Blinde und sehbehinderte Menschen im Museum

Blinde u. sehbehinderte Menschen sowie sehende Personen erhalten bei der neuen Führung „Fein-gefühlt“ mit Kulturvermittlerin Angelika Schafferer Einblick ins Tiroler Volkskunstmuseum. | Foto: TLM
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  • Blinde u. sehbehinderte Menschen sowie sehende Personen erhalten bei der neuen Führung „Fein-gefühlt“ mit Kulturvermittlerin Angelika Schafferer Einblick ins Tiroler Volkskunstmuseum.
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Dass ein Museum nicht nur durch den Sehsinn erlebt werden kann, sondern auch für blinde und sehbehinderte Menschen genussvoll erfahrbar ist, stellen der Blinden- und Sehbehindertenverband Tirol (BSVT) und die Tiroler Landesmuseen mit einem neu erarbeiteten Programm unter Beweis.

Anlässlich des internationalen „Tag des weißen Stockes“ am 15. Oktober, der vor 50 Jahren zur Erinnerung an die zentrale Bedeutung des Blindenstockes und an die besonderen Bedürfnisse blinder und sehbehinderter Menschen ins Leben gerufen wurde, entwickelten die Tiroler Landesmuseen in Kooperation mit dem Blinden- und Sehbehindertenverband Tirol eine Führung. Das Format mit dem für sich sprechenden Titel „Fein-gefühlt“ gibt Einblick in ausgewählte Schätze des Tiroler Volkskunstmuseums. Das Besondere an der Führung ist, dass sie sich nicht nur an blinde und sehbehinderte Personen richtet, sondern auch zur Sensibilisierung für Sehende konzipiert ist. Mit Dunkel- oder Simulationsbrille und Blindenstock ausgerüstet, haben sehende MuseumsbesucherInnen die Möglichkeit, sich in die Welt blinder und sehbehinderter Menschen einzufühlen.

„Wir freuen uns sehr über den Anstoß durch den BSVT, gemeinsam ein neues Angebot für blinde und sehbehinderte Personen zu entwickeln und der breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Aufbauend auf unseren bislang gemachten Erfahrungen mit der Zielgruppe und dem Fachwissen des BSVT ist ein attraktives, viele Sinne ansprechendes Führungsformat entstanden. Wir möchten, dass das Museum für alle Menschen – mit Beeinträchtigung oder ohne – ein Erlebnis ist“, hält PD. Dr. Wolfgang Meighörner, Direktor der Tiroler Landesmuseen, fest.

„Wir wünschen uns, dass blinde und sehbehinderte Menschen gleichberechtigt mit Sehenden Kunst und Kultur erfahren können. So steht es auch in der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung, die 2008 von Österreich ratifiziert wurde. Das ist oft noch nicht der Fall. Aber die Tiroler Museen und gerade auch die Tiroler Landesmuseen sind zunehmend sensibilisiert und arbeiten aktiv daran, uns Betroffenen den Zugang zu Kunst und Kultur zu ermöglichen. Wir freuen uns deshalb sehr, dass durch die Kooperation mit den Tiroler Landesmuseen jetzt ein neues Format entwickelt wurde, das uns Betroffenen die Welt der Kunst und Kultur ein Stück näherbringt“, so Klaus Guggenberger, Obmann des BSVT.

Sensibilisierung des Hör-, Tast- und Geruchssinns

„Fein-gefühlt“ führt eine Kleingruppe von max. zehn Personen in die Fisser-Stube im 2. Obergeschoss des Volkskunstmuseums. Verschiedene Sinne der TeilnehmerInnen werden schon beim Betreten der Stube durch das Knarren des Bodens, den Geruch des Holzes und die besondere Akustik im Raum angeregt. Die Gruppe nimmt, unterstützt von Begleitpersonen, auf der umlaufenden Stubenbank Platz. Durch das Berühren des Tisches, der Stühle, der geschnitzten Wandkästchen, des gemauerten Ofens und der kühlen Butzenscheiben können die TeilnehmerInnen den Charakter der Stube ausmachen.

Ein Fundus an alltäglichen Gegenständen wie Schlüsselschild, Türband, Hornlöffel, Buttermodel und Kumpf steht auf dem Stubentisch bereit. Üblicherweise werden diese hinter Glas präsentiert, nun gehen sie von Hand zu Hand. Eine Kulturvermittlerin geht auf die Themen Wohnen, Essen, Religion und Arbeit sowie auf die ertasteten Materialien und Muster auf den Gegenständen ein. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf den Trachten und der Kleidung in Tirol. Anhand ausgewählter Objekte wie eines Ranzens und eines Trachtenhuts gibt die Vermittlerin kulturhistorische Informationen zum Leben in Tirol in früheren Zeiten. Ein Hörspiel versetzt die TeilnehmerInnen in den teilweise beschwerlichen Alltag vor 100 Jahren.

Neben dem Erlebnischarakter, der Wissensvermittlung und der Sensibilisierung für die Bedürfnisse blinder und sehbehinderter Menschen in unserer Gesellschaft eröffnet das Format „Fein-gefühlt“ einen Raum für den Austausch von sehenden und sehbehinderten Menschen. Museum wird so als Ort des Lernens und Verstehens gelebt.

Kostenlose Führung am Nationalfeiertag beim „Tag der offenen Tür“
Die Führung „Fein-gefühlt“ im Tiroler Volkskunstmuseum (Universitätsstr. 2, Innsbruck) dauert eine Stunde. Nächste Gelegenheit, daran kostenlos teilzunehmen, ist am Nationalfeiertag, 26. Oktober, am „Tag der offenen Tür“ der Tiroler Landesmuseen (13.30 und 16 Uhr).

Die nächste reguläre Führung findet am 30. November (11 Uhr) statt. Hierbei ist zusätzlich zum Eintritt ein Führungsbeitrag von € 2 zu entrichten. Für blinde und sehbehinderte Menschen mit Behindertenausweis ist der Eintritt ins Volkskunstmuseum frei. „Fein-gefühlt“ kann von Gruppen auch auf Anfrage gebucht werden (Führungspauschale € 70 zuzüglich Eintritt). Die Termine für 2015 werden zeitgerecht im Monatsprogramm und auf der Website der Tiroler Landesmuseen kommuniziert

Blinde u. sehbehinderte Menschen sowie sehende Personen erhalten bei der neuen Führung „Fein-gefühlt“ mit Kulturvermittlerin Angelika Schafferer Einblick ins Tiroler Volkskunstmuseum. | Foto: TLM
Wolfgang Meighörner (Direktor TLM), Klaus Guggenberger (Obmann BSVT), Sozial-LR Christine Baur, Michael Berger (Experte Barrierefreiheit BSVT), Angelika Schafferer (Besucher-Kommunikation TLM) und Herlinde Menardi (Leiterin Volkskunstmuseum) bei der Präsentation der neuen Führung „Fein-gefühlt“ im Tiroler Volkskunstmuseum | Foto: TLM
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