Filmfestival Kitzbühel - Interview
D. Kosslick: "Keine kleine Brötchen backen..."

Dieter Kosslick in Kitzbühel. | Foto: Schilling
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Im Rahmen des Filmfestival Kitzbühel haben die BezirksBlätter das Jurymitglied Dieter Kosslick, ehemaliger Direktor der Berlinale, zum Gespräch gebeten.

KITZBÜHEL. Kleine Brötchen backen ist nicht sein Ding, obwohl er seit seiner Kindheit dem warmen Duft frischgebackenen Brotes kaum widerstehen kann. Sein Leben beginnt mit einem Riesenverlust: Kaum auf die Welt gekommen, verliert Dieter Kosslick bei einem tragischen Unfall seinen Vater. Seine Mutter kämpft ums Überleben und gibt ihr Söhnchen täglich um 6 Uhr in die Obhut einer Bäckersfrau, um arbeiten gehen zu können.

Auf die Frage nach seinem Lieblingsbuch antwortet Kosslick:

„Meine Lieblingsbücher sind Kochbücher, besonders von meinen Freunden Eckart Witzigmann und Wolfram Siebeck. Ich habe mich in meinem Leben sehr mit der Kultur des Essens beschäftigt und mich engagiert, weil ich denke, dass gutes Essen ein Menschenrecht ist.“

Dennoch träumt er nicht von einem Kochherd. Forscher möchte er werden, im Urwald. Seine Forschungen beginnen in der Pubertät mit der Suche nach sich selbst. Seine kreative Ader pulsiert im Kunstunterricht mit dem Aquarell-Pinsel in der Hand und mit einer Gitarre - später in der eigenen Rockband „Sametes“. Ein „Dorf-Star“ ist geboren, doch der Dorfhimmel wird ihm zu eng, und die Sehnsucht nach einer größeren, weiten Welt wirkt Wunder: er schafft das Abitur, obwohl die Schule ihm keinen besonderen Spaß macht!
An der Münchener Uni wird Stern-Journalist Manfred Bissinger auf den fleißigen, talentierten Studenten aufmerksam, der zu seinem Mentor und Freund über Jahre hinweg wird.

Der Anruf

Eines Tages, vor 20 Jahren, bekommt Kosslick plötzlich einen Anruf. Zu diesem Zeitpunkt hat er bereits in anspruchsvollen Positionen in Journalismus, Politik und Filmfinanzierungen sein Talent und sein Können unter Beweis gestellt, u. a. als Vizepräsident der Europäischen Filmakademie EFA, Mitglied im ZDF-Fernsehrat oder Kuratoriumsvorsitzender der Filmschule Köln. Der Grund des Anrufs war das Angebot, Direktor des Filmfestivals „Berlinale“ zu werden. Kosslick liebt Herausforderungen, springt ins kalte Wasser. Schon beim ersten Festival unter seiner Regie beginnt eine neue Epoche der Berlinale. Die Direktor-Rolle ist ihm wie auf den Leib geschnitten. Dank Charme, Humor und seiner „Leichtigkeit“ verwandelt sich das Filmfestival in ein wirkliches Fest mit Spaß und Freude!

Pannen...

Auf die Frage: „Welche Pannen gab es in Ihrer Tätigkeit als Berlinale-Direktor“ schmunzelt Kosslick: „Meine erste Panne durfte ich bei meiner allerersten Berlinale am Eröffnungsabend erleben: Ich saß hinter Bundeskanzler Gerhard Schröder im Saal, mit 2.000 Gästen, und bei der Moderatorin, Schauspielerin Corinna Harfouch, hat das Mikrofon nicht funktioniert, bzw.: es hat funktioniert - nur hat es unglaublich laut gepfiffen! Ich sprang von der 19. Reihe auf und rannte nach vorne. Das Mikrofon hat bei mir funktioniert und ich habe unvorbereitet in meinem damals komischen Englisch den Abend weiter moderiert. Als Erstes sagte ich: 'No more pants anymore!' - und meinte damit, dass wir keine technischen Pannen mehr haben werden. Der Saal bekam einen Lachanfall, weil es in Wirklichkeit bedeutete 'Keine Hosen mehr an'. Und so verrückt und chaotisch verlief der ganze Abend, was die Leute total lustig fanden. Im Nachhinein muss ich gestehen, dass das ein Momentum war, das die Berlinale in eine moderne, zeitgemäß lässige Ära geführt hat. Später stellten wir fest, dass das Chanel-Kleid der Moderatorin aus Metall-Pailletten war und dieses furchtbare Geräusch produziert hatte.“

