Frei im Theater: La Bohème,
La Bohème, neu erzählt

Schon das Intro verheißt einen neuen Verismo: Mimì (Marie Smolka) harrt im sterilen Wartezimmer eines Arztes ihrer niederschmetternden Diagnose.  | Foto: Birgit Gufler
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  • Schon das Intro verheißt einen neuen Verismo: Mimì (Marie Smolka) harrt im sterilen Wartezimmer eines Arztes ihrer niederschmetternden Diagnose.
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Trigger-Warnung vorab:Wer mit den allseits bekannten überbordenden Zeffirelli-Bildern im Kopf in diese großartig aktualisierte und auf unser aller Schmerzpunkt fokussierte Inszenierung der „Bohème“ geht, wird sich – so wie es schon in der Premiere einigen erging – sprichwörtlich vor den Kopf gestoßen fühlen. Was schade ist, weil man sich dadurch die Chance nimmt, sich die Geschichte nun von einer jüngeren Generation neu erzählen zulassen, die zudem mit einer ungeheuren Ernsthaftigkeit an diese Aufgabe heranging. Denn Regisseurin Anna Bernreitner und ihr kongeniales Ausstatterteam Hannah Rosa Oellinger und Manfred Rainer nähern sich dem Verismo dieses Opernstoffes, der ja auch Puccini inspirierte, mit einer geradezu kompromisslosen Wahrhaftigkeit. Und sie gehen mit ihrer Erzählung letztlich zum Ursprungstext „Szenen aus dem Leben der Bohéme“ von Henri Murger zurück. Wo die Frauenfigur von Anfang an um ihre todbringende Krankheit weiß.

Der Tod als größte narzisstische Kränkung
Ungeheuer mutig auch ihr Ansatz, „die Sänger:innen nicht als ‚arm‘ zu verkleiden“, weil Künstler:innen heutzutage meist einen entsprechenden Background haben, selbst wenn sie mitunter prekär leben. Das zentrale Thema dieser Oper ist selbstredend die größte aller narzisstischen Kränkungen: der Tod – und damit einhergehend unser aller Unfähigkeit und Überforderung, damit umzugehen, ob nun im Freundeskreis oder eben auch in einer noch jungen Liebesbeziehung. Wunderbar versinnbildlicht übrigens durch die zwei Uhren, die in den Momenten des Glücks synchron laufen, während sonst Mimìs Lebensuhr geradezu dahinrast. Ihr Sterben auf weitestgehend leerer Bühne erlaubt ebenfalls keine Ausflüchte mehr, wenngleich Rodolfo Mimìs Entschwinden erst realisieren wird, als sie ihr zuletzt omnipräsenter rosaberüschter Todeswächter schon von der Bühne geschliffen hat.

Allseits bejubelte musikalische Umsetzung
Diese „Bohème“ begeistert freilich nicht nur konzeptionell, sondern auch musikalisch. Der eingesprungene Dirigent Gerrit Prießnitz leitet souverän durch die Partitur, eindrucksvoll Chor und Extrachor, entzückend wie immer der Kinderchor. Unglaublich berührend in ihrer Selbstvergessenheit wie in ihrem Scheitern als Liebespaar: Attilio Glaser als Rodolfo und Marie Smolka als Mimì. Nicht minder überzeugend der Rest des formidablen jungen Ensembles. Daher unbedingte Empfehlung, allerdings davor die alten Bilder über Bord hauen!

Schon das Intro verheißt einen neuen Verismo: Mimì (Marie Smolka) harrt im sterilen Wartezimmer eines Arztes ihrer niederschmetternden Diagnose.  | Foto: Birgit Gufler
Bitteres Ende: der Tambourmajor (Andrea De Majo) zerrt die Verstorbene (Marie Smolka) von der Bühne des Lebens, Rodolfo (Attilio Glaser),  Musetta (Annina Wachter), Colline (Oliver Sailer), Schaunard (Jacob Phillips) und Marcello (Nikita Voronchenkov) bleiben ungläubig und verstört zurück.  | Foto: Birgit Gufler
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