Bis Oktober auf der Burg
Ausstellung in Güssing zeigt Burgenlands Vor-Geschichte
Das Burgenland gedenkt heuer seiner Gründung vor 100 Jahren. Aber was geschah im ehemaligen Deutschwestungarn vorher, genau gesagt bis zum Jahr 1921? Dieser Frage widmet sich eine Ausstellung der Landesregierung auf Burg Güssing, die von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil gemeinsam mit Landtagspräsidentin Verena Dunst und Bürgermeister Vinzenz Knor eröffnet wurde.
Foto- und Filmmaterial
Vor allem Fotos dokumentieren das Leben, die Wirtschaft und die Politik, die die mehrheitlich deutschsprachigen Teile Westungarns vom Revolutionsjahr 1848 weg prägten. Filmdokumente aus österreichischen und ungarischen Archiven, Zeittafeln, Dokumente, Zeitungsausschnitte, Flugblätter und Ausstellungsobjekte geben einen Einblick in einer Zeit, die üblicherweise nur wenig dokumentiert ist. Burgenländische Schauspieler schlüpfen in Videoclips in die Rollen historischer Persönlichkeiten und erzählen aus deren Leben.
Historische Raritäten
Ausgestellt sind auch echte Raritäten. So etwa die älteste Fotografie des Burgenlandes, die eine Mattersburger Familie zeigt und 1859 aufgenommen wurde. Erstmals öffentlich zu sehen ist das Tagebuch des Seligen Ladislaus Batthyány, der darin die Bekämpfung der Spanischen Grippe im Burgenland beschreibt. Extra für die Landesausstellung angefertigt wurde ein maßstabsgetreues, rund vier Meter langes Modell der 1899 eröffneten Güssinger Bahnhofsanlage.
Die ältesten Filmaufnahmen aus dem Burgenland, Bilder von den Kämpfen des Jahres 1921 und Szenen aus der ersten Sitzung der Landesregierung und des Landtages sind ebenfalls zu sehen.
Zweisprachige Ausstellung
Wissenschaftlich vorbereitet wurde die Schau von Dieter Szorger, Michael Achenbach und Christian Ratz, für Grafik und Produktion zeichnete Eveline Rabold verantwortlich. Die Texte sind sowohl in Deutsch als auch in Ungarisch verfasst.
Die Ausstellung sei „nicht nur eine historische Zeitreise, sondern auch eine Liebeserklärung an dieses Land und seine Menschen“, betonte Landeshauptmann Doskozil bei der Eröffnung.
Für die Ausstellung und für den für Juli 2021 geplanten digitalen Begleitband wurden fast 800 - größtenteils private - Fotoaufnahmen zur Verfügung gestellt.
Bis 31. Oktober 2021, dann 2022
Die Schau ist bis 31. Oktober öffentlich und unter Einhaltung corona-bezogener Sicherheitsvorkehrungen zugänglich. Geöffnet ist die Burg mittwochs bis sonntags von 10.00 bis 17.00 Uhr. Nach Ende der Winterpause wird die Ausstellung auch im Jahr 2022 zu sehen sein.
Historischer Hintergrund
Bis vor 100 Jahren war das heutige Burgenland ein Teil Ungarns und umfasste im wesentlichen die größtenteils von Deutschen und Kroaten besiedelten Teile der Komitate Wieselburg, Ödenburg und Eisenburg umfasste. Die Ausstellung „Von Deutschwestungarn ins Burgenland“ beginnt im Jahr 1848, dem Jahr der europäischen Revolutionen und endet mit dem Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie und der Landnahme des Burgenlandes durch Österreich.
Die revolutionären Ereignisse von 1848 brachten zwar die Befreiung der „burgenländischen“ Bauern vom Untertanentum, die ersehnten bürgerlichen Freiheiten und eine ungarische staatliche Souveränität blieben jedoch verwehrt. Mit dem Ausgleich von 1867 erhielt Ungarn eine größere Eigenständigkeit zugestanden. Verbindendes Element der beiden Reichshälften war das Haus Habsburg, mit der Figur von Franz Joseph I., der als österreichischer Kaiser bzw. als ungarischer König viele Jahrzehnte regierte.
Magyarisierungspolitik
Während die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts eine vergleichsweise liberale Minderheitenpolitik mit sich brachte, wurde die ab den 1890er Jahren verstärkt spürbare Magyarisierung von Deutschen und Kroaten als belastend empfunden. Die Jahrzehnte vor dem Anschluss an Österreich brachten das Entstehen einer vergleichsweise gut entwickelten Industrie und zahlreiche technische Innovationen. Eine besondere Bedeutung bei der wirtschaftlichen Entwicklung spielte die Eisenbahn.
Alltagsleben
Die Ausstellung setzt sich besonders mit dem Alltagsleben der Menschen des ausgehenden 19. Jahrhunderts auseinander. In der privaten Lebenswelt der „Burgenländer“ gewann die Fotografie an Bedeutung. Langsam hielt die Elektrizität Einzug in die Ortschaften Deutschwestungarns. Telegrafie und Telefon revolutionierten die Kommunikation, und noch vor dem Weltkrieg rollten die ersten Automobile durch das Land.
Am Ende standen der Erste Weltkrieg und der Zusammenbruch der Monarchie. Das Habsburgerreich wurde nach dem Willen der Siegermächte in Einzelstaaten aufgeteilt. Die Republik Österreich entstand auf Grundlage der Friedensverträge von St. Germain und Trianon, und es waren auch diese Verträge, die die Angliederung Deutschwestungarns als eigenständiges Bundesland an Österreich ermöglichten.
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