Heftige Kritik
Schwere Vorwürfe gegen Wohnheim Saggen

Zu den vielen Vorwürfen gegenüber der Stationsleitung gehört vor allem Mobbing.
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  • hochgeladen von Nilüfer Dag

(Ex-)Mitarbeiter der Innsbrucker Sozialen Dienste (ISD) berichten von horrenden Zuständen im Saggen.

In den Erzählungen von (Ex-)Mitarbeitern wird die Stationsleitung besonders negativ hervorgehoben. Zu den Vorwürfen gehört Verzögerung medizinischer Abklärung von Gebrechen der Heimbewohner trotz mehrerer Hinweise der Pflegeassistenten.
Für Geschäftsführer der ISD Hubert Innerebner ist dieser Vorwurf aus der Luft gegriffen: „In solchen Fällen wird streng nach Protokoll gehandelt, damit die bestmögliche Pflege sichergestellt ist. Es haben auch nicht Pflegeassistenten zu entscheiden, ob Heimbewohner in die Klinik gefahren werden, dafür haben wir diplomierte Fachkräfte.“ Zudem sei eine solche Entscheidung in einem Wohnheim mehrmals am Tag zu treffen, da die Bewohner aufgrund ihres Alters gebrechlicher seien. Dazu sagt Betriebsrat der ISD, Robert Senn: „Ob ein Heimbewohner in die Klinik muss, liegt im Ermessen der Stationsleitung."


Probleme mit Führungskraft

Aber auch bei der Mitarbeiterführung weisen (Ex-)Mitarbeiter auf Mängel hin. Julia* berichtet: „Anfänglich kam ich gut mit der Stationsleitung aus. Ich merkte erst nach und nach, dass sie darauf aus ist, persönliche Informationen zu sammeln, um sie gegen mich zu verwenden. Mobbing ist da noch nett ausgedrückt. Sie wurde mir gegenüber sehr ausfällig, vor allem, wenn ich eine Frage stellte. Doch in der Gegenwart ihrer Vorgesetzten war sie eine Mutter Theresa.“ Innerebner sagt dazu: „Zwei Gesichter zu haben ist nichts Besonderes. Jeder Mensch spricht mit unterschiedlichen Personen auf unterschiedliche Weise.“
Konträr zu allen Ausführungen der (Ex-)Mitarbeiter beschreibt Pflegedienstleiter Stefan Moser die Stationsleitung als eine sehr wohlmeinende Person, zu der diese Ausführungen nicht passen. Das Einzige, was man der Stationsleitung vorwerfen könne, sei „teilweise“ unstrukturiertes Arbeiten und ein emotionales Gemüt.
Betriebsrat Senn führt die Probleme auf die Überforderung der Stationsleitung zurück: „Mit rund 40 Heimbewohnern ist die Station riesig. Man muss ein Wunderkind sein, um diesen Job gut zu machen.“ Was aber das Wohnheim Saggen anbelangt, weist Moser den Fachkräftemangel zurück. Das Wohnheim sei personaltechnisch gut aufgestellt, insbesondere im bundesweiten Vergleich.
Die (Ex-)Mitarbeiter zeichnen ein komplett anderes Bild. „Ich war keinen Tag krank geschrieben. Nicht, weil es mir nie schlecht ging, sondern weil Mitarbeiter, die krankheitsbedingt ausfallen, schwierig nachzubesetzen sind. Wir durften keine Überstunden machen, somit musste die Arbeit, die tageweise anfällt, auch fertig werden – vollbesetzt oder nicht. Nach zwei Jahren wusste ich, dass ich entweder hier weggehe oder mich kaputt mache“, erzählt Bernhard* aus seiner persönlichen Erfahrung und greift damit Punkte auf, die in allen mit der Redaktion geführten Gesprächen mit (Ex-)Mitarbeitern thematisiert wurden.

