Bundesrat
Ingo Appé: „Es ist mehr als ich erreichen wollte“

Ingo Appé hat in seiner Zeit als Bundesratspräsident mit "Trinkwasser schützen und sichern" auf das richtige Thema zur richtigen Zeit gesetzt | Foto: SPÖ Parlamentsclub
  • Ingo Appé hat in seiner Zeit als Bundesratspräsident mit "Trinkwasser schützen und sichern" auf das richtige Thema zur richtigen Zeit gesetzt
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Ein halbes Jahr lang war Ingo Appé Präsident des Bundesrates. Was ist in dieser Zeit gelungen? Der Ferlacher Bürgermeister im WOCHE-Interview.

WOCHE: Sie nannten als eines Ihrer Ziele, den Stellenwert des Bundesrates in der öffentlichen Wahrnehmung hervorzuheben. Ist das gelungen? Stichwort: Veto bei der Novelle des Ökostromgesetzes.
INGO APPÈ: Ich glaube schon, dass wir die Wahrnehmung des Bundesrates in dieser Zeit in der Öffentlichkeit ein bisschen forciert haben. Dass die Leute wissen, dass es ihn gibt und dass er nicht ganz „übrig“ ist.

Zur Ökostrom-Geschichte: Das wird jetzt von den anderen Parteien auch so gesehen – abgesehen vom Inhaltlichen -, dass es sicher kein Fehler war, hier einmal das absolute Veto einzulegen. Sodass die Leute auch sehen, dass der Bundesrat kein zahnloses Instrument ist, sondern auch schärfere Waffen hat. Dies wurde halt in der Vergangenheit noch nie aktiviert, aber nun im Zuge dieses Gesetzes zum ersten Mal in Anwendung gebracht.

Medial war es dann auch öfter Thema, dass es den Bundesrat gibt und dass noch abzuwarten ist, wie der Bundesrat entscheidet. Jetzt im Zeitraum der freien Kräfte ist es total interessant. Bei den parlamentarischen Entscheidungen haben wir jetzt gesehen, dass auch der Bundesrat verschiedene fraktionelle Zustimmungen gegeben hat zu gewissen Gesetzen. Es ist einiges weitergegangen. Auch im Bundesrat gab es andere Kräfteverhältnisse als in der Vergangenheit. Das hat auch darin seinen Niederschlag gefunden, dass z. B. in ORF III die letzten Bundesratssitzungen alle live übertragen wurden.

Die Leute sehen, dass der Bundesrat kein zahnloses Instrument ist. Ingo Appé

Wie sehen Sie die Zeiten der Übergangsregierung?
Man sieht, dass die Verfassung vor 100 Jahren geschrieben wurde, aber trotzdem ein gutes Werk ist. Es funktioniert. Und es funktioniert ja auch die Gesetzgebung dann weiter mit Nationalrat und Bundesrat. Ich glaube, dass die Regierung das sehr unaufgeregt macht und trotzdem Nägel mit Köpfen gemacht werden.

Ihr Kernthema war „Trinkwasser schützen und sichern“. Nun wurde das Absichern der Trinkwasservorräte sogar verfassungsrechtlich verankert. Als wie groß werten Sie diesen Erfolg?
Es ist eigentlich mehr als ich erreichen wollte. Meine Vision war, eine Abschlussresolution im Bundesrat zu verfassen, der Nationalrat möge sich damit beschäftigen und das irgendwann in naher Zukunft in der Verfassung zu verankern. Dass es nun so schnell ging, darüber bin ich erfreut und es haben mir alle attestiert, dass das in der Vergangenheit noch kein Bundesratspräsident geschafft hat, ein Thema so rüberzubringen wie es bei mir nun passiert ist. Natürlich haben verschiedene Faktoren mitgespielt, die das Ganze etwas beschleunigt haben. In der Politik gehört manchmal Glück auch dazu (Anm.: Im Ibiza-Video spekulierte Heinz-Christian Strache über eine Privatisierung der Trinkwasservorräte.). Man muss natürlich auch das richtige Thema zur richtigen Zeit haben. Es spielen viele Faktoren mit. Es hat mich gefreut, dass zum Schluss bei der verfassungsrechtlichen Abstimmung im Bundesrat diese einstimmig über die Bühne ging, im Nationalrat fast einstimmig. Das hätte ich mir vorher im kühnsten Traum nicht erwartet, dass ich das in einem halben Jahr schaffe.
Ein halbes Jahr für so ein Thema ist eine Herausforderung.

