Straßenwerbung
Ombudsmann und kostenlose Hotline als Hilfe

Sollte ein Problem oder eine Frage zu einer spendenwerbenden Organisation entstehen, empfehlen wir, sich an diese kostenfreie Hotline 0800/100 382 zu wenden.  | Foto: Ludwig Schedl
  • Sollte ein Problem oder eine Frage zu einer spendenwerbenden Organisation entstehen, empfehlen wir, sich an diese kostenfreie Hotline 0800/100 382 zu wenden.
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INNSBRUCK. Die Stadtblatt-Serie über das aggressive Anwerben auf Innsbrucks Straßen sorgt für Aufsehen. Im Stadtblatt-Interview nimmt der Geschäftsführer des Fundraising Verband Austria zu den wichtigsten Fragen Stellung. Hilfe gibt es bei der kostenfreie Ombudsstelle der  „Qualitätsinitiative Fördererwerbung“ unter Tel. 0800/100 382.

Stadtblatt: Sehr geehrter Herr Lutschinger, welche Bedeutung hat Fundraising in Österreich für die NGOs und das Vereinswesen in Österreich?

Günther Lutschinger: Fundraising steht für sämtliche Aktivitäten zur Finanzierung gemeinnütziger Zwecke. Für alle gemeinnützigen Organisationen und Vereine in unserem Land ist Fundraising somit fundamental, um ihre gesellschaftlichen Aufgaben erfüllen zu können. Zwar erhalten NPOs zum Teil staatliche Zuschüsse, doch im Wesentlichen müssen sie ihre Leistungen über Spenden finanzieren. Rettungsdienste, Hilfs- und Pflegeeinrichtungen ebenso wie Umwelt- und Tierschutzorganisationen greifen somit auf vielfältige Formen der Spendenwerbung zurück. Ohne diese Spenden wären es beispielsweise dem Österreichischen Roten Kreuz, der Caritas, SOS-Kinderdorf oder dem WWF nicht möglich ihren wichtigen Tätigkeiten, von denen wir alle profitieren, nachzukommen. Vergessen werden darf dabei auch nicht, dass der Dritte Sektor in Österreich ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist: Neben 2,3 Mio. Menschen, die sich in weit über 100.000 NPOs freiwillig engagieren, zählt der Sektor rund 250.000 erwerbstätig Beschäftigte – fast so viele wie in der Beherbergung und Gastronomie arbeiten.

In welchen Bereichen wird auf Fundraising zurückgegriffen?
Da Fundraising grundlegend für jegliche wohltätige Aktivitäten ist, wird darauf nicht zurückgegriffen im Sinne einer bestimmten Praktik. Jeder Verein, der um Spenden bittet oder Mitgliedsbeiträge einsammelt, um seine gemeinnützigen Zwecke erfüllen zu können, betreibt Fundraising.

Ein Teil der Arbeit wird auch über das "Face 2 Face - Fundraising" mit Dialogern auf den Straßen abgewickelt. Wie sind hier die Erfahrungen des Verbandes?
Jährlich werden in Österreich über die Förderwerbung auf öffentlichen Plätzen und an der Haustüre mehr als 100.000 Unterstützer und Mitglieder für gemeinnützige Projekte gewonnen. Das sind knapp zehn Prozent der Menschen, mit denen ein Gespräch geführt wird. Viele von ihnen werden in Folge langfristige Spender und bleiben den Organisationen mehrere Jahre treu. Für jeden investierten Euro fließen 4-6 Euro in den gemeinnützigen Zweck zurück. Damit ist die Fördererwerbung eines der wichtigsten Standbeine gemeinnütziger Organisationen. Zusätzlich ist die Fördererwerbung auch ein Jobmotor. Vor allem in den Sommermonaten erhalten österreichweit hunderte engagierte Personen einen Job – gerade heuer waren diese von Studenten sehr gefragt. Unter den 60% der Österreicherinnen und Österreicher, die spenden, ist diese Spendenform auch sehr beliebt. Dies belegen Umfragen zur Zufriedenheit der Fördermitglieder sowie die geringe Beschwerdequote. Viele Menschen schätzen auch die Möglichkeit, in diesem Rahmen mit NPOs und deren Vertreterinnen und Vertretern persönlich ins Gespräch zu kommen, direkte Informationen über gemeinnützige Projekte zu erhalten und unmittelbar Fragen stellen zu können.