Notizbuch mit Namen

Die Fehler, die den einzelnen Mitarbeitern passierten – wegen Überbelastung, laut (Ex-)Mitarbeitern – wurden von der Stationsleitung in minutiösem Detail in einem Notizbuch* notiert. Dieses wurde von einer Mitarbeiterin in einem öffentlich zugänglichen Bereich gefunden. Der damalige Betriebsrat Ambros Knapp wurde darüber in Kenntnis gesetzt und forderte die Stationsleitung auf, dies zu unterlassen. Auch wurden E-Mails* mit ähnlichem Inhalt von einem öffentlich zugänglichen Computer aus an Moser versendet, die Namen von Mitarbeitern oder Patienten als Betreffzeile enthielten. Dazu sagen Innerebner und Moser: „Die Stationsleitung ist eine Führungskraft und steht in der Pflicht, sich Verhaltensweisen und auch Fehler ihrer MitarbeiterInnen zu notieren. Ihr einziges Vergehen bei der Sache ist, dass sie Datenschutzrichtlinien verletzt hat.“

Keine leichte Arbeit

Andrea* war langjährige Angestellte der ISD und stellt klar: „Ich bin nicht in die Pflege gegangen, weil ich dachte, dass die Arbeit dort leicht ist. Ich will mit Menschen arbeiten – nur nicht in diesem Wohnheim. Die Arbeitsbedingungen waren für mich irgendwann einfach untragbar.“ Sie sei mit ihren Bedenken mehrmals zu Moser gegangen, doch habe sich nicht ernstgenommen gefühlt. Moser kann das nicht nachvollziehen: „Ich habe zu meinen Mitarbeitergesprächen sehr positives Feedback bekommen. Wir wollen konstruktive Gespräche führen und uns jeden Standpunkt anhören, um dann gemeinsam eine Lösung zu finden“, betont er.

Nachtdienste im Wohnheim

„Ich bin nicht sonderlich schreckhaft“, erzählt Andrea* „aber die Nachtdienste im Wohnheim Saggen haben mich immer etwas nervös gemacht.“ Zwar wird das Wohnheim nachts zugesperrt, gleichzeitig operiert man aber nach dem Prinzip des offenen Hauses. Die Bewohner werden nicht eingesperrt und durch Fluchttüren gelangt man immer nach draußen. Wenn diese offen bleiben, können auch betriebsfremde Personen ins Gebäude gelangen. „Das ist nicht nur einmal passiert. Ich habe in den Nachtdiensten häufig Menschen im Haus gehört. Ich bin nachschauen gegangen, weil es ja auch Heimbewohner sein könnten, die durch die Gänge irren. Gefunden habe ich herumliegende, leere Bierdosen." Geschäftsführer Innerebner: "Das ist eine permanente Schwachstelle, aber das ist ein offenes Haus, wir können niemanden einsperren, auch nicht in der Nacht. Und eine Security anzustellen, kommt leider finanziell überhaupt nicht in Frage."

ISD: "Von Einzelnen aufgeblasen"

Hubert Innerebner, Geschäftsführer der ISD, sieht hinter den Vorwürfen "eine gezielte Aktion": „Bei den Personen, die zur Presse gegangen sind, handelt es sich um eine mobilisierte Gruppe. Da wurden von einzelnen Personen gewisse Vorkommnisse emotionalisiert und Situationen aufgeblasen, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen.“ Die Stationsleitung wird auch von Innerebner als sehr fürsorgliche Person charakterisiert, die manchmal etwas unstrukturiert arbeite, aber sicher keine böswilligen Absichten verfolge. Die von mehreren (Ex-)Mitarbeitern angesprochene Überbelastung liege bis zu einem gewissen Grad in der Natur der Sache: „Der Pflegeberuf ist kein einfacher Job. Viele der Heimbewohner sind zum Zeitpunkt ihres Einzugs ins Heim bereits dement. Das kann – besonders für Mitarbeiter mit zusätzlichen privaten Belastungen – eine Herausforderung darstellen, der sie nicht gewachsen sind.“

*Namen von der Redaktion geändert, Fotos liegen vor.

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