Alles darf – nichts muss
Weihnachten muss nicht perfekt sein

Weihnachten steht vor der Tür – für Menschen, die um eine nahestehende Person trauern, ist diese Zeit emotional sehr belastend.  | Foto: stockasso/panthermedia
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Weihnachten steht vor der Tür – für Menschen, die um eine nahestehende Person trauern, ist diese Zeit emotional sehr belastend. Zahlreiche Erinnerungen, Traditionen und Familienzusammenkünfte machen den schmerzlichen Verlust besonders spürbar. 

BEZIRK KIRCHDORF, OÖ. Nach dem Verlust eines nahestehenden Menschen ist vielen Menschen nicht nach Weihnachten zumute. Im Gegenteil: In dieser emotional aufgeladenen Zeit empfinden sie den Verlust und die damit verbundene Trauer besonders schmerzlich und fühlen sich aus der „Feiergesellschaft“ ausgeschlossen. Viele würden das Fest am liebsten „überspringen“, um sich dem Schmerz nicht aussetzen zu müssen.

Mit sieben Anregungen möchten Silvia Breitwieser, Leiterin der TelefonSeelsorge Oberösterreich – Notruf 142, und Andrea Holzer-Breid, diplomierte Ehe-, Familien- und Lebensberaterin von Beziehungleben.at, Trauernde in der Weihnachtszeit unterstützen.

  • Mit Familie/Freundinnen und Freunden vereinbaren, wer in diesem Jahr welche Vorbereitungen und Aufgaben übernimmt
  • Eine Tagesstruktur schaffen, die an den gewohnten weihnachtlichen Abläufen angelehnt ist, damit auch Gefühle der Trauer Platz finden können
  • Fürsorglich und achtsam mit sich selbst umgehen
  • Neue Wege finden, den verstorbenen Menschen in das Weihnachtsfest zu integrieren
  • Vertrautes und lieb gewonnene Rituale mit Familie/Freunden bewusst erleben
  • Rücksicht nehmen auf unterschiedliche Verfasstheiten einzelner Familienmitglieder/Freunde
  • Weihnachten dieses Jahr ganz anders verbringen

Im Vorfeld über das Feiern sprechen

Vertraute Rituale, Gerüche und Traditionen mit Familie und Freunden machen Verlust und Schmerz intensiv spürbar. Viele Bräuche, die das Fest besonders machen, sind nach dem Todesfall nicht mehr so wie früher: keine Weihnachtskekse mehr von Oma, kein Christbaumschmücken mehr mit dem Partner, kein Weihnachtsliedersingen mehr mit der ganzen Familie. „In dieser Situation ist es bedeutend, gut über diesen fehlenden Beitrag zu sprechen, den die verstorbene Person bisher geleistet hat. Es hilft, sich in der Familie auszumachen, wie damit umgegangen wird und welche Vorstellungen es an das Fest in diesem Jahr gibt. Idealerweise wird im Vorhinein entschieden, wer sich um was kümmert oder welche Dinge heuer einfach auch nicht bewältigbar sind“, empfiehlt Silvia Breitwieser.

"Gerade die Hoch-Feste unserer Kultur wie Weihnachten, das so emotional tief in unserer Persönlichkeit verankert ist, geraten zu unbarmherzigen `Wirklichkeitsmachern´ ", ergänzt Psychotherapeutin Andrea Weiß aus Edlbach. "Der Tod ist anders als alle Distanzen, die man bisher erlebt hatte, und and den Feiertagen bricht die vielleicht schon wieder errungene Normalität wieder ein Stück ein. Gestatten Sie sich den Gedanken: `Es ist ein Weihnachten, nicht das Weihnachten. Ich darf improvisieren, ausprobieren, nichts muss perfekt sein!´ Delegieren Sie gerne kräfteraubende Momente an Ihre Unterstützerinnen und Unterstützer, aber bestimmen Sie selbst für sich den Rahmen und wieviel an Nähe und Stille für Sie gut ist – auch guten Gewissens spontan!"

