Der Mann, der wieder Theaterluft schnuppern will

Keine guten Aussichten auf TLT-Statistenrollen. Walter Patreider nennt es "Altersdiskriminierung".
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  • Keine guten Aussichten auf TLT-Statistenrollen. Walter Patreider nennt es "Altersdiskriminierung".
  • hochgeladen von Agnes Czingulszki (acz)

INNSBRUCK. "Altersdiskriminierung" nennt Walter Patreider, was mit ihm derzeit geschieht. Jahrelang war er als Komparse beim Tiroler Landestheater aktiv, spielte Diener, Priester oder Lakaien und konnte somit seinen Traum leben. Wie er selbst im STADTBLATT-Gespräch öfters betont: "Ich bin mit dem Theatervirus angesteckt worden." Und die "Krankheit" hat sich in den über sechzig Jahren immerfort verschlechtert. Wie er überhaupt im Theater gelandet ist, hängt aber mit einer realen Erkrankung zusammen. Mit 17 Jahren bekam er eine Hirnhautentzündung – zu der Zeit oft ein Todesurteil. Um wieder auf die Beine – und auch auf andere Gedanken – zu kommen, meldete er sich bei einer Laienbühne als Schauspieler und seither lassen ihn die alles bedeutenden Bretter nicht mehr los.

Letzter Anruf: 2014

Er war '57 im Jedermann zu sehen, spielte einen Arzt in Felix Mitterers Piefke-Saga und steht auch heute noch ab und zu auf der Bühne der Volksoper. Bis vor vier Jahren wurde der Innsbrucker auch noch zu Castings im Tiroler Landestheater eingeladen: ein Anruf vom Theater, ein Vorsprechen, eine Entscheidung des Regisseurs oder der Regisseurin. Der Ablauf ist immer der Gleiche. Nur, dass es für den adrett gekleideten Herrn in letzter Zeit nicht mal mehr für den Anruf gereicht hat. Mit beim STADTBLATT-Gespräch hat er seinen ganzen Stolz: die Fotos seiner Komparsenrollen. Mal hat er einen Bart, mal eine Glatze. "Ich passe mich an meinen Charakter genau an." Er nimmt seinen Job mehr als ernst. Damit er mobil genug ist und gleichzeitig eine Bleibe hat, ließ er sich sogar einen Wagen umbauen. Mit diesem fuhr er 2017 zum Beispiel zu den Drehorten von SOKO Kitzbühel. Nicht nur er, sondern auch der Wagen treten in Erscheinung. Aber das Theater ist sein Herzblut. "Die Probenzeit – wenn man in das Stück hineinwächst – ist das Schönste", schwärmt der gelernte technische Zeichner. Auf seine Kritik – er werde nicht mehr zu den Castings eingeladen – kam vom Landestheater nie eine Antwort.

Altersbedingt wenig Rollen

Auf STADTBLATT-Anfrage erklärt die Presseabteilung nüchtern: In letzter Zeit gäbe es keine großen Produktionen, in denen ältere Herren als Statisten gebraucht würden. Überhaupt würden altersbedingt einfach viel weniger Statistenrollen zur Verfügung stehen. In der Kartei ist Patreider vorhanden, die Entscheidung liegt aber in der Hand des Regisseurs oder der Regisseurin. Wie es die Presseabteilung verbildlicht: "Mit 78 Jahren kann man das Gretchen nicht mehr spielen." Ob bei Patreider demnächst das Telefon klingeln wird, bleibt daher fraglich.

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