In der Politik gehört manchmal auch Glück dazu. Ingo Appé

Ist die Periode für einen Bundesratspräsidenten zu kurz?
Schon, ja. Ich hatte mehrere Konferenzen mit den Senaten und zweiten Kammern, es ist in anderen Ländern in den seltensten Fällen ein halbes Jahr. Meistens ein Jahr, etwa in Deutschland. Natürlich: Unter dem Aspekt, dass man daneben noch den Bürgermeister „macht“, ist ein Jahr nicht mehr machbar. Ein halbes Jahr geht mit Hängen und Würgen. Ich war ja zum Schluss viel im Ausland unterwegs, zwei Monate fast durchgehend. Auf der einen Seite toll: Ich konnte internationale Erfahrungen sammeln, Kontakte. Aber auf der anderen Seite stand die Gemeinde etwas hinten an. Schlussendlich braucht man einen Bürgermeister, man kann nicht alles bei den Vize-Bürgermeistern und Stadträten abladen.

Sie sehen allerdings in Sachen Trinkwasser noch weiteren Handlungsbedarf. Inwiefern konkret in Österreich?
Das Festschreiben in der Verfassung, dass keine Privatisierung passieren darf, war eigentlich mein Ausgangspunkt. Im Laufe der Zeit, als ich allein in Österreich unterwegs war, hat sich der Horizont irrsinnig erweitert. Ich habe gesehen, welche Probleme es allein in Österreich gibt. Zum Beispiel Ober- und Niederösterreich, nördliches Burgenland, wo die ganze Trinkwasserversorgung aus dem Grundwasser-Bereich kommt, wo es auch starke landwirtschaftliche Nutzung gibt. Die Nutzungskonflikte zwischen Landwirtschaft und Wasserversorgern, durch Düngung, Wasserknappheit kommt es laufend zu Problemen. Man hat in gewissen Regionen massive Trockenheit, wo die Wasserversorgung nicht mehr so funktioniert wie früher. In diesen Gebieten muss man schon schauen, dass die Wasserversorgung über die Gemeindegrenzen hinweg sichergestellt wird – mit Wasserschienen.

Es gibt auch bei uns Nutzungskonflikte zwischen Landwirtschaft und Wasserversorgern. Ingo Appé

In Tirol war es ganz markant, weil sich hier auf engem Raum eigentlich alle Probleme, die wir in Österreich haben, im Kleinen abspielen.
Beispiel: In Südtirol wird hinauf bewässert auf 2.000 Meter, in Österreich ist das noch nicht so Usus. Jetzt kommen natürlich die Bauern und möchten im oberen Inntal auch hinauf beregnen, weil auf der Sonnenseite wächst kein Gras mehr, sie müssen das Trinkwasser mit dem Hubschrauber hinaufbringen, damit die Kühe etwas zum Trinken haben, das Gras ist nicht mehr so intensiv für den Milchertrag… D. h. knapp nach der Quelle eines Flusses wird schon massiv entnommen. Jetzt kommt hinzu in Tirol, dass die ganzen Tourismusgebiete – Sommer und Winter – massive Wasserentnahmen aufweisen. Dann habe ich die Kläranlagen, die für 10.000 Leute auf einmal aufgrund der biologischen Klärung nicht mehr so klären können wie es früher war. Man hat massiv Mikroplastik im Wasser, Hormone, Tenside etc. Was hier an Belastung hineinkommt, kann der Bach nicht mehr wegschaufeln, weil es vorher schon viel mehr Entnahmen gibt. Die Durchflussmenge ist nicht mehr so groß. Was noch hinzukommt: die Speicherfüllung von Kraftwerken und Speicherseen für die künstliche Schneeherstellung. Nochmal weniger… Jetzt habe ich mehr Belastung, weniger Wasser und unten habe ich die E-Kraftwerke, die nicht mehr die Durchflussmengen wie vorher haben.

