Die dunklen Seiten des Mondes

Ein großartig entlarvendes Bild: Kollege Meyer (A. Friedl) mimt den selbstgerechten Kreuzritter an der Sprossenwand. | Foto: Saskia Stolzlechner
2Bilder
  • Ein großartig entlarvendes Bild: Kollege Meyer (A. Friedl) mimt den selbstgerechten Kreuzritter an der Sprossenwand.
  • Foto: Saskia Stolzlechner
  • hochgeladen von Katja Urthaler (kurt)

Die diesjährige Sommerproduktion von Theater Melone entlarvt lustvoll die verquere Logik hinter so mancher überkommener Moralvorstellung. Von Christine Frei

Man muss wahrlich nicht in die Ferne und zu anderen Religionsgemeinschaften schweifen, auch Christentum und Katholizismus bieten seit jeher und nach wie vor hinreichend Stoff und Gelegenheit für Kreuzzüge – und damit letztlich für die Selbstverleugnung der eigenen lauernden Abgründe. Denn wer sich dem Leben und damit den eigenen Neigungen und Leidenschaften wahrhaftig stellen will, tut gut daran, immer wieder in den Vulkan zu steigen. Findet zumindest Conny, der nachts als Frau auf einer Parkbank den Vollmond betrachtet und dabei mit Andreas ins Gespräch kommt. Nicht wissend, dass der ausgerechnet der etwas verlorene Sohn seiner Chefin ist, einer Schuldirektorin, welche den Frust über ihr Dasein als verlassene Ehefrau und überforderte Mutter auch gern mit dem einen oder anderen Glas Cognac hinunterspült, bis sie ausgerechnet im bigottischen und reichlich verqueren Kollegen Meyer, einem despotischen Turnlehrer, den idealen Gespielen für ihre sexuellen Phantasien finden wird. Der wiederum hat seinen Feind, den es stellvertretend für die unbedingte Erhaltung unserer gesellschaftlichen und religiösen Ordnung erst zu denunzieren und dann zu vernichten gilt, klarerweise längst ausgemacht. Interessanterweise scheinen Frau Direktor die nächtlichen Eskapaden ihres Lehrers Wagner wenig zu bekümmern, das fällt quasi unter ihre liberale Grundeinstellung. Als Cornelius alias Conny ihr allerdings ganz offiziell eröffnet, dass er fortan als Frau angesprochen werden möchte, weil seine Operation unmittelbar bevorstehe, wird sie ihn freilich umgehend auffordern, die Schule zu wechseln. Liberale Grundeinstellung hin oder her. Mit seinem Stück „Vollmondbetrachtungen“, welches Florian Hackspiel mit seinem Theater Melone-Team nun als Österreichische Erstaufführung ins Freie Theater gebracht hat, lenkt der luxemburgische Autor Jean-Paul Maes den Blick auf so manchen Schlagschatten und so manche moralische Inkongruenz, die sich zwischen absolutem Liberalismus und abgrundtiefem Konservatismus so auftut, insbesondere dann, wenn es um die eigenen sexuellen Bedürfnisse und Identitäten geht. In seiner Figurenzeichnung ist Maes dabei einigermaßen unbarmherzig: Kollege Meyer (Albert Friedl) ist letztlich ein verklemmter Fanatiker, die Direktorin (Gudrun Tielsch) eine durchtriebene Domina, Andreas ein desillusionierter junger Mensch (Larius Phoulivong), während Conny (Nikolaus Firmkranz) in ihrer Reflektiertheit als wahre Lichtgestalt erscheint. Florian Hackspiel hat das Stück mit viel Tempo und in überaus entlarvenden Bildern inszeniert, ideal unterstützt und befördert von Thomas Kurt Mörschbachers ebenso raffinierter wie kluger Mini-Drehbühne auf Rollen. Das Ensemble überzeugt dabei durch die Bank durch kraftvolle Präsenz, einzig die Figur des Kollegen Meyer hätte vielleicht gelegentlich ein paar ruhigere bösartige Sequenzen vertragen.

Ein großartig entlarvendes Bild: Kollege Meyer (A. Friedl) mimt den selbstgerechten Kreuzritter an der Sprossenwand. | Foto: Saskia Stolzlechner
Vier Menschen mit ihren Geheimnissen und Abgründen: die Sommerproduktion "Vollmondbetrachtungen" von Theater Melone. | Foto: Saskia Stolzlechner
Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Folge uns auf:

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.