Neurowissenschaften
Ein Körper, der zum Feind wird
Die Neurowissenschafterin Inga Koneczny erforscht die Autoimmunerkrankung Myasthenia gravis.
ALSERGRUND. Man kann sich unser Immunsystem wie ein Waffenarsenal vorstellen: Je nachdem, was bekämpft wird – sei es ein Bakterium, ein Virus oder etwa ein Tumor –, werden unterschiedliche Methoden verwendet und maßgeschneiderte Lösungen gefunden. Bei Autoimmunerkrankungen geht dieser Abwehrmechanismus schief. Statt eines Bakteriums oder anderer Invasoren greift sich der Körper plötzlich selbst an.
So auch bei Myasthenia gravis, einer seltenen, schweren Muskelerkrankung und dem Forschungsgebiet von Inga Koneczny. Sie ist Neurowissenschafterin am Klinischen Institut für Neurologie der Medizinischen Universität Wien am Währinger Gürtel. In Österreich gibt es etwa 160 Menschen pro Million Einwohner, die an dieser Muskelschwäche leiden. "Sie wachen auf und es geht ihnen relativ gut, aber bei einer oft ausgeübten Tätigkeit, also beim Sprechen, Kauen, Blinzeln oder Bewegen der Gliedmaßen, wird es schlechter", so Koneczny. Die Muskeln ermüden, im Ex-tremfall kommt es zu einer sogenannten myasthenen Krise, in der Patienten künstlich beatmet werden müssen.
Auslöser finden
Koneczny interessieren die Auslöser der Krankheit, sogenannte Antikörper, die Proteine an der Synapse zwischen Nerv und Muskel attackieren und so die Signalübertragung stören. Das kann man sich so vorstellen: „Im Gehirn habe ich den Gedanken: ‚Ich möchte meinen Arm bewegen.‘ Über Nervenzellen wandert das Signal in meinen Arm, am Ende des Nervs wird ein Molekül ausgeschüttet, das an den Muskel andockt und ihm sagt, er solle sich zusammenziehen.“
Eigene Betroffenheit
Im Normalfall wird das Signal durch den sogenannten Neurotransmitter Acetylcholin an einen Rezeptor im Muskel übergeben. „Patienten mit Myasthenia gravis haben Antikörper, die genau diese Stelle angreifen.“ Neben einem primären wissenschaftlichen Interesse an neurologischen Prozessen hat Koneczny auch eine persönliche Motivation, an der Krankheit zu forschen. Denn auch in ihrer Familie, die sie zärtlich „Autoimmun-Familie“ nennt, gibt es zwei Fälle der Muskelkrankheit. „Jeder, der ein Familienmitglied mit einer seltenen Erkrankung hat, kann nachempfinden, mehr über diese Krankheiten lernen zu wollen.“
Ziel ist es, neue, bisher unbekannte Antikörper zu finden und daraus Methoden für eine bessere Diagnose zu entwickeln. In Zusammenarbeit mit dem AKH werden so auch Blutproben im Rahmen bewilligter Forschungsprojekte untersucht. „Wir haben auch als Familie schon aktiv an Forschungsprojekten teilgenommen – und sind alle begeistert.“
Autorin: Katharina Kropshofer
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