In Tirol kommt hinzu, dass sie Trinkwasser-Vorkommen entdeckt haben, die grenzüberschreitend sind. Auch die Nachbarstaaten brauchen davon Trinkwasser, zapfen diese an. Es gibt keine bilateralen Verträge zurzeit, wie man in einem solchen Fall vorgeht. Es wird aufgrund der aufgezählten Interessenslagen zu Konflikten kommen. Wer nutzt etwas, was grenzüberschreitend ist? Wie halte ich das sauber? Dies demonstriert im Kleinen, dass wir nicht auf der Insel der Seligen schwimmen.
Der Klimawandel mit den heißen Sommern kommt hinzu. Es läuft ein Prozess, bei dem wir nicht wissen, wohin das steuern wird.

In der Antarktis brennt es, da wird CO2 und Methan frei. Wir wissen alle nicht, was das für Auswirkungen auf das globale Wetter, die Jet-Ströme, den Golfstrom etc. hat. Abschmelzen der Pole und der Gletscher…

Und weltweit gesehen?
Ein Beispiel: Im zentralasiatischen Raum ist es nach der derzeitigen Prognose so, dass ca. 200 Millionen Leute in 30 Jahren kein Trinkwasser mehr haben. Es kann auch viel schneller gehen. Wenn wir nach Indien und China schauen, wie hier die Bevölkerung wächst. Die Kehrseite der Medaille: Die natürlichen Ressourcen werden dort komplett versaut. In Indien ist jeder Fluss reinste Kloake.
Ich war in Paris bei der Konferenz der Senate mit den afrikanischen Ländern. Da waren alle froh, dass ich das Thema zur Sprache gebracht habe und sie möchten, dass der Kongress nächstes Jahr unter dem Aspekt „Schutz des Trinkwassers in Afrika in Zusammenarbeit mit den europäischen Staaten“ läuft. Die Konzerne der Industriestaaten beuten unten die Länder aus, entnehmen Wasser, zahlen nichts dafür und versauen mit den Abwässern alles. Dadurch hat die Bevölkerung kein Trinkwasser mehr. Dort, wo es noch Trinkwasserreserven gibt, sind die internationalen Konzerne wie Nestle und Co. drauf und haben sich die Rechte gesichert. Für Europa wird das zukünftig das Thema: Wenn unten der Lebensraum nicht mehr passt, dann gehen die Leute davon. Und sie wollen dorthin, wo es funktioniert und das ist hier. Es wäre also gescheiter, unten zu Maßnahmen zu setzen …

Also ist das Thema Trinkwasserschutz für mich noch nicht aus. Ich hatte mit diesem Thema überall offene Türen und Gesprächspartner. Z. B. mit dem chinesischen Präsidenten Li war eine halbe Stunde Gespräch vorgesehen, nach über einer Stunde erst war das Gespräch aus und dann ging es noch zu einem eineinhalbstündigen Essen.

In China war in jeder Stadt, wo ich hin kam, Wasser und Klimakatastrophe das Thema. Ich hatte überall mein Thema präsent und konnte es breit diskutieren.

