Frei im Theater: Die Liebe zu den drei Orangen
Das Große Haus im Sturm erobert

Bunt, fantasievoll und erfrischend verrückt: Neo-Intendantin Irene Girkinger und ihr Team setzen zum Musiktheater-Einstand im Großen Haus auf "Die Liebe zu den drei Orangen" und ein immersives Theatererlebnis, das alle Stücke spielt.  | Foto: Birgit Gufler
  • Bunt, fantasievoll und erfrischend verrückt: Neo-Intendantin Irene Girkinger und ihr Team setzen zum Musiktheater-Einstand im Großen Haus auf "Die Liebe zu den drei Orangen" und ein immersives Theatererlebnis, das alle Stücke spielt.
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Mit Sergej Prokofjews Oper „Die Liebe zu den drei Orangen“ ist Neo-Intendantin Irene Girkinger und ihrem Team auch im Musiktheater ein herzerfrischender Einstand gelungen.

Was für ein kluger und gewitzter Coup. Im Wissen um die mitunter wohl auch etwas verstiegenen Erwartungen, mit denen sich Girkinger und ihr Team gerade in der Königinnendisziplin Oper konfrontiert sahen, haben sie den Spieß einfach kurzerhand umgedreht. Denn in Prokofjews Oper „Die Liebe zu den drei Orangen“, die ihre Uraufführung 1921 in Chicago erlebte, wird genau die Frage „Was spielen wir denn nun?“ im Prolog verhandelt: Da streiten die Vertreter:innen der einzelnen Genres, ob es eine Tragödie, eine Komödie, eine Liebesgeschichte oder seichte Unterhaltung werden soll. Letztere werden im Libretto von Wsewolod E. Meyerhold und Wladimir N. Solowjow übrigens ohne Umschweife als die Gruppe der Hohlköpfe bezeichnet. Wenig verwunderlich kommen die Streitenden auf keinen grünen Zweig, sodass schließlich die Gruppe der Sonderlinge das Ruder an sich reißt und „Die Liebe zu den drei Orangen“ auf den Spielplan setzt.

Von der Straße in den Zuschauerraum
Die Sonderlinge respektive Conférencieres, die in weiterer Folge auch die Deus-ex-machina-Funktion übernehmen, also munter ins Geschehen eingreifen, damit sich ein Happy End noch ausgeht, sind also die wahren Theatermacher:innen. Und ihr Theaterverständnis ist eines, in dem alle Genres einzig durch die Kraft der Phantasie und mit dem nötigen Maß an Verrücktheit ineinander aufgehen. Nachdem in diesem Diskurs alle irgendwie mitspielen, jene, die das Ganze erst mal von außen beobachten ebenso wie alle anderen, die sich zur Premiere einfanden, war es tatsächlich nur folgerichtig, diesen Prolog sprichwörtlich von der Straße in den Zuschauerraum zu holen. 

Unmittelbare Publikumsnähe
So zogen sie also von draußen über Mittel- und Seitengang ein, mit Pauken und Trompeten, eine Vorhut von Laientänzer:innen und Studierenden des Konservatoriums, gefolgt von Chor und Extrachor des Tiroler Landestheaters sowie von den handelnden Personen. Da blieben sie erst mal und kehrten auch immer wieder. Und wer direkt neben dem Mittelgang saß, dem konnte es schon passieren, dass sich der arme König (Johannes Maria Wimmer) urplötzlich auf die Knie warf und sich lautstark bei einem ausweinte.  
Girkinger und ihr Team setzen also gleich zum Einstand auf unmittelbare Publikumsnähe. Ja, das muss man sich trauen. Nicht einfach eine Koloraturenolympiade in schöner Staffage auf die Rampe zu hieven, sondern ein märchenhaftes Ensemblewerk aus der Tradition der Commedia dell’arte auszuwählen, in der jede Figur ihren eigenen gesanglichen Star-Auftritt hat. Ein Werk, das auch musikalisch alle Stücke spielt, denn Prokofjews „Die Liebe zu den drei Orangen“ ist ungemein vielschichtig, aber trotz seiner Modernität feinsinnig und eingängig.

Regie-Einstand der Musiktheater-Direktorin
Musiktheater-Co-Direktorin Jasmina Hadžiahmetović gibt in dieser ersten Opernproduktion der Intendanz Girkinger auch gleich ihr Debüt als Regisseurin, was sie gemeinsam mit ihrem brillanten Leading Team (Bühne: Paul Zoller, Loriana Casagrande, Kostüme: Mechthild Feuerstein, Choreografie: Marcel Leemann, Lichtdesign: David Seebacher) souverän meistert. Ihre Inszenierung fasziniert nicht nur durch das logistisch beeindruckende Setting, sondern auch durch großartige Figurenführung. Der Australier Matthew Toogood dirigiert das TSOI akzentuiert und mit ungeheurer Lebendigkeit. Chor wie Sänger:innen-Ensemble begeistern schauspielerisch wie auch gesanglich. Die Geschichte selbst ist übrigens hinreißend aberwitzig: ein hypochondrisch-depressiver Prinz lacht über die Falsche, wird verhext, bekommt aber zuletzt zumindest eine Orange, die kurzzeitig zwar zur Ratte mutiert, aber natürlich in Wahrheit seine Herzensprinzessin ist. Mit einem Wort: rundum erfrischend!

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