Bei den Traiskirchner Ziegen
"Wer Hörner hat, ist hier im Vorteil!"
Seit rund drei Jahren weiden Ziegen und Schafe auf Traiskirchens Wiesen. Die Tiere helfen bei der Bewahrung der Artenvielfalt. Sie mähen besser und nachhaltiger als jeder Rasenmäher. Sehr lieb sind sie außerdem.
TRAISKIRCHEN. Etwas mulmig wird mir schon, als vier riesige Ziegenböcke auf mich zustürmen. Die imposanten Tiere gehorchen Schäfer Petru Pop aufs Wort: Er pfeift, und schon galoppieren sie quer über die Wiese. Chef-Ziege ist Donald, mit beeindruckenden Hörnern: "Er heißt so, weil er, bevor ihm Hörner gewachsen sind, eine blonde Locke hatte", schmunzelt der Schäfer. Daneben gibt es noch den schwarz-weißen Rudi, Schecki und zwei weitere Böcke. Anführer sind die Hornträger: "Wer Hörner hat, ist hier klar im Vorteil – fast wie in der Politik", scherzt Pop. Aber bisher sind alle Tiere friedlich und knabbern genügsam am den dornigen Büschen."Für Ziegen sind Rosen eine Delikatesse", erklärt Gerald Wolfauer, Nachhaltigkeits-Beauftragter bei der Stadtgemeinde Traiskirchen.
Wiese statt Gstettn
Mehr als 100 Tiere umfassen die Traiskirchner Herden, vier davon grasen ständig auf einer der vielen Wiesenflächen im gesamten Stadtgebiet. Ziel ist es, die natürlichen Wiesenflächen wiederherzustellen. Der ursprüngliche Trockenrasen ist optimal für Wildblumen, welche Insekten als Nahrung dienen. Diese wiederum haben die Vögel zum Fressen gern. Fürs Grobe müssen die Ziegen ran, für den "Golfrasen" sind die Schafe zuständig. Donald, Rudi und Konsorten haben auf der Wiese am Südbahnweg, in der Nähe der "Hiatahittn", schon ganze Arbeit geleistet. Ziegen sind optimal, wenn man verwucherte Flächen freibekommen möchte. Von der "Gstettn", die vorher dort war, ist nicht mehr viel zu sehen. Stauden, Sträucher, junge Bäume, Wildrosen – den Ziegen schmecks. "Ziegen sind sehr genügsame Tiere", sagt Wolfauer.
Füttern kann tödlich sein
Hier auch eine dringende Bitte an alle Besucher – die Schafe und Ziegen sind in Traiskirchen ein beliebtes Ausflugsziel für Spaziergänge mit und ohne Kinder:
"Bitte, bitte nicht die Tiere füttern. Sie bekommen alles, was sie brauchen. Zu viel oder das falsche Futter kann sie umbringen!".
Grashalme durch den Zaun reichen ist in Ordnung, aber altes Brot, Obst oder ähnliches kann bei den Tieren zum Tod führen. Falsch gemeinte Tierliebe, die leicht vermeidbar wäre.
Vollstes Vertrauen ins "Herrl"
Die Ziegenböcke sind ihrem Schäfer Petru Pop gegenüber absolut handzahm. Willig lässt sich Rudi eine Pediküre verpassen, alle kommen auf Kommando. "Die Ziegen sind meine Kinder. Die kennen mich auswendig", sagt er. Überhaupt: "Ziegen sind sehr liebe Tiere!". Die weißen Böcke sind reinrassige Saanenziegen, die gefleckten Kreuzungen mit anderen Rassen. Außerdem zählen Kamerun-Schafe und Milchschafe zur Herde des erfahrenen Schäfers.
Wer ist der Leithammel
Mehrmals pro Jahr wechseln die Schafe und Ziegen die Weide. Am Wiener Neustädter Kanal grasen derzeit die männlichen Schafe. "Wir lassen die Böcke nur gezielt in die Herde, sonst gibt es Rangkämpfe", erklärt Pop. Außerdem wäre es für die Muttertiere gefährlich. Derzeit sind 110 Tiere in ganz Traiskirchen verteilt, die größte Herde umfasst 40 Tiere.
Das ganze Jahr draußen
Die Schafe bleiben das ganze Jahr auf der Weide. Sie sind mit ihrem Fell ohnehin gut "angezogen". Im Jänner/Februar gibt es Nachwuchs, viele werfen direkt auf der Weide. "Schafe können sogar im Schnee werfen. Die Lämmer werden dadurch widerstandsfähiger", erklärt Pop. Allerdings: "Es gibt ohnehin keinen Winter mehr", bedauert er.
Ehrenamtliche Helfer
Hilfe bekommt Pop von Roman Schöner und Kornelia Gamauf. Die beiden machen das ehrenamtlich und kümmern sich um die Tiere, stellen Zäune bei den Weiden auf u.ä.. Schafe und Ziegen bekommen Salz und täglich Wasser, die nötige Nahrung holen sie sich selbst. Eine Runde bei allen sieben Ziegen- und Schafherden in Traiskirchen dauert 2,5 Stunden – mindestens. "Es ist ein 24-Stunden-Job, gerade in der Wurfzeit", so Pop.
Seit drei Jahren für Artenvielfalt
Gestartet hat das "Projekt Gemeindeschafe" vor drei Jahren. Damals war die Stadt Traiskirchen auf der Suche nach einem Schäfer. Pop, der ursprünglich aus Rumänien stammt, war zu dieser Zeit gerade in Blumau-Neurißhof. Bürgermeister Andreas Babler engagierte ihn als Traiskirchner Gemeindeschäfer. "Wir wollten die aufgelassenen Weingärten wieder zu ihrer Ursprungsform – dem Trockenrasen – zurückführen", sagt Gerald Wolfauer. "Wenn die Pflanzen da sind, sind Insekten da. Wenn die Wiesen in Ordnung sind, wird sich der Rest auch einstellen", erklärt er. Auf trockenen, nährstoffarmen Böden gibt es die größte Artenvielfalt. Auch deshalb ist es auch so wichtig, die "Hundstrümmerl" wegzuräumen: Hundekot ist nicht nur extrem schädlich für die Weidetiere, er fügt auch dem Boden zu viele Nährstoffe zu.
Käse und Milch vom Traiskirchner Schaf
Wer gerne Ziegen- und Schafmilch-Produkte made in Traiskirchen möchte: Diese können direkt bei Schäfer Petru Pop in Möllersdorf gekauft werden. Regionaler gehts fast nicht. Es ist ein Kreislauf, der neu entdeckt werden muss: Gemeinsam mit den Tieren leben, die Natur in ihrer Ursprünglichkeit wieder herstellen. Donald und seine Kollegen helfen dabei: Sie fressen noch immer ungewünschtes Gestauder von Traiskirchens Wiesen. Für die Böcke ist es kein Unkraut, sondern ein Festmahl.
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