Minister Andrä Rupprechter: "Jede Region weiß selbst, was für sie am besten ist"

"Das LEADER-Programm gibt keine konkreten Projekte vor, sondern lässt die einzelnen Regionen selbst entscheiden", erklärt Bundesminister Andrä Rupprechter. | Foto: BMLFUW
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Das EU-Programm LEADER zur Förderung des ländlichen Raums geht in die nächste Phase. Was ist das Ziel?
ANDRÄ RUPPRECHTER: Ziel ist es, die Lebens- und Wirtschaftsbedingungen im ländlichen Raum zu verbessern und die regionsübergreifende Zusammenarbeit zu fördern. Wir unterstützen damit kulturell und wirtschaftlich lebendige Dörfer mit einer hohen Lebensqualität. Fast jeder kennt ja aus seinem Umfeld ein Projektbeispiel – von der Dorferneuerung über auch touristisch attraktive Kultur-Veranstaltungen bis hin zu Naturerlebnisangeboten für die ganze Familie. LEADER berücksichtigt, dass verschiedene Regionen individuelle Stärken und Schwächen haben, die sie selbst am besten erkennen und analysieren können. Das Programm hilft dabei, passende Entwicklungsstrategien zu erarbeiten und umzusetzen. Dabei werden vorhandene Strukturen genutzt.

Und die lokale Bevölkerung ist eingebunden?
Ja. Denn LEADER gibt eben keine konkreten Projekte vor, sondern lässt die einzelnen Regionen selbst über die entsprechenden Maßnahmen entscheiden. Weil jede Region selbst am besten weiß, was sie für am besten ist.

Die Gesamtdotierung beträgt knapp 250 Millionen Euro. Wird das reichen?
Über LEADER wurden in der vergangenen Periode auch Projekte unterstützt, die nicht unmittelbar mit innovativer Regionalentwicklung verbunden waren – zum Beispiel Biomasse-Heizwerke. Im neuen Programm für ländliche Entwicklung bis 2020 ist LEADER als eigene Maßnahme verankert und dadurch besser abgegrenzt. Allein für diese speziellen LEADER-Projekte stehen insgesamt fünf Prozent der Mittel des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums zur Verfügung. Das sorgt für kräftige Impulse in unseren Regionen.

Wie viele Regionen können jetzt um Gelder ansuchen?
Das neue Auswahlverfahren wurde in zwei Phasen geteilt. Das gibt den Regionen die Möglichkeit, Feedback zu berücksichtigen und ihre Entwicklungsstrategien schon im Vorfeld zu verbessern. So konnten wir die Qualität der Strategien wesentlich steigern. Alle finalen Einreichungen waren weit über der erforderlichen Mindestpunktezahl. Damit gibt es für insgesamt 77 Regionen die Chance, ihre Projekte mit Hilfe von LEADER umzusetzen. Und für uns alle die Gewissheit, dass unsere ländlichen Regionen auch in Zukunft ihr volles Potenzial entfalten können.

Was muss man als LEADER-Region können, damit man Fördergelder bekommt?
Wichtig ist: Das neue Programm für ländliche Entwicklung legt großen Wert auf professionelles Management. Damit die lokalen Aktionsgruppen ihre Entwicklungsstrategien umsetzen können, sind ein gewissenhaftes Monitoring und eine ausführliche Evaluierung notwendig. Viele Regionen haben bereits Erfahrung mit LEADER und wurden in der Vergangenheit erfolgreich gefördert. Sie verfügen also bereits über das notwendige Know-how.

Ein Problem vieler ländlicher Regionen ist die Landflucht. Kann man die mit solchen Programmen aufhalten?
Landflucht ist ein globaler Entwicklungstrend, der viele Ursachen hat. Um erfolgreich gegenzusteuern, braucht es ein breit gefächertes Bündel an Maßnahmen, das weit über die ländliche Entwicklung hinausgeht. LEADER kann jedenfalls einen wichtigen Beitrag leisten, indem es die Lebensqualität und Wirtschaftsbedingungen in den ländlichen Regionen stärkt. Aus einem echten Zukunftsraum Land will dann niemand wegziehen.


Das LEADER Programm fördert die ländliche Entwicklung. (Foto: Günther Reichel)

Wie sehr sind die Unternehmen vor Ort in das LEADER-Projekt eingebunden?
Bei LEADER entscheiden die lokalen Akteure selbst, was für ihre Region notwendig und am besten ist. Die Unternehmen vor Ort werden intensiv eingebunden und sind teilweise auch Mitglieder der lokalen Aktionsgruppen. Damit sind sie bei wichtigen Entscheidungen direkt beteiligt.

