Fall vor Gericht
AMS streicht Geld, weil Frau 12-Stunden-Tag ablehnt
Ein Streit um Notstandshilfe musste vor Gericht ausgefochten werden. Die Arbeiterkammer verhalf einer Wienerin zu ihrem Recht.
WIEN. 20 Jahre Berufserfahrung in der Gastronomie kann Susanne M. vorweisen. Aber in der Gastronomie dürfte das kein Argument sein: Mit 55 Jahren war die Küchenhilfe bereits sechs Jahre vergeblich auf Arbeitssuche. Als sie dann bei einem Bewerbungsgespräch angab, dass sie nicht regelmäßig 12 Stunden arbeiten wolle, wurde ihr die Notstandshilfe gestrichen. Die Arbeiterkammer (AK) Wien hat für die Arbeitnehmerin jetzt beim Bundesverwaltungsgericht erfolgreich die Nachzahlung erstritten.
Eine Stunde unterwegs in die Arbeit, davon 20 Minuten Fußweg, egal ob bei brütender Hitze oder eisiger Kälte – all das hätte Susanne M. mit Freude in Kauf genommen, wenn sie nur nach sechs Jahren Arbeitslosigkeit endlich wieder eine Arbeit gefunden hätte. Nicht zuletzt, weil sie mit nur rund 750 Euro pro Monat über die Runden zu kommen musste. Das war im Juli 2018. Als die Chefin des Gasthauses am Rande Wiens der Arbeitnehmerin beim Bewerbungsgespräch allerdings sagte, dass sie 12 Stunden Arbeit am Tag erwarte, lehnte sie ab.
AMS muss Geld nachzahlen
Die Stellenanzeige hatte Frau M. vom AMS bekommen. Im Bewerbungsprotokoll vermerkte die Chefin des Landgasthauses, Frau M. habe die Stelle nicht gewollt, "weil zu viel Arbeit ist". Frau M. verlangte eine Änderung und beschwerte sich über die Chefin beim AMS – doch es half nichts. Das AMS hatte ihr die Notstandshilfe für sechs Wochen gestrichen, weil sie das Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses "vereitelt" habe. Frau M. wandte sich an die AK Wien und suchte um Rechtsschutz an. Nach zwei Jahren entschied das Bundesverwaltungsgericht jetzt zugunsten der Arbeitnehmerin: Das AMS muss ihr das Geld nachzahlen.
AK-Präsidentin Renate Anderl sagt: "Der Fall sagt viel über den Umgang mit Menschen aus, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben und dann von der Wirtschaft einfach ausgespuckt werden, weil viele Betriebe meinen, dass man mit über 50 zu nichts mehr zu gebrauchen ist. Die Daumenschraube bei den Arbeitslosen anzuziehen bringt keinen einzigen zusätzlichen Job, sondern erhöht nur den Druck auf all jene, die Arbeit haben. Wenn bestimmte Branchen keine Arbeitskräfte finden, dann sollten wir uns die Arbeitsbedingungen genauer anschauen. Es braucht Sanktionen für Firmen, die sich nicht an Arbeitsrecht halten."
Zum Thema:
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.