Zivildienst
Weniger taugliche Wehrpflichtige als Gefahr fürs Sozialsystem

Der 18-jährige Peuerbacher Maximilian Hebertinger ist derzeit als Zivildiener beim Samariterbund Alkoven im Einsatz. | Foto: Samariterbund
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In Oberösterreich sind aktuell rund 1.400 Zivildiener im Dienst. Insgesamt gibt es rund 400 Zivildienst-Einrichtungen mit zahlreichen untergeordneten Einsatzstellen. In Eferding und Grieskirchen unterstützen junge Männer etwa das Rote Kreuz, den Samariterbund, Assista, die Lebenshilfe oder die Caritas-Werkstätte St. Pius. Schon jetzt sind nicht alle Stellen besetzt. Die weitere Entwicklung ist sehr ungewiss.

BEZIRKE GRIESKIRCHEN, EFERDING. Im Jahr 2019 haben sich in Oberösterreich rund 50 Prozent der tauglichen Wehrpflichtigen, das sind 2.555 junge Männer, für den Zivildienst entschieden. Das Interesse am Zivildienst ist also weiterhin groß. Dennoch kann nicht immer der angemeldete Bedarf der Einrichtungen mit Zivildienern besetzt werden. Die Gründe dafür sind unterschiedlich und reichen von geburtenschwachen Jahrgängen, der höheren Zahl an Untauglichen, die mangelnde Attraktivität einer Einrichtung bis hin zum ungünstigen Einrückungstermin. „Wichtige Maßnahmen der Bundesregierung, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, sind die geplante Einführung der Teiltauglichkeit und die Attraktivierung des Zivildienstes“, sagt dazu Ferdinand Mayer, Leiter der Zivildienstserviceagentur. Diese im Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus angesiedelte Organisation ist für die Zuteilung der Zivildiener in ganz Österreich zuständig.

Weniger Wehrpflichtige

Um das Sozialsystem erhalten zu können, braucht es auch in Zukunft ausreichend Grundwehr- und Zivildiener. „Im Jahr 2010 gab es österreichweit noch rund 39.500 taugliche Wehrpflichtige. 2019 waren es österreichweit nur mehr rund 30.000, also knapp 25 Prozent weniger als noch im Jahr 2010“, informiert Mayer. Wer sich vor dem Einrückungstermin bereits mit einer Wunscheinrichtung in Verbindung setzt, kann von dieser gezielt angefordert werden. Laut Zivildienstagentur erfolgen rund 80 Prozent aller Zuweisungen wunschgemäß. „Im Frühling wird der Bedarf an uns gemeldet und wir versuchen, diesen im Jahr darauf zu decken“, so ihr Leiter. 2019 wurden in Oberösterreich 2.770 Zivildiener zugewiesen, davon 930 für das Rettungswesen, 665 in der Behindertenhilfe, 434 in der Altenbetreuung, 205 in Krankenanstalten und 177 zur Kinderbetreuung.

Einsatz im Rettungsdienst

Das Rettungswesen ist bei den jungen Männern sehr beliebt. Die Rot-Kreuz-Bezirksstelle Eferding etwa bekommt sehr viele Anfragen und fordert rund 70 - 80 Prozent der Zivildiener direkt an. Wie auch in anderen Einrichtungen ist es schwieriger, den Sommer-Turnus zu füllen. „Zu den Einrückungsterminen im April und Juli ist die Schulzeit noch nicht zu Ende. Deshalb sind diese Termine eher für jene, die ihre Lehre abgeschlossen haben“, so Verena Hubmer, stellvertretende Bezirksgeschäftsleiterin. Während der Corona-Pandemie kam es hier laut Hubmer zu keiner Verzögerung in der Ausbildung, da der Juli-Turnus in Kleinstgruppen selbst ausgebildet wurde. Auch in der Rot-Kreuz-Bezirksstelle Grieskirchen wurde laut Bezirksrettungskommandant Josef Zauner dieser Turnus selbst ausgebildet. In den Bezirksstellen Grieskirchen, Peuerbach und Haag im Hausruck sind zwischen 15 und 20 Zivildiener im Einsatz. „Wir legen viel Wert darauf, den Zivildienern auf Augenhöhe zu begegnen. Dass die Teamarbeit funktioniert zeigt sich darin, dass rund 85 Prozent der Zivildiener als freiwillige Rettungssanitäter im Einsatz bleiben“, so Zauner. Wurde vor dem Einrückungstermin bereits der Rettungssanitäterkurs absolviert, sind die Zivildiener vom ersten Tag weg voll im Einsatz. Wer sich nicht sicher ist, kann die Aufgaben und das Team im Rahmen eines Schnupperdienstes kennenlernen. Für Zauner ist die Durchmischung von beruflichen Rot-Kreuz-Helfern, ehrenamtlichen Mitarbeitern und Zivildienern ein gutes System. Doch die Situation wird schwieriger und hinter dem Fortbestand stehen viele Fragezeichen. „Es gibt immer mehr Angebote, wo der Zivildienst geleistet werden kann. Rund die Hälfte unserer Freiwilligen sind ehemalige Zivildiener. Und gibt es keine allgemeine Wehrpflicht mehr, gibt es auch den Zivildienst nicht mehr“, so der Grieskirchner Bezirksrettungskommandant. Beim Samariterbund in Alkoven wurde ein Sondereinrückungstermin für August 2020 freigegeben. Der Grund ist die coronabedingte Verschiebung des Ausbildungskurses. An den vier Einrückungsterminen werden laut Information von Obmann Ernst Eibensteiner jeweils fünf Zivildiener angefordert. Zugeteilt werden zwischen zwei und vier junge Männer. Als Gründe ortet Eibensteiner die geburtenschwachen Jahrgänge, den Rückgang der Tauglichkeitsquote und den Zuwachs an Zivildienststellen. Er bringt auch die längere Einsatzzeit im Vergleich zum allgemeinen Wehrdienst als möglichen Grund ins Spiel. „Wir können Plätze nicht besetzen und müssen das mit der Aufstockung angestellter Mitarbeiter ausgleichen. Derzeit sind wir in der glücklichen Lage, dass uns viele Ehrenamtliche untertags unterstützen. Doch wir brauchen Beides, sowohl Ehrenamt als auch Zivildiener“, betont Eibensteiner. „Für mich spielte die längere Dauer des Zivildienstes keine Rolle. Für meinen Dienstgeber aber sehr wohl. Die Ausbildung zum Rettungssanitäter dauert rund zweieinhalb Monate. Erst mit Ende der Ausbildung dürfen wir die Verantwortung über den Rettungswagen und den Patienten übernehmen. Wäre der Zivildienst also so kurz wie der Präsenzdienst, dann hätten wir nur drei anstatt der sechs Monate, in denen wir eigenständig unserer Tätigkeit nachgehen dürfen“, erklärt der Peuerbacher Maximilian Hebertinger, der als Zivildiener beim Samariterbund Alkoven im Einsatz ist.

