Wohnen in Wien
"Gebaut wird genug, die Wohnungen bleiben aber teuer"

- Im April machte der Nationalrat den Weg für eine Leerstandsabgabe frei, die künftig von den Bundesländern eingehoben werden kann.
- Foto: Stadt Wien/Christian Fürthner
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Eine leistbare Wohnung in Wien zu finden, stellt für immer mehr Wienerinnen und Wiener eine Herausforderung dar. Für Thomas Ritt, Experte im Thema Wohnen in Wien, liegt das Problem unter anderen bei befristeten Mietverträgen, der aktuellen Baupolitik und Wohnspekulationen.
WIEN. Wien galt lange Zeit im Vergleich zu anderen europäischen Großstädten als Stadt des leistbaren Wohnens. Doch spätestens seit der Inflation und steigenden Gaspreisen haben immer Menschen Schwierigkeiten bezahlbare Wohnungen zu finden. Was sind die Ursachen für die scheinbar immer weiter ansteigenden Mieten und was kann dagegen getan werden?MeinBezirk.at hat recherchiert.

- Immer mehr Wohnungen stehen in Wien leer
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Anfang April veröffentliche "Greenpeace Austria" eine Studie zum Wohnungsleerstand in Österreich mit erschreckenden Ergebnissen. Denn leerstehende Wohneinheiten in Österreich könnten die gesamten Grazer Einwohnerinnen und Einwohner beherbergen. Und auch in Wien stehen fast vier Prozent aller Wohneinheiten leer. Eine Studie des "Moment Institut" spricht sogar davon, dass in jeder zehnten Wohnung in Wien niemand offiziell gemeldet ist. Auf das Ergebnis kommt das Institut durch eine Registerzählung, laut der über 100.000 Wohnungen leer stehen.
Es braucht bedingten Leerstand
Thomas Ritt ist Ökonom und Leiter der Abteilung Kommunalpolitik und Wohnen der Arbeiterkammer (AK) Wien. Mit ihm hat MeinBezirk.at über Leerstand, befristete Mietverträge und steigende Mieten versprochen, und wie er sich eine bessere Wohnungsmarktsituation vorstellt.

- Thomas Ritt ist Ökonom und Leiter der Abteilung Kommunalpolitik und Wohnen der Arbeiterkammer (AK) Wien.
- Foto: AK Wien
- hochgeladen von Philippa Kaufmann
Leerstand müsse sein, so der Experte. Denn ohne leerstehende Wohnungen könnten Menschen nicht umziehen. Aktuell würde es jedoch immer mehr Leerstand im Neubau geben. Grund dafür sei, dass diese Wohnungen als finanzielle Anlage gebaut werden, sogenannte Spekulationsobjekte. In den letzten Jahren wurde besonders viel gebaut, doch ein erheblicher Teil dieser Bauten stehe nun leer.
Betonierte Sparbücher
Grund, warum immer mehr Menschen Wohnungen als finanzielle Anlage nützen, sind einerseits die Zinsen. "Seit 2008 gibt es praktisch eine Nullzinsphase und viele Leute, die Geld anlegen wollten, haben dann massenweise Wohnungen gekauft", so der Experte. Neben Einzelpersonen setzen auch Investmentfonds und Pensionsfonds auf diese "betonierten Sparbücher". Die Wohnungen gewannen in den laufenden Jahren immer etwas an Wert hinzu. Daher sei es für die Eigentümer auch irrelevant gewesen, dass die Wohnkomplexe leer stehen.

