Ein Reset für die Menschheit

Überzeugender Auftakt des 9. Tiroler Dramatikerfestivals: Nullmensch von Jovica Letić | Foto: Omar Borubaev
  • Überzeugender Auftakt des 9. Tiroler Dramatikerfestivals: Nullmensch von Jovica Letić
  • Foto: Omar Borubaev
  • hochgeladen von Tamara Kainz

Bereits zum neunten Mal gibt Klaus Rohrmoser als Leiter des Tiroler Dramatikerfestivals dramatischen Tiroler/innen die Möglichkeit, um sich mit ihren Texten Bühne und Resonanzraum zu errichten.
Neue Texte, neue Namen stehen also im Fokus, und auch deren Umsetzung hebt sich meist wohltuend von den üblichen Usancen einer zusehends auf Pragmatismus und Quote ökonomisierten Theaterszene ab. Denn selbst für vermeintlich Unspielbares gibt es immer wieder überraschende Lösungen. Vielleicht nicht für die Ewigkeit, aber für siebzig inhaltlich und atmosphärisch dichte Minuten allemal. Wie etwa bei „Nullmensch“ von Jovica Letić, dem Eröffnungsstück des 9. Tiroler Dramatikerfestivals, einem ebenso rätselhaft verschlüsselten wie emotional aufwühlenden Text. Man ahnt und spürt die sprichwörtliche Dramatik unseres Menschseins, hört und sieht die Verwerfungen und manifesten Beschädigungen, die Kriege und Gewalt in den menschlichen Seelen hinterlassen. Denn Letićs Figuren sind leibhaftige Schlachtfelder, die in einer Psychiatrie mit den Dämonen der Vergangenheit ringen. Letić weiß, wovon er schreibt. Der aus Bosnien und Herzegowina stammende Autor, der seit 1988 in Österreich lebt, engagiert sich seit Jahren für die verbindenden kulturellen Werte in den Ländern des früheren Jugoslawien. Daraus erklärt sich wohl auch die finale Utopie: Durch einen Reset würden wir Halbmenschen auf Null gesetzt, könnten ohne den Ballast des Vergangenen neu beginnen. Rohrmoser hat diesen lyrisch-expressiven Text szenisch geschickt verdichtet, zeigt uns zum einen die Interaktion zwischen Psychiater, dessen Alter Ego und den Patient/innen in einem angedeuteten Gruppentherapieraum (Ausstattung: Salha Fraidl) und überhöht deren inneren Seelenkrämpfe dann in Videosequenzen mit überdramatisch ausgeleuchteten Schwarz-Weiß-Bildern (Film: Omar Borubaeav). Auch das Ensemble hätte er besser nicht wählen können. Florian Böhm, Immanuel Degn, Amarilla Ferenczy, Heinz Fitz, Nevena Lukic, Ivan Pantner, Michael Rudigier, Lucas Zolgar bringen den Wahnsinn ihrer Figuren prägnant auf den Punkt.

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