Diese Panne und auch viele andere schöne Geschichten aus dem Berlinale–Leben hat Kosslick in seinem Buch „Immer auf dem Teppich bleiben“ verfasst, das kurioserweise am ersten Tag des Corona-Lockdowns erschien und von vielen noch gar nicht entdeckt wurde.

„Ich bin gerne Gastgeber und versuche, meinen Gästen nur das Allerbeste zu gönnen. Ich weiß Bescheid über die Gewohnheiten und Leidenschaften der meisten Weltstars, die die Berlinale besucht haben, von den Rolling Stones, Christian Bale bis George Clooney. In meinem Buch erzähle ich über die 'Küche' mit 1.700 Angestellten, den 400 Filmen, die binnen zehn Tagen gezeigt werden und vieles mehr, was bei einem solchen Top-Event passiert. Es ist genauso interessant für Menschen, die die Berlinale besucht haben, als auch für jene, die nie Gelegenheit hatten, live dabei zu sein,“

so Buchautor Kosslick.

Seine erfolgreichen 19 Glitzer-Jahre auf dem roten Teppich der Berlinale sind nun passé.
Hat diese Zeit den Mann mit dem roten Schal verändert?

„Ich habe mir diese Frage 'mal selbst gestellt, und die Antwort lautet: Ja und Nein! Ja, weil ich in der Rolle eines Filmfestivaldirektors die halbe Welt bereist habe und unter den Stars bekannt und 'zu Hause' bin. Nein, weil es mir von Anfang an klar war, dass es nur eine Rolle ist, die ich spiele – und ich bin dem 'alten' Dieter einfach treu geblieben.“

Was nun, wenn man die „Perle“ seiner Karriere bereits hinter sich hat? Welche Mission treibt einen an, weiter aktiv und engagiert zu bleiben?
„Ich möchte natürlich weiterhin ein Teil der Filmszene sein und versuche darauf hinzuwirken, dass die Filmbranche sich ökologisch weiterentwickelt. Auch hier muss angefangen werden, CO2 zu sparen, klimaneutral zu drehen. Die Filmindustrie verursacht enorm viel Schmutz. Zum Beispiel eine 80-Millionen-Dollar-Produktion: Sie verursacht so viel CO2, dass man elfmal zum Mond fliegen könnte. Die Berlinale war ein CO2-zertifiziertes Filmfestival - als einziges auf der Welt. Es gibt das EMAS-Zertifikat, das vergeben wird, wenn man klimaschonend arbeitet. Es wird in Deutschland bald ein Gesetz rauskommen, dass man Filmförderungen nur bekommt, wenn man zu 80 - 90 % 'grün' dreht.“

Wie findet ein Profi, selbst Gastgeber eines großen Filmfestivals, das Filmfestival in Kitzbühel?

„Es ist sehr charmant und eine Gelegenheit - im Gegensatz zu ganz großen Festivals - dass man sich trifft, kennenlernt, Verbindungen entstehen. Dass man über Landesgrenzen hinaus kooperiert. Zum Beispiel der Film 'Corsage', der eine deutsch-österreichisch-französisch-ungarische Koproduktion ist. Kitzbühel ist ein Ort, wo man sich wohlfühlt, wo man sich in gemütlicher Atmosphäre begegnen kann - liebevoll und gut organisiert. Das Einzige, was ich mir hier wünschen würde, wäre, mehr Publikum im Kino zu sehen. Es sollte mehr Aktivitäten geben, damit die Leute genießen können, dass es hier so ein tolles Filmangebot gibt, samt Bergen, gutem Essen und rührender Gastfreundschaft.“

Danke für das Gespräch! (navi)

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