Totengedenktag, das Begräbnis meines Vaters
Zum Begräbnis meines Vaters kamen sehr viele Menschen: Nachbarn, Freunde, seine Arbeitskollegen, Verwandte. An die längere erste Hälfte des Begräbnisses kann ich mich nicht genau erinnern. Ich war wie betäubt. Er war zwar nicht wirklich gesund, aber er starb unerwartet, wir waren nicht vorbereitet.
Die Menschen drückten uns die Hand, umarmten uns, flüsterten ein paar unbeholfene Worte. Damals habe ich gelernt, dass auch das ungeschickteste Wort gut tut. Man weiß ja, dass man die Trauernden nicht wirklich trösten kann, und das hemmt den Mitfühlenden. Man ist hilflos angesichts des Todes, aber auch das kleinste Zeichen Mitgefühl tut den Hinterbliebenen gut.
Dann kam eine Kollegin meines Vaters an die Reihe. Tränenüberströmt stotterte sie: “Unfassbar, dass Onkel Andreas – mein Vater – tot ist. Erst vor 3 Wochen hat er uns noch diesen Witz erzählt...” – und dann folgte der Witz. Mein Vater war ein blendender Witzeerzähler, ja -erfinder, und er war besonders stolz, wenn einmal einer seiner Witze zu ihm zurück kam.
Frau Eva hat also den Witz erzählt, und meine Mutter und ich und alle, die zugehört haben, mussten lachen. Dort standen wir an der Urnenwand und haben laut gelacht. Der Witz war unwiderstehlich. Alle ergriff das Lachen.
Dann, plötzlich, hielten wir alle erschrocken inne. Meine Mutter fand als Erste die Sprache wieder, die richtigen Worte: “Andreas sitzt jetzt vielleicht dort oben auf jener Wolke, dort links, und er freut sich, dass wir so fröhlich sind, wenn wir uns an ihn erinnern.”
Die Trauer ist wie eine Krankheit, bedrückt einen lang, aber sie wird langsam milder. Ich denke, die lieben Verstorbenen würden nicht wollen, dass sich die Hinterbliebenen mit Vorwürfen, Versäumnissen etc. quälen, sondern dass sie heiter weiter leben und durch die Erinnerung ihre Toten in ihr Leben integrieren. Deswegen schäme ich mich überhaupt nicht, dass ich beim Begräbnis meines Vaters Tränen gelacht habe.
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