Traurig, aber wahr: Auf eine letzte Melange ins Café Griensteidl
Nach 170 Jahren sperrt das Traditionscafé am Michaelerplatz für immer zu. Die bz machte eine letzte Kaffeepause vor Ort.
WIEN. Wenn man das Café Griensteidl betritt, kommt einem ein Hauch von Melancholie gepaart mit Wut und Ärger entgegen. Seit zwei Tagen wissen die 33 Angestellten erst, dass heute ihr letzter Arbeitstag ist.
Eine ältere Dame isst am Nebentisch einen Eisbecher, auf der anderen Seite schneidet eine deutsche Touristin an einem Schnitzel herum. So nah kann Glück und Neid nebeneinander sein. "Meine Tochter arbeitet seit mehr als 20 Jahren hier und ich war oft zu Besuch. So auch in ihrem letzten Arbeitstag", sagt die Frau. Die deutsche Touristin auf der anderen Seite hat noch gar nicht mitbekommen, dass das Kaffeehaus heute für immer schließt. "Das finde ich sehr schade. Das Schnitzel war hervorragend", so die Dame, und bestellt sich noch eine Melange und einen Apfelstrudel.
Soeben betritt eine siebenköpfige Reisegruppe aus Japan (mit Strohhüten, Reisekoffer und Kameras) das Lokal. Sie werden vom Personal gekonnt in Englisch begrüßt, auf die freien Plätze begleitet und ihre Bestellung aufgenommen. Es werden zahlreiche Fotos vom Lokal und der Mehlspeisenvitrine gemacht. Dass es die letzten Bilder vom Griensteidl sein werden, davon haben die Gäste aus Fernost keine Ahnung.
Viele der Stammgäste erweisen ihrem Griensteidl noch einmal die Ehre und setzen sich mit Kaffee und Tageszeitung auf die gemütlichen Polstermöbel. Sie verabschieden sich vom Personal mit einem Händedruck und wünschen "Alles Gute". Wohin die Reise der Bediensteten geht, steht noch in den Sternen. Seitens von Do & Co wurde versichert, dass alle in anderen Lokalen des Betreibers unterkommen werden. Gesprochen hat mit den Kellnerinnen und Kellnern jedoch noch niemand.
Auch wenn die Melange mit 4,60 Euro etwas hochpreisig ist, war sie es mir wert. Schade um dieses wunderbare Stück Zeitgeschichte in unserer Stadt. Adieu, Griensteidl!
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