"Klassenkampf ist ein Teil des Unmuts"
Ihr Buch sei ein Weckruf an die Demokratie in der EU, so die Autoren Misik und Reimon.
Der Bogen in Ihrem Buch ist weit gespannt: vom Aufbau der EU bis hin zur jüngsten Finanzkrise und den milliardenschweren Rettungsaktionen. Wen wollen Sie damit ansprechen?
REIMON: „Ich schreibe für Menschen wie meine Familie, die nicht im Politikbetrieb tätig ist, sich aber doch für politische Vorgänge interessiert. Unser Buch soll keine leichte Kost sein, aber es soll zum Nachdenken animieren.“
MISIK: „Es hat keinen Sinn, Bürgerinnen und Bürger wie ,Dodln' zu behandeln. Das macht eh schon die Politik. Gerade in der Frage, was in der Wirtschaftspolitik passiert, gibt es ein enormes Interesse, jedoch den totalen Mangel seitens der Politik oder der Publizistik, es in einer Sprache zu erklären, die nachvollziehbar ist.“
Sie kritisieren in Ihrem Buch die Aufarbeitung der Finanzkrise scharf und fordern Vermögenssteuern. Das klingt ganz nach Klassenkampf.
MISIK: „Klassenkampf ist ein Teil des Unmuts. Es gibt einen Klassenkampf von oben, wie der legendäre US-Investor Warren Buffett sagt: ,Es gibt Klassenkampf, und meine Klasse ist dabei, ihn zu gewinnen.' So ist es doch. Wir hingegen sind für ganz simple Gerechtigkeit. Denn wir haben in der Vergangenheit zwei große Raubzüge erlebt: Zuerst wurden durch Finanzjongleure reale Werte abgezogen und verspekuliert. Dann fand innerhalb der europäischen Rettungspolitik der nächste Raubzug statt. Man hat die Steuerzahler jene Schulden bezahlen lassen, die durchs Spekulieren entstanden sind, ohne die Profiteure der Zockerei je zur Kassa zu bitten.“
REIMON: „Wir führen keinen Klassenkampf, sondern wir wehren uns gegen einen Klassenkampf, der von oben her stattfindet. Ich bin der Auffassung, dass die Ankurbelung der Wirtschaft und die Rettung der Finanzmärkte auch durch ein Anzapfen von Vermögen möglich gewesen wären. In Österreich besitzt ein Prozent der Menschen ein Drittel des Vermögens, das völlig unbeschadet aus der Krise herausgegangen ist."
Wie soll sich das System Europäische Union aus Ihrer Sicht denn weiterentwickeln?
REIMON: "In Brüssel sitzen alle nationalen Regierungschefs, die nur darauf schauen, dass sie ein möglichst großes Stück Speck nach Hause bringen, ohne an das große Ganze zu denken. Wir müssen über unsere Grenzen blicken und die EU zu einem echt starken, demokratischen System weiterentwickeln – zugunsten aller Europäer."
MISIK: "Wir kritisieren in unserem Buch sehr viel. Mir ist aber wichtig, hervorzuheben, dass auch positive Dinge passieren, wie etwa die gemeinsame Anstrengung zur Rettung des Euro gegen Spekulanten. Es gibt aber noch genug zu tun und zu demokratisieren und vor allem braucht es seitens des Europäischen Parlaments mehr Kontrolle. Dabei bedarf es aber auch der Mithilfe aller EU-Bürger, diesen Prozess weiterzuführen."
Hintergrund
Robert Misik ist politischer Schriftsteller. Auf derstandard.at ist er mit seinem politischen Video-Tagebuch vertreten. Michel Reimon war grüner Landtagsabgeordneter im Burgenland und kandidiert nun auf dem 2. Listenplatz der Grünen für die EU-Wahl. Reimon schreibt im Internet auf: "dem michel reimon sein blog". Ihr Buch "Supermarkt Europa. Vom Ausverkauf unserer Demokratie" (Czernin Verlag) ist ein Plädoyer für ein anderes Europa.
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
1 Kommentar
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.