Zeitzeugnis der Malerin und Autorin Dietlinde Bonnlander filmisch aufgearbeitet
„Was bleibt ist die Erinnerung" Film von David Grissemann basierend auf Dietlinde Bonnlanders Fluchttagebuch

Premiere des Films „Was bleibt ist die Erinnerung". Das Filmprojekt von David Grissemann basiert auf Dietlinde Bonnlanders Fluchttagebuch.
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IMST(alra). Die in Imst lebende Malerin und Autorin Dietlinde Bonnlander blickt auf ein Leben zurück, das sich nicht immer in den leuchtenden Farben, die ihre Bilder tragen, gemalt hat. 1931 in Hinterpommern geboren, erlebte sie als junges Mädchen den Verlust des Zuhauses, den Aufbruch und die Flucht in die Ungewissheit und damit entstanden bleibende Erinnerungen an den Krieg in vielen schrecklichen Facetten. Basierend auf ihrer Geschichte ist der Film „Was bleibt ist die Erinnerung" von David Grissemann entstanden, die Erstaufführung fand am 31. Oktober im FMZ-Kino in Imst statt.

Die Ereignisse, die sich tief in die Seele Bonnlanders eingegraben haben, finden in ihrem künstlerischen Schaffen, in Bildern und Worten Ausdruck. Die ungebrochene Energie, die lebensbejahende Hoffnung hat sie sich stets erhalten und den Blick für Details und besondere Momente lässt sie in der Malerei sprechen, die zwischen Natur und Abstraktion Tiefe findet. Berührend und klar sind ihre Bücher, die in Gedichten und Geschichten den Weg durch 87 Lebensjahre aufarbeiten. Seit Jahren engagiert sich Bonnlander im Rahmen ihres künstlerischen Wirkens für Kinder im Krieg. Insgesamt über 40.000 Euro aus Bilder- und Bücherverkauf konnte sie bereits an  „Nachbar in Not - Kinder im Krieg" übergeben.

Vom Fluchttagebuch zur filmischen Dokumentation

Mit ihrem 1995 veröffentlichten Fluchttagebuch hat Dietlinde Bonnlander auf ihr eigenes Tagebuch zurückgegriffen und die Eindrücke, die sie mit vierzehn Jahren festhielt, erneut niedergeschrieben. Seit dieser Flucht sind mittlerweile 73 Jahre vergangen, seit dem Erscheinen des Buches sind 23 Jahre vergangen. 2018 wurde dieser einschneidenden Zeit ein weiteres Kapitel hinzugefügt. Der Imster Filmemacher David Grissemann hat basierend auf Bonnlanders Fluchttagebuch eine tiefgründige Dokumentation geschaffen, in der die Künstlerin die prägenden Wochen im Jahr 1945 reflektiert. Der Film wurde im Imster FMZ Kino einem geladenen Publikum vorab präsentiert. Der Zugang für die breite Öffentlichkeit ist in unmittelbarer Planung, die Verantwortlichen sind diesbezüglich in der konkreten Verhandlungsphase.

Tiefe Spuren - bleibende Bilder

„Was bleibt ist die Erinnerung", so der Titel des 50-minütigen Films – und diese Erinnerung ist wahrhaftig und unglaublich lebendig über all die Jahrzehnte in Dietlinde Bonnlander geblieben. Für drei Drehtage hat sie im „Buchladen Wiederlesen" in Imst Platz genommen und sich in der vertrauten Wohnzimmeratmosphäre in Gesprächen mit Freundin Christine Niederbacher in die Anfänge des Jahres 1945 zurückversetzt. Gut sieben Stunden erzählte sie vor laufender Kamera von der Flucht aus Fritzow. Eine Flucht ins Ungewisse, in die 190 Menschen und 27 Pferde am 5. März vom Hof der Familie Brauer aufbrachen. Dietlinde, Kind der Brauers, folgte dem „Packbefehl" und nahm Bücher, Bleistifte und ihren Stoffhasen mit. Der Schrecken des Krieges war ständiger Begleiter. Die Strecke, die bis zum 4. April und der Ankunft in Satrup in Schleswig-Holstein zurückgelegt wurde, war vor allem ein Weg der Furcht, des Verlustes, der Entbehrung. Und für das junge Mädchen Dietlinde Brauer, wohl auch endgültig der Abschied von Heimat und Kindheit mit dem dazugehörigen Vertrauen in Sicherheit, in ein behütet sein. Dietlinde Bonnlanders Schilderungen lassen keinen Zweifel an den tiefen Spuren, die jedes Detail der Vertreibung, der Flucht, des Krieges in ihr hinterlassen haben. Ohne Mühe erinnert sie Namen, Orte, Daten und Bilder und fügt all diese Fragmente zu einem berührenden, weil so lebendigen Zeitzeugnis zusammen. Die Perspektive einer 14-Jährigen, die begreift, dass es lebensbedrohlich ist, eine nicht regimekonforme Meinung so beharrlich zu vertreten wie es ihr Vater tat, wird deutlich. Ein Mädchen, das begreift, wie sich alles verlieren kann, was  „zu Hause" bedeutet – wie schrecklich es sich anfühlt an einem Ort nicht mehr willkommen zu sein und wie gut es tut woanders Hilfe zu erfahren.