Sehen Sie für Kärnten noch Handlungsbedarf?
Kärnten ist gut unterwegs. LR Daniel Fellner bereitet hier wichtige Schritte vor, auch verfassungsmäßig. Es hat mir auch die Landeshauptleute-Konferenz in Taggenbrunn gefallen. Peter Kaiser nahm mein Thema auf die Agenda und es wurde einstimmig gesagt, dass man hier etwas machen wird auf Länderebene. Nicht nur, den Trinkwasserschutz in die Landesverfassung zu nehmen, sondern auch aufgrund der Enquete, die ich hatte, gibt es eine 80-seitige Broschüre mit To-Do-Liste für Bund, Land und Gemeinden, was in Zukunft zu beachten ist.
Ein Beispiel für die Gemeinden: Verlegt man neue Wasserleitungen, sollte man nicht sparen und diese nur in einem Meter Tiefe verlegen, unterhalb des Frostkoffers. Man legt auf 1,90. Unten ist das Erdreich kühler und dann ist die Wasserleitung kühl.

Ihr bleibendster Eindruck aus der Zeit der Präsidentschaft?
Das ist schwer zu sagen. Einiges, das ich erlebt habe, erlebt man nur einmal. Vielleicht die zwei internationalen Tagungen – mit den afrikanischen Staaten die Pariser Konferenz der Vereinigung der Senate Europas und dann die europäische Abschlusskonferenz der Ratspräsidentschaft Österreichs in Wien. Bei der zweiten waren 50 Parlamentspräsidenten aus ganz Europa da und ich durfte die Konferenz leiten. Das war eben etwas ganz Anderes.

Da waren Sie nervös…
Beim ersten Mal, als ich eine Bundesratssitzung geleitet habe. Aber dann war ich von meiner Ruhe selbst überrascht. Wenn man gut vorbereitet ist und man weiß, wovon man redet, ist man sicherer. Und man muss authentisch rüberkommen. In Paris habe ich die Gelegenheit genutzt, als über die Subsidiarität und das Zweikammern-System gesprochen wurde. Ich hatte das Glück, dass vor mir als Redner von Seiten der Elfenbeinküste die Probleme der afrikanischen Länder angesprochen wurden. Und ich habe appelliert, dass wir uns auch darum kümmern müssen. Ich habe den Schutz und die Sicherung des Trinkwassers angesprochen und gesagt, dass wir als Europäer nicht die Augen davor verschließen können, was in Afrika passiert. Da sind mir dann die anderen auf das Thema aufgesprungen. Dafür erhielt ich Lob und das hat mir schon gefallen.
Man sieht auch, wie im Ausland die Präsidenten des Bundesrates behandelt werden und welchen Stellenwert sie haben. Gegenüber Österreich gibt es da haushohe Unterschiede.

Wie geht es für Sie nun als Bundesrat weiter? Welche Themen wollen Sie forcieren?
Ich bin Bereichssprecher für Gesundheit, da ist das Wasser dabei. Ich bin Bereichssprecher für Finanzen, habe da den Vorsitz im Ausschuss. Auf diese Schwerpunkte konzentriere ich mich und schaue, dass ich meinen Beitrag dazu leiste, dass hier etwas weitergeht. Ich will auch über die Bundespartei das Thema forcieren, was wir in der Vergangenheit auch getan haben. Auch hier wird auf Wasser gesetzt. Das Thema betrifft jeden, es sensibilisiert jeden. Und jeder, der sich dagegen stellt, hat eigentlich keine guten Karten.

Hat die Arbeit in der Gemeinde gelitten?
Die Gemeinde steht, es passt alles. Jetzt geht es hier mit Vollgas weiter. Gewisse Entscheidungen sind nicht so schnell gefallen wie üblich. Wir haben jetzt viel vor, fangen mit dem Hauptplatz an, das Sportzentrum etc. Das sind alles keine Kleinigkeiten. Wir müssen auch schauen, dass wir die Finanzierung zusammenbringen und wie wir das getaktet in nächster Zeit über die Bühne bringen.

Ihr Wunsch für die Nationalratswahlen?
Ich hoffe, dass die SPÖ gut abschneidet. Und wenn dann eine andere Konstellation kommt und nicht Schwarz-Blau, wird es im Bundesrat interessant, wie dann die Gesetze beschlossen werden.

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