Literaturabend in der Stadtbühne Imst
Einblick in geniale Gedanken - Autor Franzobel begeistert mit „Einsteins Hirn“

Franzobel unterhielt das Publikum in der Stadtbühne mit Auszügen aus seinem neuesten Werk und allerlei Geschichten rund um die Entstehung.
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IMST(alra). Eine Kostprobe aus seinem neuen Werk bot der renommierte österreichische Schriftsteller Franzobel im Rahmen des 50 Jahre Tyrolia-Jubiläums kürzlich in der Stadtbühne Imst. Mit „Einsteins Hirn“ hat der vielfach ausgezeichnete Schriftsteller einen Roman – „ rund um eine neue erfundene wahre Geschichte“ – geschaffen. Nach der unterhaltsamen Lesung folgte ein Gespräch des Autors mit dem langjährigen ORF-Tirol-Kulturchef Martin Sailer.

Vielseitigkeit, die begeistert

Franzobel, der eigentlich Franz Stefan Griebl heißt, ist bekannt und auch beliebt für seine ebenso satirisch-kritischen wie bizarr-humorvollen Bücher. Anspruchsvoll bedient er seine Leserschaft mit vielfältigen und tief recherchierten Inhalten – seit den 1990er-Jahren veröffentlicht er in engem Rhythmus Gedichte, Krimis, Kinderbücher, Essays, Erzählungen sowie Theaterstücke. Für sein Schaffen wurde er bereits mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis, dem Arthur-Schnitzler-Preis (2002) und dem Nicolas-Born-Preis ausgezeichnet. Hohe Bekanntheit erreichte er auch durch seine in zahlreiche Sprachen übersetzen historischen Romane „Das Floß der Medusa“ aus dem Jahr 2017 und „Die Eroberung Amerikas“ aus 2021.

Fakt und Fiktion – spannend vermischt

2023 erschien nun eine spannend-verwegene Geschichte, in der Fakten und Fiktion verschmelzen. Der Titel „Einsteins Hirn“ verweist in diesem Fall eindeutig auf den Inhalt und es ist tatsächlich das Hirn Albert Einstein, aus dem sich eine sehr unterhaltsame, durchaus bizarre Story aufbaut, der es jedoch nicht an Tiefgründigkeit fehlt. Albert Einstein bedarf keiner großen Vorstellung – er verkörpert Genie und Forschung und geht als einer der zentralsten Physiker in die Geschichte der Wissenschaft ein. Am 18. April 1955 verstirbt Einstein im Princeton Hospital, New Jersey. Seinem Wunsch entsprechend wird sein Körper verbrannt und die Asche an einem unbekannten Ort verstreut. Einsteins Körper ist jedoch zum Zeitpunkt der Einäscherung nicht vollständig – der Pathologe Thomas Harvey hat Einsteins Gehirn entfernt und dieses 42 Jahre lang als makabre Begleitung in sein Leben integriert.

Intensive Recherche – eingängig vermittelt

Reisen durch die amerikanische Provinz und historische Meilensteine wie die Wahl von John F. Kennedy zum Präsidenten, die erste Mondlandung, Woodstock, Watergate bis hin zum Ende des Vietnamkriegs teilt Harvey mit Einsteins Hirn. So viel gemeinsam Erlebtes mündet in Franzobels Geschichte irgendwann darin, dass der Pathologe mit dem Hirn, welches er in einem mit Formalin gefüllten Glas lagert, zu reden beginnt. Damit nicht genug – das Hirn fängt ebenfalls an zu sprechen – es entwickelt ein durchaus absurdes Eigenleben. Es bleibt nicht aus, dass die außergewöhnliche Beziehung zu einem unerwartet diskussionsfähigen Organ – noch dazu zu einem, dem einzigartige wissenschaftliche Errungenschaften entsprungen sind, gravierenden Einfluss auf Thomas Harveys Leben nimmt. Ein einfacher Mann, der einst als Pathologe ein gut situiertes, aber dennoch ein Dasein im Schatten führte, durchläuft heftige Phasen. Festgehalten und intensiv geschildert sind zahlreiche Haupt- und Nebenschauplätze, die um einige zu nennen, vom Glaubensverlust, drei gescheiterten Ehen bis hin zum Job als Hilfsarbeiter in einer Plastikfabrik führten. Der Autor erweist sich als exzellenter Beobachter, der intensive Vorort-Recherche und eingängige Charakterstudien der stillen Schreibstube zeitweise eindeutig vorzieht. Nicht zuletzt ein Faktor, der das Buch üppig mit Szenen und Personen füllt und zum lebendigen Leseerlebnis mit viel Stoff für Kopfkino gestaltet.

Facettenreiches Leseerlebnis

Einstein hat tatsächlich existiert, Thomas Harvey ebenso. Dass Harvey über vier Jahrzehnte das Hirn des Physikers in seinem Besitz hatte, ist ebenso Fakt. Faszinierend webt Franzobel zu diesen realen Fixpunkten die Fiktion in die allseits bekannte Geschichte und lässt dadurch etwas entstehen, das ebenso als mögliche Form von Realität im Raum stehen kann – zumindest als etwas entrückte und fantasiegeladene Realität. Das Buch führt durch viele Ereignisse, Orte und wilde Zeiten – und auch durch den (Irr)Weg der Suche des Pathologen Harvey, der bemüht ist, die Genialität von Einsteins Hirn zu ergründen. Damit einhergehen große Themen, die die Menschheit bewegen, von Physik, Wahrheit, Zeit, Mentalität bis hin zum Glauben. Letztendlich auch das Wissen darum, dass sich nicht alles entschlüsseln lässt und trotz aller Bestrebungen die vermeintlichen Antworten auf manch große Fragen oftmals noch viel größere Fragen mit sich bringen.

Aufschlussreicher Dialog

Nachgefragt hat auch Martin Sailer, der sich mit Franzobel dem Inhalt des Buches, aber auch dem Arbeitsprozess des Autors näherte. Die lockere Art zu erzählen, die Eloquenz, in die er beim Schreiben fundierte Informationen verpackt und die das Lesen seiner Werke zum kurzweiligen Vergnügen macht, bewies Franzobel auch im Gespräch. Die Frage, ob Schreiben Lust ist, beantwortete er wie folgt:

„Es ist durchaus auch Qual, aber wenn sich Dinge zusammenführen lassen, Figuren, die man durch die Geschichte schleppt, plötzlich ein Gesicht und eine Funktion bekommen und sich dadurch der Roman ändert, dann sind das Glücksmomente und auch Lust.“

Die Leselust beim Publikum hatte Franzobel eindeutig geweckt, der Büchertisch wurde gestürmt und der sympathische Autor erwies sich beim Signieren auch als spontaner Künstler, der mit kleinen Zeichnungen jedes Werk veredelte.

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