Eine Regel wäre, "Dass man sich nicht frontal Passanten in den Weg stellt, sondern die Passanten höflich von der Seite anspricht. Oder dass man die Passanten auch nicht über eine längere Strecke begleitet." Dem ist leider nicht immer der Fall. Was kann ein Passant machen, der sich durch das aggressive Anwerben gestört fühlt?
Sollten sich Passanten unprofessionell bedrängt fühlen, empfehlen wir die kostenfreie Ombudsstelle unserer „Qualitätsinitiative Fördererwerbung“ unter 0800/100 382 zu kontaktieren. Mit der vom Fundraising Verband Austria gegründeten Qualitätsinitiative Fördererwerbung stellen wir die Spendenwerbung in der Öffentlichkeit seit 2010 in einer qualitätsvollen, nachhaltigen und professionellen Weise sicher. Die Mitgliederorganisationen verpflichten sich zu einem umfangreichen Regelwerk, zur laufenden Weiterentwicklung, Kontrolle und Evaluation. Durch hohe Qualitätsstandards grenzen sich unsere Mitglieder von jeglicher unprofessioneller Straßenwerbung ab. Zu den Mitgliedern der Qualitätsinitiative zählen Amnesty International, Ärzte ohne Grenzen, CARE Österreich, GLOBAL2000, Greenpeace, Kinderhilfswerk, Pro Juventute, ROTE NASEN Clowndoctors, Österreichisches Rotes Kreuz, SOS-Kinderdorf, Vier Pfoten, World Vision Österreich, WWF und die seriösen Agenturen jener renommierten Organisationen.

Gibt es außer den Regeln auch Möglichkeiten für den Verband, aktiv bei Fehlverhalten der Dialoger einzugreifen?
Wir können als Verband natürlich nicht für alle Vereine sprechen, die in Österreich Spendenwerbung in der Öffentlichkeit betreiben, sondern nur für unsere Mitglieder, die sich zu den hohen Qualitätsstandards und Kontrollmechanismen verpflichten. Fehlverhalten kommt natürlich mitunter vor, jedoch als absolute Ausnahme und nicht als Regel. Zu unseren Kontrollmaßnahmen im Rahmen der Qualitätsinitiative Fördererwerbung zählt unter anderem „Mystery Shopping“. Geschulte Testpersonen geben sich hierbei anonym in Gesprächssituationen und überprüfen die Einhaltung der Standards. Fehlverhalten kann bis zur Kündigung der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters führen. Alle Informationen zur Qualitätsinitiative Fördererwerbung und zu deren Mitgliederorganisationen finden Interessierte außerdem unter: www.qualitaetsinitiative.at

Für die Dialoger ist das Anwerben auf der Straßen natürlich ein Beruf, ist dieser ausreichend bezahlt um Misstöne durch aggressives Anwerben zu verhindern?
Die Tatsache, dass besonders viele junge Menschen über Jahre hinweg während der Sommerferien wiederholt als Fundraiserinnen und Fundraiser arbeiten, spricht dafür, dass sie mit der Bezahlung zufrieden sein dürften. Auf der anderen Seite müssen die gemeinnützigen Vereine natürlich immer auf eine größtmögliche Effizienz achten und ihre Ausgaben für Administration, Infrastruktur und eben auch professionelle Spendenwerbung möglichst gering halten, damit ein Maximum der erzielen Spenden für die Spendenzwecke aufgewendet werden kann.

GR Lucas Krackl will im Innsbrucker Gemeinderat einen Prüfantrag zum Straßen-Fundraising ein, wie stehen Sie dazu?
Da ich den Antrag und dessen genaue Inhalte nicht kenne, kann ich dazu keine Stellungnahme abgeben. Wie die rechtlichen Rahmenbedingungen für Fördererwerbung im öffentlichen Raum bundesweit geregelt sind, habe ich im Interview dargestellt.

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