Berührungsängste abbauen

Eine größere Hemmschwelle gibt es bei der Ableistung des Zivildienstes im Bereich der Altenbetreuung oder Behindertenhilfe. Bei Assista sind laut Auskunft von Manuela Braun, Personalabteilung, im Moment zwischen 35 und 40 Zivildiener im Einsatz. Allerdings könnten 58 genehmigte Plätze besetzt werden. „Es ist in den vergangenen Jahren zunehmend schwerer geworden, genug junge Männer zu akquirieren. Zum einen wirken sich die geburtenschwachen Jahrgänge aus. Zum anderen ist für viele junge Leute der Einsatz in einer Einrichtung, in der beeinträchtige oder/und alte Menschen betreut werden, schwer vorstellbar. Eigentlich schade, da dieser Einsatz die Möglichkeit bietet, diesen Bereich in einem überschaubaren Zeitraum und begleitet von kompetenten Mitarbeitern kennen zu lernen“, so Braun. Verschärft wird die Situation durch die Corona-Pandemie. „Viele junge Männer, die jetzt ihre Schulausbildung abgeschlossen haben und ab nächsten Herbst studieren möchten, warten auf Stellungstermine, die während Corona ausgesetzt waren. Da es bei diesen Terminen laut den jungen Männern massive Engpässe gibt, geht sich so mancher Zivildienstantrittstermin nicht mehr aus. Das bedeutet verlorene Zeit für die angehenden Zivildiener und fehlende Zuweisungen in den Einrichtungen“, so Braun. Ein großer Teil ihrer Mitarbeiter sind ehemalige Zivildiener oder haben bei Assista ein freiwilliges Soziales Jahr absolviert. „Besonders interessant und erfreulich ist auch die Tatsache, dass Zivildiener, die uns aufgrund von Corona aus geschlossenen Kindergärten und Horten zur Beendigung ihren Zivildienstes zugewiesen wurden, und die sich nach anfänglichen Bedenken sehr gut eingearbeitet haben, nun zum Teil auch noch als Aushilfen zur Verfügung stehen, weil sie Gefallen gefunden haben an der Arbeit mit beeinträchtigten Menschen.“ 

Schwierig auch die Situation der Caritas-Werkstätte St. Pius. In Peuerbach leisten derzeit 13 junge Männer ihren Zivildienst ab, in der zugehörigen Werkstätte und Wohnen Andorf sind es drei. "Im Jänner konnten zwei Stellen, im April fünf Stellen und im Juli eine Stelle in St. Pius nicht besetzt werden. Das heißt im Jahr 2020 konnten bislang acht Stellen nicht besetzt werden“, so Josef Ratzenböck, Abteilungsleitung Wohnen Erwachsene und Senioren der Caritas für Menschen mit Behinderungen. Dieser nennt ebenfalls die geburtenschwachen Jahrgänge und den Rückgang der Tauglichkeitsquote, aber auch die massive Werbung des Bundesheeres als Ursachen. Die Corona-Krise hat sich laut Ratzenböck kaum ausgewirkt. „Es kam zu Änderungen der Einsatzstellen für die Zivildiener: Im Frühjahr wurden Zivildiener und Mitarbeiter der damals geschlossenen Werkstätten im Wohnbereich eingesetzt und auch von Pfarrcaritas-Kindergärten wurden Zivildiener in den Behindertenbereich versetzt. Bei uns etwa vom Pfarrcaritas-Kindergarten Andorf und Prambachkirchen nach St. Pius.“

In der Lebenshilfe Werkstätte in Haag am Hausruck ist aktuell ein Zivildiener im Einsatz. "Unsere Einrichtung gibt es seit mittlerweile fast zwei Jahren. Es wäre Platz für zwei Zivildiener, allerdings haben wir bis dato nur einen pro Turnus gefunden", so Einrichtungsleiter Erwin Fischer. Im November 2020 werden erstmalig beide Zivildienststellen besetzt. 

