"Wuzzeln gehört dazu!"
VON ELISABETH MARTSCHINI. Als erstes fällt mein Blick auf ein Schwarz-Weiß-Foto an der Wand. Es zeigt eine Gruppe junger Vespafahrer. Daneben viele ähnliche Fotos, auf denen Jugendliche vergangener Jahrzehnte und unterschiedlicher Stil- und Denkrichtungen zu sehen sind. "Die verschiedenen Jugendkulturen haben mich schon immer interessiert", erklärt Sozialarbeiter Mario David am Beginn des Gesprächs. Fragen habe ich viele. Denn außer dass es die Mobile Jugendarbeit in der Waltersdorferstraße 32 in Baden gibt, weiß ich kaum etwas darüber. Und wahrscheinlich bin ich da nicht die Einzige.
Mario – wie sind schnell per du – gibt mir bereitwillig Auskunft: über die Anfänge des Projekts vor mittlerweile sieben Jahren, über den Trägerverein Menschen.Leben und die Partnergemeinden Ebreichsdorf, Pottendorf, Sollenau, Felixdorf, Eggendorf und Hollabrunn, aber auch über seine ganz persönliche Motivation, Sozialarbeiter für Jugendliche zu werden. "Meine Eltern kamen einst aus Kroatien nach Österreich, ich selbst bin hier geboren. Ich habe schon früh ein Interesse für Menschen und ihre individuellen Probleme entwickelt. Als Jugendlicher habe ich in Baden einen Jugendtreff vermisst, überhaupt einen Ansprechpartner außerhalb der Familie." Mario fragt sich laut: "Vielleicht rührt daher mein Wunsch, selbst mit jungen Menschen zu arbeiten?"
Erfahrungen sammelte Mario während seiner Ausbildung zum Sozialarbeiter, als Streetworker und in einer therapeutischen Wohngemeinschaft, aber auch als Straßenmusiker in L.A.
2007 übernahm er die Leitung der Mobilen Jugendarbeit in Baden.
Die Aufgaben für Mario und sein Team, momentan aus sieben Personen, sind vielfältig. „Es ist keine Streetwork im eigentlichen Sinn“, erklärt Mario, „obwohl wir auch im öffentlichen Raum arbeiten und z.B. Workshops für Schulen anbieten.“ Der Gesamtbereich sei aber größer und umfasse besonders die Freizeitgestaltung und Einzelbetreuung junger Menschen von 12 bis 23 Jahren. „Das Wichtigste ist, ein Vertrauensverhältnis zu ihnen aufzubauen. Was hier so locker aussieht, ist harte Arbeit und erfordert eine fundierte Ausbildung, damit man weiß, was man im Ernstfall zu tun oder an welche Stellen man die Jugendlichen weiterzuvermitteln hat.“ Dafür sei ein riesiges theoretisches Rüstzeug, aber auch das richtige Gespür für junge Menschen unerlässlich. „Und man sollte gut ‘wuzzeln’ können“, verrät Mario mit einem Augenzwinkern. Ein, nein, drei ‘Wuzzler’ stehen nämlich in den Räumen des Jugendtreffs bereit. Dazu ein Billardtisch, Computer mit Internetanschluss, eine Küche und ein Discoraum. Sämtliche Räume wurden gemeinsam mit den Jugendlichen gestaltet.
Wie sieht es mit der Akzeptanz durch die Bevölkerung und mit der Unterstützung durch die Stadtgemeinde aus? Das Projekt, erklärt Mario mir, geht nicht zuletzt auf die Initiative der LAbg. und ehemaligen Bürgermeisterin Erika Adensamer zurück. Aber auch die Zusammenarbeit mit Bürgermeister Kurt Staska funktioniere reibungslos. Was das Bild nach außen betrifft, ist Mario wichtig zu betonen, „dass wir nicht nur mit Junkies arbeiten. Die illegale Suchtproblematik ist sehr gering, die legalen Süchte – Alkohol und Nikotin – wiegen viel schwerer.“ Er zeigt mir ein so genanntes ‘Alksackerl’. Ich habe davon schon gehört und inspiziere neugierig den Inhalt, der den Jugendlichen zu einem ‘g’scheiten’ Rausch verhelfen soll, wenn es denn schon unbedingt ein Rausch sein muss: Ein Müsliriegel dient dem Alkohol als Unterlage; Apfelsaft bringt Flüssigkeit und Fruchtzucker, Erdnüsse Nahrung fürs benebelte Gehirn; Kaugummi hilft gegen den Mundgeruch, egal, ob der von Alkohol oder Erbrochenem stammt, ähnlich die Erfrischungstücher; zwei Kondome sollen schlimmere Folgen beim Sex verhindern, Kräutertee am nächsten Tag den malträtierten Magen beruhigen. „Bleibt dir ein volles Sackerl über, bist übern g’scheiten Rausch wohl drüber“, ist auf einer alkoholspezifischen Erste-Hilfe-Anleitung zu lesen. Ich kann nur hoffen, dass viele volle Sackerl überbleiben!
Was Mario sich für die Zukunft der Mobilen Jugendarbeit wünscht? „Dass wir noch flächendeckender arbeiten und mehr in den Intensivbereich gehen können. Konzepte, z.B. für Jugendcoaching, gibt es schon. Insgesamt möchte ich die Beständigkeit der letzten fünf Jahre fortführen.“
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