Ein Blick in die Psyche der Jugend im Landesklinikum Mauer
Karl Ableidinger berichtet vom Alltag mit Kindern und Jugendlichen im Klinikum Mauer.
MAUER. Seit Herbst ist die neue Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie im Klinikum Mauer in Betrieb. Die BEZIRKSBLÄTTER sprachen mit dem Leiter der Abteilung.
BEZIRKSBLÄTTER: Warum wurde der Neubau notwendig?
KARL ABLEIDINGER: Der Neubau für die Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie war notwendig, weil es kein eigenes, spezielles auf die notwendigen Funktionen ausgerichtetes Gebäude gegeben hat. Wir haben all die Jahre in Provisorien aus der Erwachsenenpsychiatrie heraus gearbeitet. Auch die Anzahl der Therapieplätze wurde mit nunmehr 36 Plätzen fast verdoppelt.
Welche Anforderungen werden an das neue Haus gestellt?
Die Räumlichkeiten wurden auf eine Gruppenstruktur mit Fünfer-Gruppen umgestellt. Es gibt Ein- bis Zweibettzimmer. Jede Gruppe besitzt einen eigenen Tagraum, eine eigene Terrasse und einen eigenen Zugang zum Garten. Zuvor gab es eine Stationsstruktur, wie es eben üblich ist in Spitälern, aber das passt hier nicht. Weiters können wir jetzt auch eine Eltern-Kind-Einheit anbieten. Eine tagesklinische Kindergartengruppe ist in Vorbereitung.
Was sind dafür die Gründe?
Der Grund, warum diese Gruppenstruktur erstrebenswert ist, ist die Stressreduzierung. Es sind Kinder, die psychische Belastungen haben, die auf Reize und Reizüberflutungen reagieren.
Wie sehen die Krankheitsbilder aus? Was hat sich verändert?
Die Zahl der psychischen Störungen hat über die Jahre nicht zugenommen. Was sich verändert hat, sind die Krankheitsbilder selbst. So gab es in den letzten 20 Jahren eine Zunahme der Selbstverletzungen. Essstörungen hat es früher in dieser Häufigkeit ebenfalls nicht gegeben. Depressionen sind sehr häufig.
Was sollten Betroffene tun?
Man sollte diese nicht anders betrachten, als wenn jemand einen Skiunfall hat und danach beim Unfallchirurgen in Behandlung geht. Es ist eben ein medizinisches Problem, es gibt Experten, es gehört behandelt, es ist nichts Böses dabei. Die Akzeptanz der Behandlung hat sicher zugenommen – bei den Jungen merkt man das noch klarer.
Wie zeigt sich diese Akzeptanz?
Jugendliche kommen von selbst. Früher war das ganz anders. Zu Beginn sind viele weggelaufen und wollten nicht behandelt werden. Jetzt haben wir eher das Problem, dass viele nicht mehr nach Hause gehen wollen, weil sie sich hier gut versorgt fühlen.
Sind diese Veränderungen ein Symptom der Gesellschaft?
Es ist hauptsächlich ein gesellschaftliches Phänomen. Wenn Sie sich Bücher von Freud ansehen, werden darin große hysterische Anfälle beschrieben. Das sehen Sie heute nicht mehr. Ausgenommen etwa bei Flüchtlingen, dort gibt es noch solche Krankheitsbilder, wie sie bei uns vor 100 Jahren beschrieben worden sind. Die Selbstverletzungen haben zwar zugenommen, allerdings haben gleichzeitig die Suizide abgenommen. Man nimmt durchaus an, dass dies am Ausbau der Psychiatrie liegt und der zunehmenden Akzeptanz der psychischen Störungen.
Interview: Thomas Leitsberger
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