Wäre es nicht wichtiger, die Klein- und Mittelbetriebe (KMU) in den ländlichen Regionen rasch zu entlasten, damit sie dort die Jobs erhalten bzw. neue Jobs schaffen können?
Wir brauchen beides: Nachhaltige Entlastung der KMU und gezielte Impulse für lokale Wirtschaftskraft. Das Programm "Ländliche Entwicklung" hat jedenfalls klare Wachstums- und Beschäftigungseffekte: Laut einer Evaluierung des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) wurden zwischen 2007 und 2013 rund 30.000 Arbeitsplätze zusätzlich geschaffen. Die ländliche Entwicklung hat einen konkreten Nutzen auch für die KMU. Die gemeinsame Agrarpolitik liefert insgesamt die richtigen Impulse für die Kultur- und Wirtschaftslandschaft im ländlichen Raum.

Die ländlichen Regionen brauchen auch eine gute Infrastruktur. Wird das beim Breitbandausbau berücksichtigt werden?
Mir ist besonders wichtig, dass es auch bei der Informations- und Kommunikationstechnologie-Infrastruktur Fairplay zwischen Stadt und Land gibt. Moderne Infrastruktur zählt zu den grundlegenden Voraussetzungen für wirtschaftliche Entwicklung, Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze. Der Ausbau der Breitbandinfrastruktur wurde daher schon im Jahr 2009 in die ländliche Entwicklung aufgenommen. Über das neue Programm und die Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie stehen für diese Maßnahme bis zum Ende der Periode rund 53 Millionen Euro an öffentlichen Mitteln bereit. So verbessern wir den Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien samt ihrer Qualität in ländlichen Gebieten nachhaltig.

Der deutsche Neurobiologe Gerald Hüther forderte kürzlich zum Thema Landflucht und Regionen mehr Selbstinitiative von den Bürgern ein, weil die Politik keine Lösungen mehr habe. Wie sehen Sie das?
Genau dieser Forderung nach mehr Eigeninitiative und Partizipation trägt LEADER ja Rechnung. Schon bei der Erstellung der lokalen Entwicklungsstrategien wird darauf geachtet, dass die lokale Bevölkerung ausreichend eingebunden ist. Die lokalen Aktionsgruppen bekommen in der neuen Periode wesentlich mehr Spielraum. Zusätzliche Gestaltungsfreiheit bringt natürlich auch mehr Verantwortung. Jede lokale Aktionsgruppe muss transparent arbeiten, sich laufend hinterfragen und Interessenskonflikte vermeiden. Damit wird die Eigeninitiative der Bevölkerung gefördert und gefordert. Gerade im ländlichen Raum sind Eigenverantwortung und Eigeninitiative wichtige Tugenden, die wir hegen und pflegen müssen. Lebendige bürgergesellschaftliche Wurzeln und eine intelligente Anreizpolitik – das ist die Erfolgskombination für den ländlichen Raum. Der Staat soll dem Engagement der Menschen nicht im Weg stehen. Ich stehe für den „Partner Staat“, der Engagement fördert – und nicht für den „Vater Staat“, der die Bürgerinnen und Bürger nur bevormundet.

Als in einer Gemeinde im Waldviertel der letzte Nahversorger zusperrte, übernahmen die Gemeindebewohner den Laden auf Vereinsbasis. Das ist doch genau der Spirit des LEADER-Projekts oder?
Das ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie sich die örtliche Bevölkerung einbringen kann und warum LEADER-Projekte so wichtig sind. LEADER ermöglicht innovative Ansätze, die durch die Zusammenarbeit der Menschen vor Ort gestützt werden – das ist eine optimale Voraussetzung für nachhaltige Entwicklung.

Die neue Phase des LEADER-Projekts läuft bis 2020. Heißt es dann: „Auf in die Stadt“ oder „Raus aufs Land“?
Das Programm für „Ländliche Entwicklung“ ist das zentrale Element der österreichischen Agrarpolitik. Es unterstützt eine moderne, effizient und nachhaltig produzierende Landwirtschaft, aber auch die regionale Wirtschaft und die Gemeinden – und es setzt soziale Akzente. Dabei steht der Zukunftsraum Land als lebenswerter Wohn- und Arbeitsraum im Mittelpunkt. Unsere drei strategischen Schwerpunkte lauten: Die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen, die Regionalität unterstützen und die Umwelt schützen. In diesem Sinn arbeiten wir mit voller Kraft dafür, dass der ländliche Raum auch in Zukunft attraktiv und lebenswert bleibt.

Danke für das Gespräch.

"Das LEADER-Programm gibt keine konkreten Projekte vor, sondern lässt die einzelnen Regionen selbst entscheiden", erklärt Bundesminister Andrä Rupprechter. | Foto: BMLFUW
Bundesminister Andrä Rupprechter sieht im LEADER-Programm auch eine Strategie, um der Landflucht entgegenzuwirken. | Foto: BMLFUW/Robert Strasser

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