Sich auf Augenhöhe begegnen

Wohnen auf sieben Quadratmetern: Werner Holzinger lebt seit Jänner im Vinzidorf. | Foto: geopho.com
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„Die Würde des Menschen ist unantastbar“, zitiert Soziologe Stephan Moebius das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (mehr dazu unter diesem Link). Das klingt schön und es klingt vernünftig. Und vor allem ist es etwas, an das wir wohl auch um unser selbst willen glauben wollen: keiner will seine Würde verlieren. Ist doch klar. Aber wie sieht das jemand, der – wohl zumindest aus Sicht vieler „Normalbürger“ – schon einmal ganz unten angekommen ist? Wir haben uns mit Werner Holzinger unterhalten, der nach dem Tod seiner Lebensgefährtin im November und dem Verlust seiner Wohnung seit Anfang diesen Jahres einen sieben Quadratmeter großen Container bewohnt, über dessen Eingangstür ein Schild mit der Aufschrift „Vinzidorf 9“ hängt. „Am 1. Jänner habe ich von meiner Vermieterin erfahren, dass ich ausziehen muss“, erzählt Werner – im Vinzidorf ist man per du – in breitem Ennstaler Dialekt. Obwohl man das Gefühl hat, dass es dem 45-Jährigen nicht leicht fällt, sich daran zu erinnern, lächelt er freundlich – so, wie fast das ganze Gespräch über. „Am 5. Jänner bin ich dann hier eingezogen. Was hätte ich denn sonst machen sollen? Es war für mich der letzte Ausweg.“

Dazugehören

Werner erzählt von seiner Alkoholsucht und wie er schon vor 30 Jahren als Rauchfangkehrer-Lehrling in der Obersteiermark in sie hineingeschlittert ist. Und er erzählt, wie er durch seine Krankheit häufig von vornherein abgestempelt wird. „Viele sagen, der kann eh nur saufen. Wie soll man sich da fühlen? Scheiße.“ Er erzählt aber auch, dass das im Vinzidorf anders ist: „Würde bedeutet für mich, dass man akzeptiert wird. Hier werden wir nicht ausgegrenzt, die Bewohner und die Betreuer sind eine Einheit. Hier hat man Würde.“

Auf Augenhöhe

Das heißt auch, dass nicht nur Betreuer Verantwortung für die Bewohner des Vinzidorfes übernehmen, dasselbe gilt auch umgekehrt: „Für uns heißt Würde einfach, den Männern hier auf Augenhöhe zu begegnen und wechselseitig füreinander da zu sein“, erzählt Sabine Steinacher, Leiterin des Vinzidorfs. „Sie sorgen sich um uns – genauso wie wir um sie.“ So bekommen die Dorfbewohner trotz ihrer besonderen Situation das Gefühl, etwas Wert zu sein, ist Steinacher überzeugt. Dabei gehe es auch um Kleinigkeiten wie das Anklopfen oder Bitte und Danke zu sagen – also darum, sich ganz einfach als normale Menschen und mit Respekt zu behandeln. Gegenseitig. Darauf legt auch Werner Wert: „Im Vinzidorf gibt es keine Asozialen. Wir sind eine Gemeinschaft und wenn einer Hilfe braucht, bekommt er die.“

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