Bereichernde Erfahrung

"Die Zivildienstleistenden machen sehr wertvolle Zusatzdienste bei der Begleitung von Menschen mit Beeinträchtigungen. Viele Aktivitäten wären ohne sie nicht möglich. Zudem ist der Einsatz im Sozialbereich für die Zivildiener eine sehr bereichernde  Lebenserfahrung“, so Josef Ratzenböck über die Rückmeldungen der jungen Männer. Der 18-jährige Samariterbund-Zivildiener Hebertinger unterstreicht das: „Der größte Benefit des Zivildienstes ist, dass das Wort Menschlichkeit eine ganz andere Bedeutung bekommt. In dieser kurzen Zeit lernt man immens viel in Punkto Umgang mit kranken und/oder beeinträchtigten Personen. Die eigene Gesundheit rückt auf einmal mehr in den Mittelpunkt und man schätzt mehr als zuvor, dass man selber gesund ist. Deshalb kann ich den Zivildienst wirklich jedem empfehlen. Hier lernt man etwas für das Leben.  Lernt, die kleinen Dinge zu schätzen und am Ende sieht man die Welt – im positiven Sinne – mit ganz anderen Augen.“ Auch Jonas Puckmayr, derzeit bei Assista Altenhof im Einsatz, empfiehlt den Zivildienst weiter. „Ich unterstütze die Klienten in allen Belangen der Kommunikation. Ich kann in einem Bereich arbeiten, der mich persönlich interessiert. Ich verbringe nicht den ganzen Tag im Büro sondern komme regelmäßig mit den Klienten in Kontakt. Wir haben ein sehr gutes Arbeitsklima und im breit gefächerten Aufgabenpool ist für jeden etwas dabei.“ Lukas ist im Moment als Zivildiener bei der Lebenshilfe im Einsatz. Er sagt:„Ich konnte lernen, offener und kontaktfreudiger bei Menschen mit Beeinträchtigung zu sein. Kann es jedem weiterempfehlen, weil es eine Bereicherung für den weiteren Lebensweg ist.“ Daniel Fasthuber war bis Juni 2020 als Zivildiener in St. Pius im Einsatz. Er war von seiner Arbeit so begeistert, dass er derzeit befristet weiterhin für das Caritas-Wohnheim tätig ist und ab September die Ausbildung zum Fachsozialbetreuer für Behindertenarbeit machen wird. Zuvor hatte er eine Lehre als Elektroanlagenbautechniker abgeschlossen: "Der Zivildienst im St. Pius war für mich eine sehr schöne und lebensbereichernde Erfahrung. Das Besondere daran ist, die Möglichkeit andere Welten kennen zu lernen und auch mal andere Seiten des Lebens zu sehen. Wobei man auch sagen darf, dass man sich ruhig ‘‘ein Scheibchen abschneiden kann“ von den Bewohnern und wie sie ihren Lebensalltag meistern trotz Beeinträchtigung. Was ich anhand der Menschen mit Beeinträchtigungen wieder für mich entdeckt habe, ist das Freude-Finden an den kleinen Dingen im Leben und dass es die kleinen Aufmerksamkeiten, Gesten und zwischenmenschlichen Berührungspunkte sind, die wichtig sind. Aber auch, dass man sich manchmal über Kleinigkeiten zu schnell den Kopf zerbrechen kann, die es im Nachhinein betrachtet gar nicht wert waren." Auch Gregor Rechberger, Zivildiener der Rot-Kreuz-Bezirksstelle Grieskirchen, ist begeistert von seiner Zivildienststelle: "Mich hat der Dienst beim Roten Kreuz immer schon interessiert. Nach einem Schnuppertag habe ich gewusst, dass es das Richtige ist. Ich habe hier eine sinnvolle Aufgabe.  Man bekommt von den Menschen viel zurück, und sei es nur ein Dankeschön. Die Einblicke in dieses Berufsfeld verändert einen positiv."

Zur Sache
Wer sich für den Zivildienst interessiert findet auf der Homepage der Zivildienstserviceagentur eine Übersicht über alle Einrichtungen, bei denen der Dienst geleistet werden kann. Viele bieten die Möglichkeit eines Schnuppertages an. Zwar kann nicht jeder Wunsch erfüllt werden doch es sollte auf jeden Fall vorweg direkter Kontakt aufgenommen werden mit der Einrichtung, in der man den Zivildienst ableisten möchte.

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