Ein Projekt gegen das Vergessen

David Grissemann hat sich behutsam auf die Spuren dieser Flucht begeben und zum Teil mit seinem Team und Dietlinde Bonnlander die Originalschauplätze bereist und dort gedreht. Der Film lebt von Stimmungsbildern, die sich aus Bonnlanders Erinnerungen und Grissemanns Visualisierung und erzählendem Leitfaden zu einem atmosphärischen, tiefgreifenden Gesamten fügen. „Der Nationalsozialismus ist der dunkelste Bereich im Gemälde Europas", leitet Grissemann im Film ein und schickt die Frage  – „Wie malt das Leben?" – nach. Dietlinde Bonnlander gelingt es Dank eines beeindruckend funktionierenden Gedächtnis, die Farben ihres Lebens durch Licht und Schatten sehr klar abzurufen. Das Geschehene wird aus der Vergangenheit befreit und unmittelbar in die Nähe der Zuschauer gerückt. Dort wo alltägliche Berichterstattung über Kriege bereits für eine gewisse Taubheit sorgt und die Opfer als anonyme Menge empfunden werden, trifft die Stimme einer 87-jährigen Frau, die bis heute beinahe minutiös die traumatischen Eindrücke des Krieges schildern kann, sehr intensiv. Mit Dietlinde Bonnlander haben damals ca. 16 Millionen Menschen ihre Heimat verloren, als die Alliierten Hinterpommern an Polen abgaben – ca. 1 Million Menschen verloren auf der Flucht ihr Leben.

Bonnlanders Wahrnehmung bleibt selbst im reifen Lebensalter auch die eines Kindes, das dem unbegreiflichen klare Worte gibt, die auf ehrliche Art und Weise emotionalisieren und als Impuls des Nachdenkens dienen. Und mit dem Satz, den sie in einer Rede den Kriegsopfern an der Mahn- und Gedenkstätte am Golm auf Usedom widmete, bringt sie auf den Punkt, was sie trotz allem dankbar macht und was zugleich für viele Menschen im Krieg keine Option ist: „Leben wäre eben doch eine schöne Alternative gewesen..."

Wegbegleiter und Wegbereiter

Das Filmprojekt ist durch das Zusammenwirken mehrerer Impulsgeber und langjähriger Wegbegleiter Dietlinde Bonnlanders entstanden. Christine Niederbacher und Egon Egger regten die Idee an. Reinhard Deutschmann war organisatorisch und begleitend stets an Bonnlanders Seite und knüpfte die entscheidenden Fäden zur ihrer Familie – insbesondere zum Neffen Dietmar Brauer, der die Dokumentation gemeinsam mit Gattin Sabine finanzierte. David Grissemann realisierte mit dem Team seiner Firma Schnittplatz Filmproduktion in einer Produktionszeit von neun Monaten, davon zwei Wochen reine Drehzeit, den Film. Dietlinde Bonnlander ist dankbar für die einfühlsame Zusammenarbeit aller Beteiligten. Für sie ist der Film die Möglichkeit, die Geschichte für die Nachwelt zu sichern mit der Hoffnung, dass daraus für Gegenwart und Zukunft gelernt wird. Das Premierenpublikum konnte die Intentionen von Dietlinde Bonnlander und David Grissemann spürbar nachvollziehen und für die bewegende Umsetzung des Projektes gab es Standing Ovations.

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