Budget: Warum Österreichs Staatsschulden von einem Tag auf den anderen explodierten

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1. Warum gibt es diesen plötzlichen Anstieg bei den Staatsschulden?

Mit Ende September hat die Statistische Behörde der Europäischen Union, die Eurostat, die nach neuer Methode berechneten Budgetzahlen der Mitgliedsstaaten veröffentlicht. Durch die neue Methode des so genannten "Europäische System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung" (ESVG) ändert sich nicht nur die Berechnungsmethode, sondern erhöht sich Österreichs Schuldenstand massiv. Sinn hinter dieser Korrektur ist Vergleichbarkeit: Das neue Berechnungsmodell lehnt sich stark an dem der Vereinten Nationen an wodurch es leichter wird die Leistung der europäischen Volkswirtschaften mit dem Rest der Welt zu vergleichen.

2. Wie viel Schulden hat Österreich jetzt?

Die neuen Berechnungen wurden rückwirkend bis in das Jahr 1995 auf das ESVG 2010 umgelegt. Hier zeigt sich deutlich, dass die Staatsschulden in den letzten Jahren deutlicher anstiegen, als nach der alten Berechnungsmethode, dem ESVG 1995. Vergleicht man die Zahlen zum absoluten Schuldenstand, dann ergibt sich ein Anstieg von fast 30 Milliarden Euro, beziehungsweise um mehr als ein Zehntel. Teilt man die Gesamtschulden Österreichs durch seine Einwohnerzahl, dann hat jeder Staatsbürger einen Schuldenberg von fast 31.000 Euro zu tragen.

3. Bekommt Österreich dadurch Probleme?

Da Österreich ein Euro-Land ist, hat es sich verpflichtet besonderen Budget-Regeln zu folgen, um die Stabilität der Währung zu garantieren. So ist es Aufgabe unter anderem die Staatsschuldenquote unter 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) zu senken. Das hat Österreich allerdings selbst nach der alten Berechnungsmethode seit dem Beitritt zur EU noch nie geschafft. Das letzte Mal befand sich die Staatsschuldenquote Österreichs 1993 unter der 60-Prozent-Marke. Nach dem ESVG 1995 betrug die Quote 2013 74,5 Prozent. Rückwirkend zeigen die Berechnungen nach dem ESVG 2010, dass Österreich bereits 2010 erstmals über der symbolträchtigen Marke von 80 Prozent des BIP gelegen war.
Ein blauer Brief aus Brüssel und Sanktionszahlungen drohen jedoch nicht. Denn das jährliche Budgetdefizit wird durch das ESVG 2010 kaum beeinflusst, und bleibt weiter unter der Drei-Prozent-Grenze, die im Euro-Stabilitätspakt vorgesehen ist. Grund hierfür ist, dass nicht nur die Schulden, sondern gleichzeitig auch das BIP selbst durch die Neuberechnung angestiegen ist, und sich somit das Verhältnis von Neuschulden zu Einnahmen kaum ändert.

4. Was schlägt sich nun so massiv in den Büchern nieder?

Die Änderungen sind sehr komplex und betreffen unzählige Sektoren der österreichischen Wirtschaft. Am meisten wirkt sich die Berücksichtigung von bisher aus dem budgetären Berechnungen ausgelagerten Betrieben aus. Vereinfacht ausgedrückt wurden Teile von Unternehmen wie den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), den Wiener Linien, der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) oder der Kommunalkredit Finanz AG (KA Finanz AG) nun im Budget berücksichtigt. Insgesamt sind von der Neudefinition 1.400 Betriebe betroffen, von denen die meisten in den Gemeinden angesiedelt sind.

5. Welche Auswirkungen hat die höhere Verschuldung auf Reformen und die Budgetplanung?

Voraussichtlich wird sich der Schuldenstand auch dieses Jahr weiter erhöhen, sogar ziemlich massiv: Denn dieses Jahr werden die 18 Milliarden Euro an Verbindlichkeiten der gegründeten Hypo-Bad-Bank eingerechnet. Das würde die Schuldenquote in Richtung der 90-Prozent-Marke schieben: Statistik Austria-Generaldirektor Konrad Pesendorfer spricht gegenüber der "Presse" von 87 Prozent Staatschuldenquote.
Finanzmininster Hans Jörg Schelling (ÖVP) spricht gegenüber RMA-Chefredakteurin Karin Strobl davon, dass aufgrund der budgetären Situation die Steuerreform in Etappen durchgeführt werden wird müssen. Gefährdet sieht er sie allerdings nicht. Schelling kündigt im Interview ebenfalls an, mit den Ländern und Gemeinden über eine einheitliches Haushaltsrecht sprechen zu wollen, damit auch eine Vergleichbarkeit innerhalb des Landes hergestellt wird.

Mehr dazu:

Finanzminister Schelling im Interview: "Werden nachschärfen müssen"

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