alle Lebens- und Bildungschancen haben und das wird nur gehen, wenn wir die Sprachförderkräfte entsprechend gut schulen, gut bezahlen und es in allen Kindergärten tatsächlich diese Personen gibt. Da lässt Bildungsstadtrat Wiederkehr (Neos; Anm.) gerade alles liegen.

Aber auch er fordert ein zweites, verpflichtendes Kindergartenjahr …
Was wir im Moment sehen, ist ein wirkliches Systemversagen. Herr Wiederkehr verweist immer und immer wieder auf den Bund. Bei den Kindergärten ist Stadtrat Wiederkehr alleine zuständig. Das hat er in der Hand, das kann er in der Sekunde umsetzen – doch da lässt er komplett aus.

Comeback für rot-grüne Stadtregierung?

Was ist Ihr Ziel für die Wien-Wahl 2025?
Dass wir in Regierungsverantwortung kommen.

Sie lassen kaum ein gutes Haar an der SPÖ. Mit wem wollen Sie koalieren?
Ich persönlich arbeite mit Bürgermeister Ludwig (SPÖ, Anm.) sehr gut und sehr vertrauensvoll zusammen. Wir haben eine gute Arbeitsbeziehung. Wir Grüne haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass wir paktfähig sind, etwa bei der Bauordnungsnovelle. Die SPÖ wird weiterhin den Bürgermeistersessel innehaben. Es stellt sich nur die Frage, ob die SPÖ gemeinsam mit der ÖVP eine Koalition des alten Denkens eingeht, oder mit uns Grünen gemeinsam in eine gute Zukunft, in ein gutes Wien von morgen startet.

Die Neos spielen in diesem Szenario keine Rolle mehr?
Die Neos haben sich nicht ausgezeichnet durch große visionäre Projekte. Es würde mir keines einfallen.

(*) Die Wiener Charta des Zusammenlebens war 2012 ein Projekt des damaligen Bürgermeisters Michael Häupl (SPÖ), der Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) und der Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ). Anhand von Gesprächen mit der Bevölkerung wurden Prinzipien zum respektvollen Miteinander in der Stadt erarbeitet.

Mehr zum Thema:

Wie die Grünen Wohnungslosigkeit in Wien beenden wollen
Grüne Wien fordern Handeln bei Leerstandsabgabe
Wiener Grüne für Neugestaltung des Gürtels
Grüne Wien wollen durchmischte Schulen und mehr Geld für Lehrer
Grüne Wien sorgen sich um die Zukunft der Stadt

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

UP TO DATE BLEIBEN


Hier gehts zu den aktuellen Nachrichten aus Wien

Breaking News als Push-Nachricht direkt aufs Handy

MeinBezirk auf Facebook

MeinBezirk auf Instagram

MeinBezirk auf Twitter

MeinBezirk auf WhatsApp

ePaper jetzt gleich digital durchblättern

Storys aus deinem Bezirk und coole Gewinnspiele im wöchentlichen MeinBezirk.at-Newsletter


Video einbetten

Es können nur einzelne Videos der jeweiligen Plattformen eingebunden werden, nicht jedoch Playlists, Streams oder Übersichtsseiten.

Abbrechen

Karte einbetten

Abbrechen

Social-Media Link einfügen

Es können nur einzelne Beiträge der jeweiligen Plattformen eingebunden werden, nicht jedoch Übersichtsseiten.

Abbrechen

Code einbetten

Funktionalität des eingebetteten Codes ohne Gewähr. Bitte Einbettungen für Video, Social, Link und Maps mit dem vom System vorgesehenen Einbettungsfuntkionen vornehmen.
Abbrechen

Beitrag oder Bildergalerie einbetten

Abbrechen

Foto des Tages einbetten

Abbrechen

Veranstaltung oder Bildergalerie einbetten

Abbrechen

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.