Leutschach trauert um seinen ältesten Bürger
Von Ernst Bieber
Toni Lamprecht ist am 27. Jänner im 97. Lebensjahr daheim friedlich entschlafen. Er war unser liebenswerter Nachbar und unser Freund, schreibt Ernst Bieber. Bis zuletzt war er geistig voll auf der Höhe, interessiert am Weltgeschehen und neuen Büchern. Letztlich waren es seine Beine, die nicht mehr mitmachten. Sie hatten einst weit marschieren müssen. Lamprecht musste an allen Kriegsschauplätzen, vom Süden über den Westen bis in den tiefen Osten, präsent sein. Zweimal verwundet („Ich hatte immer einen Schutzengel dabei“, sagte er), kam er im Mai 1945 in russische Gefangenschaft, und erst Ende 1949 sah er seine Heimat wieder. 1950 heiratete er seine Antonia, die heute 89 ist. Obwohl nur von einer kleinen Landwirtschaft und etwas Viehhandel lebend, ließ er seine beiden Söhne studieren. Lamprecht war auch Jagdpächter und Jäger und bis zuletzt mit der Natur verbunden. Er konnte mir stets genau schildern, wie viel Reh- oder Hasenwild sich auf unserem Grund aufhielt. Und er konnte bis zuletzt ohne Brille lesen.
Vor vielen Jahren wurde er Opfer eines Jagdunfalls, den er bagatellisierte: „Ich hab nur ein bisschen Blut auf der Stirn weggewischt, das war es“, erzählte er einmal. Doch Jahre danach kam er wegen eines anderen Problems ins Krankenhaus, wo ein Ganzkörperröntgen gemacht wurde. Die Ärzte liefen zusammen: „Herr Lamprecht, was haben Sie im Kopf?“. Es stellte sich heraus, dass bei dem Jagdunfall mehr als zwanzig Schrotkugeln in den Kopf eingedrungen waren. Aber sie hatten kein wichtiges Hirnorgan beschädigt und sich inzwischen brav eingekapselt. Kaum ein Jagdkollege hat erfahren, dass Toni Lamprecht, so gesehen, ein medizinisches Phänomen war.
Lieber Toni, du warst als Ganzes ein Phänomen und bleibst unvergessen.
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