Rotiert Voltaire?

Wo Voltaire drauft steht ist nicht immer Voltaire drin ;-) | Foto: Public Domain
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Eine Faustregel besagt: Nicht zitieren, selber denken! Aber manchmal hat jemand auf vorzügliche Art formuliert, was man selbst gerade sagen möchte.


Manchmal läßt sich mit einem Zitat eine interessante Stelle kenntlich machen, an der eine bestimmte Überlegung aufgetaucht ist. Damit können wir uns in der Zeit, aber auch in unserer Kultur orientieren.

Ich hab einer Website ein sehr populäres Zitat entnommen, das hier in ausgesucht miserablem Deutsch daherkommt: „Ich bin nicht einverstanden mit dem, was Sie sagen, aber ich würde bis zum Äußersten dafür kämpfen, daß Sie es sagen dürfen. (Voltaire)“

Die Geste erscheint derart nobel, daß man über die sprachliche Holprigkeit gerne hinwegsehen möchte, auch darüber, daß der Satz nicht von Voltaire stammt. Das angebliche Zitat kursiert in etlichen Varianten.

Es war die 1868 geborene Evelyn Beatrice Hall, die unter dem Pseudonym S. G. Tallentyre das Buch „The Friends of Voltaire“ publizierte. In einer Londoner Ausgabe von 1906 findet man auf Seite 199 folgende Passage: „I disapprove of what you say, but I will defend to the death your right to say it."

Es ist also Hall, die Voltaire sagen läßt: "Ich mißbillige was Sie sagen, aber ich werde Ihr Recht es zu sagen bis zum Tod zu verteidigen." Das mag den Geist der Aufklärung ausdrücken, ist eine schmucke literarische Verzierung. In der Sache kann man am leichtesten bei Immanuel Kant fündig werden.

Kant eröffnete 1784 seinen Essay „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ mit der Feststellung: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.“ Das bedarf der Erläuterung, die er sofort liefert: „Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“

Das könnte man auch als einladung zum eigenstständige Denken zusammenfassen. Kant präzisiert: „Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“

Daraus schließt der Philosoph: „Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“

Das korrespondiert übrigens mit einem Akt vom 10. Dezember 1948, als die Generalversammlung der Vereinten Nationen ihre „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ verkündete.

Darin besagt der Artikel 19: „Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“

Das ist eine ziemlich anspruchsvolle Passage. Es bleibt uns dabei stets selbst überlassen, ob wir uns eine Meinung erarbeiten, bilden wollen, oder ob wir bloß nachplappern, was wir gerade opportun finden.

Es war Kant und Voltaire gleichermaßen klar, daß es Mumm braucht, sich seines Verstandes „ohne Leitung eines anderen zu bedienen“; oder wie man es damals formulierte, das braucht Entschließung und Mut.

Ich werde nun nicht nachschauen, ob Voltaire in seinem Grab rotiert, weil wir ihm so eine romantischen Phrase unterschieben: „…aber ich werde Ihr Recht es zu sagen bis zum Tod zu verteidigen."

Geben wir es ruhig etwas billiger, verzichten wir auf derart große Gesten und versuchen wir uns in der stilleren Arbeit des eigenstständigen Denkens. Damit wäre doch viel gewonnen.

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