Interview Kathrin Gaál
Werden wir uns das Wohnen in Wien noch leisten können?
Vizebürgermeisterin und Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál (SPÖ) über teure Mieten, Delogierungsstopp und neue Gemeindebauten.
WIEN. Die Immobilienbranche ist krisensicher. Denn auch in Zeiten von Corona sind die Mieten in Wien im Vergleich zu 2019 gestiegen. Die bz hat Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál zum Interview gebeten.
Wienweit sind die Mietpreise im Vergleich zu 2019 um 1,7 Prozent gestiegen. Werden wir uns das Wohnen in Wien bald nicht mehr leisten können?
KATHRIN GAÁL: Was sich in dieser Krise besonders gezeigt hat, ist, dass mehr als 60 Prozent der Wienerinnen und Wiener im geförderten Wohnbau wohnen und davon nicht betroffen sind. Das zeigt sich auch im Vergleich mit vielen anderen Städten. Ich habe gerade wieder viele Anfragen aus Deutschland, wo die Situation eine andere ist. Da sieht man wieder, wie wichtig es ist, dass wir schützend die Hand über den Wiener Wohnungsmarkt halten und sich die Leute auf uns verlassen können.
Liegen die neuen Gemeindebauten, die bis 2026 fertig sein sollen, im Zeitplan?
Wir sind im Plan. Es hat anfangs ein bisschen gedauert – bis sich ein Projekt entwickelt, bis es eingereicht ist, bis es mitunter eine Flächenwidmung gibt –, aber jetzt liegt alles im Zeitplan und wir werden sukzessive einen Gemeindebau nach dem anderen quasi an die Bewohnerinnen und Bewohner übergeben.
Sind Corona-bedingt Flächen bzw. Gebäude im innerstädtischen Bereich frei geworden, die für sozialen Wohnbau geeignet wären?
Das wäre schön, leider habe ich diese Entwicklung noch nicht bemerkt. Aber wir haben das Sophienspital am Neubau. Dort entsteht nicht nur ein Gemeindebau, sondern ein zu 100 Prozent geförderter Wohnbau mitten in der Stadt. Das ist eine einmalige Gelegenheit gewesen und etwas ganz Besonderes. Auch im 6. Bezirk, in der Stumpergasse, fangen im Herbst die Abbrucharbeiten an, auch dort wird ein Gemeindebau entstehen.
Es häufen sich die Beschwerden, dass bestehende Gemeindebauten zu langsam saniert werden. Wie will man das verbessern?
Das hat sich bereits verbessert. Es gibt eine neue Richtlinie, die schon zu greifen beginnt. Wir haben seit 2017 wesentlich mehr Sanierungen als in den Jahren zuvor. Aber natürlich, wir haben rund 220.000 Wohnungen. Das ist wie beim Stephansdom: Wenn du bei der einen Seite anfängst, fertig bist und du zur nächsten Seite kommst, könntest du wieder von vorne anfangen.
Die Mietstundungen laufen mit Ende März aus. Wie geht Wien mit diesem Thema um?
Anders. Wir haben schon vergangenes Jahr im März mit dem Delogierungsstopp im Gemeindebau reagiert, der nach wie vor aufrecht ist. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben, das ist uns auch bewusst. Deshalb haben wir auch die Wohnbeihilfe mit der Online-Einreichung vereinfacht. Weiters gibt es jetzt einen sogenannten Wohnbeihilfe-Checker, mit dem man mit ein paar Klicks feststellen kann, ob man um Wohnbeihilfe ansuchen kann. Und auch die Mieterhilfe steht allen Wienerinnen und Wienern kostenlos zur Seite.
Laut einer Karmasin-Umfrage sind 71,4 Prozent der Befragten der Meinung, dass sozial schwache Familien mit wenig Wohnraum in Lockdown-Zeiten besonders unter Homeoffice und Homeschooling leiden. Wie sehr beeinflusst das die Zukunft des sozialen Wohnbaus?
Der soziale Wiener Wohnbau hat bereits in den vergangenen Jahrzehnten bewiesen, dass er immer innovativ war und sich den Entwicklungen angepasst hat. Man hat die Wohnungsgrößen an den Bedarf angepasst. Man hat auf Freiflächen reagiert. Und wir haben schon ein paar Projekte, bei denen wir Wohnen und Arbeiten verbinden, zum Beispiel Am Seeboden in der Seestadt. Dort entsteht ein Projekt, bei dem es im Haus auch Working Spaces gibt.
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