Selbstfürsorge pflegen

Die Lücke, die ein verstorbener Mensch hinterlässt, wird an den Feiertagen besonders stark spürbar. In diesem Zeitraum ist es umso wichtiger, sich liebevoll um sich selbst zu kümmern. „Dafür ist es ratsam, schon in den Tagen vor dem Fest zu überlegen, wie man die Zeit verbringen möchte“, meint Andrea Holzer-Breid. „Was kann ich tun, damit der Tag für mich ein ‚Heiliger Abend‘ wird? Mit wem möchte ich telefonieren? Wen möchte ich sehen? Was möchte ich mir selbst kochen? Welche Musik tut mir gut?“ Gerade in Zeiten der Trauer ist es wichtig, gut auf das Gefühl zu hören und sich selbst achtsam zu begegnen – daran sollte auch bzw. insbesondere zu Weihnachten gedacht werden. Eine weitere Empfehlung der Lebensberaterin: „Mit Weihrauch oder anderen Räucherharzen und Kräutern in der Wohnung von Raum zu Raum gehen und dabei ein stärkendes Gebet sprechen. In der weihnachtlichen Raunacht wird dem Räuchern eine besondere Bedeutung zugeschrieben. Die Wirkung der duftenden Kräuter und Harze sind eine Wohltat für Körper und Seele.“

"Fakt ist, dass man den Trauerprozess nicht beschleunigen kann. Es geht unter anderem darum, den Verlust zu akzeptieren und den Schmerz zuzulassen."
Sabrina Maria Herzog

"Fakt ist, dass man den Trauerprozess nicht beschleunigen kann. Es geht unter anderem darum den Verlust zu akzeptieren und den Schmerz zuzulassen“, ergänzt Sabrina Maria Herzog, Psychotherapeutin aus Micheldorf. "Haben wir einen uns nahestehenden Menschen oder auch ein geliebtes Tier verloren, können wir von einem ordentlichen Emotionscocktail überschwemmt werden." Das seien oft auch widersprüchliche Gefühle: Neben Traurigkeit, kommen häufig auch Wut, Verzweiflung, Ohnmacht, Einsamkeit und Schuldgefühle hinzu. Nicht selten komme es bei Trauerenden zu einer Vermeidungshaltung, was den Trauerschmerz betrifft. "Oft besteht die Angst, dass dieser tiefe Schmerz nie wieder aufhört oder die Person davon vollkommen überwältigt würde. Man spricht hier auch von ängstlicher und depressiver Trauervermeidungshaltung", erklärt Herzog und rät: "Es ist notwendig, sich vor Augen zu halten, dass die erfolgreiche Bewältigung eines tief empfundenen Abschieds einfach Zeit benötigt. Eine gelungene Verarbeitung eines Verlustes ist nicht nur für unsere Psyche, sondern auch für unseren Körper wesentlich, denn sie hat signifikante Auswirkungen auf unser ganzheitliches Wohlbefinden." 

Immer eine emotionale Angelegenheit

Zum Thema "Selbstfürsorge pflegen" informiert Andrea Weiß: "Wir trauern so, wie wir sind: laut, temperamentvoll, verhalten, innerlich … und oft eine Mischung von alledem. Weihnachten ist immer auch eine emotionale Angelegenheit. Sorgen Sie gut für sich, in dem Sie sich vielleicht eine Playlist, die Sie beruhigt, vorbereiten, oder ein Papier zum Kritzeln, mit dem Sie den Gedankenstrom ablenken können, oder Weihnachten heuer bewusst an einem Ort feiern, den Sie als Schutz und Quelle der Kraft erleben. Fragen Sie Menschen Ihres Unterstützerkreises, wen Sie zu jeder Zeit und jedem Anlass anrufen können, und speichern Sie diese Telefonnummer!"

Kreativität hilft, Gefühle auszudrücken

Für trauernde Kinder, so Weiß, kann es hilfreich sein, einen persönlich ausgesuchten Gegenstand dieses ersten Weihnachtsfestes in die Erinnerungs-Schatzkiste an den verstorbenen Menschen zu geben. Kreativität hilft, Gefühle auszudrücken.

"Vertraute Rituale strukturieren und orientieren an emotional herausfordernden Tagen und Themen. Entscheiden Sie , wie viel Sie davon gerade heuer als unterstützend empfinden – alles, was als Belastung erlebt wird, muss diesmal nicht stattfinden."
Andrea Weiß

"Vertraute Rituale", fährt Andrea Weiß fort, "strukturieren und orientieren an emotional herausfordernden Tagen und Themen. Entscheiden Sie , wie viel Sie davon gerade heuer als unterstützend empfinden – alles, was als Belastung erlebt wird, muss diesmal nicht stattfinden. Sie müssen sich niemandem verantworten. Tun Sie das, was Ihnen jetzt gut tut und achten Sie besonders gut auf Ihre Gesundheit. Gehen Sie spazieren, trinken Sie genug Wasser, Singen Sie, Lachen Sie, Ärgern Sie sich, seien Sie ganz Mensch … Gerade zu Weihnachten gilt doch: `Mach´s wie Gott: werde Mensch!´“ Und sie ermuntert: "Nichts muss – alles darf! Morgen ist ein neuer Tag."

Aktuelle Informationen zum Thema auch auf:
www.dioezese-linz.at/trauerhilfe

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