- "Gebaut wird genug, die Wohnungen bleiben aber teuer" so Thomas Ritt.
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Normalerweise würden die Wohnungspreise fallen, wenn zu viele Wohnungen am Markt sind. Doch da die Wohnungen nicht an den Wohnungsmarkt kommen, gäbe es zwar genug Wohnungen, die aber nicht zugänglich sind für die Gesellschaft. "Es sind Gebäude, die gebaut wurden, um sie leer stehen zu lassen", so Ritt.
Wiener Sozialbau - ein historisches Privileg
Warum Wien lange Zeit als Stadt des leistbaren Wohnens galt, liegt vor allem an der großen Zahl an Gemeindebauten. Rund 21 Prozent aller Wohnungen sind Gemeindebauten, weitere 21 Prozent Genossenschaftsbauten. Nur 33 Prozent sind private Mietwohnungen. Diese Gemeindebauten würden, anders als in Deutschland, auch nicht verkauft werden.
Dennoch sieht der Wohnexperte Probleme. So könne man beim Neubau entdecken, dass immer mehr privat gebaut würde. Besonders in den letzten Jahren war dies der Fall. Da viel gebaut wird, steigen auch die Bodenpreise, in Wien auf das dreifache. So würden gemeinnützige Wohnprojekte vom Markt verdrängt werden. Denn diese haben eine Grenze bei den Bodenpreisen. "Früher, also vor dem Jahr 2000, war es so, dass in Wien eigentlich zwei Drittel gemeinnützig gebaut wurde. Und jetzt sind es zwei Drittel privat. Das Verhältnis hat sich völlig umgedreht", so der Wohnexperte. Dies führe auch zu einem Anstieg der Baupreise. Denn dann könne sich die Baufirma aussuchen, welchen Preis sie setzt. Und im Endeffekt kämen teure Wohnungen raus.

- Rund 21 Prozent aller Wohnungen in Wien sind Gemeindebauten.
- Foto: Alois Fischer
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Für Thomas Ritt ist klar: Es muss mehr gemeinnützig gebaut werden. "Das heißt, ich muss schauen, dass der Grund und Boden nicht hoch spekuliert wird und teuer wird", so der Experte. Dafür brauche es gute Bodenpolitik. Als konkrete Forderung nennt Ritt, dass Grundstücken, die schon der Allgemeinheit, der Staat oder dem Bund gehören, nur mehr zu 100 Prozent für gemeinnützigen Wohnbau verwendet werden.
Übel der befristeten Mieten
Ein Grund für überproportionale Mietpreissteigerungen seien auch befristete Mietverträge. "Bei diesen Verträgen kann ich alle drei Jahre den Mieter oder die Mieterin noch einmal erpressen und sagen: 'Ich verlange nicht die normale Inflationsanpassung, sondern fünf bis zehn Prozent mehr, sonst verlängere ich den Mietvertrag nicht'" Das befristete Mietverträge überproportional teuer seien, würde man auch in Statistiken sehen. In Wien mieten aktuell rund 70 Prozent der Wienerinnen und Wiener Wohnungen mit solchen Mietverträgen. Die AK trete daher auch für eine Abschaffung der befristeten Mietverträge ein. Möglich wäre dies. "Wir haben sie erst 1994 eingeführt. In anderen Ländern gibt es oft gar keine befristeten Mieten", so der AK Experte Ritt.

- Die Arbeiterkammer (AK) fordert die Abschaffung von befristeten Mietverträgen.
- Foto: Pixabay
- hochgeladen von Lucia Königer
Wer über 40 Prozent seiner monatlichen finanziellen Mittel für Wohnen ausgibt, gilt als "überbelastet". Aktuell würden 18 Prozent der Menschen in Wien unter solch einer Überbelastung ihres Haushaltsbudgets durch Mietkosten leiden. International stehe Wien damit zwar immer noch gut da. Doch die rund 36.000 Personen, die davon betroffen sind, haben ein massives Problem, erklärt Thomas Ritt.
Ein stetiger Kampf
Immer wieder gibt es Aktionen und Proteste, die auf den bestehenden Leerstand aufmerksam machen. Allein diesen Monat besetzte eine Gruppe an jungen Menschen ein leerstehendes Haus im 9. Bezirk. Für sie ist die Lösung, gegen den Leerstand, selber aktiv zu werden.
MeinBezirk.at berichtete:
Und auch Parteien nehmen die Thematik der Wohnsituation immer mehr in ihre Inhalte auf. Allen voraus die KPÖ (Kommunistische Partei Österreich). Mit ihren Forderungen nach leistbaren Wohnraum konnte die Partei in den vergangenen Monaten erstaunliche Erfolge in den Salzburger und Innsbrucker Landtagswahlen erzielen. Mitte April beschloss der Nationalrat eine Leerstandsabgabe. Als Grund dafür nennt die Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) den "irren Zulauf" für eine Partei, von der sie gehofft habe, über diese nur mehr in den Geschichtsbüchern zu lesen - gemeint die KPÖ.
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