Im Bezirksblätter-Gespräch
Oscar-Glück und Covid-Pech!

Filmregisseur und Oscar-Preisträger Stefan Ruzowitzky in Kitzbühel. | Foto: Schilling
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Interview mit Oscar-Preisträger Stefan Ruzowitzky beim Filmfestival Kitzbühel 2020.
KITZBÜHEL (navi). „Nein Kinder“, sagte die Grundschullehrerin zu ihren Viertklässlern zu Schulbeginn: „Dieses Jahr machen wir ausnahmsweise keine Theatervorführung für die Abschlussfeier.“ Das war wie der Weltuntergang für den kleinen Stefan, dessen Hauptmotivation für seinen Schulbesuch genau diese traditionelle, von den Abgängern der Primärstufe jedes Jahr veranstaltete. Bühneninszenierung war.
Doch selbst wenn die Welt untergeht, geht der Filmregisseur und Zehnjähriger, indem er die „abgesagte“ Theatervorführung wortwörtlich auf eigene Regie auf die Beine stellt, darin mitspielt und: das alles mit großem Erfolg!

„Da habe ich beschlossen, Regisseur werden ist eine Super-Sache, und ich ging nach der Matura zum Fernsehen. Das waren meine prägendsten Lehrjahre als TV-Beitragsgestalter. Von Anfang an konnte ich in einem professionellen Umfeld arbeiten, wo man seine Ideen und fertigen Filme an die Redakteure 'verkaufen' muss. Ich lernte, effizient und produktiv mit den Kamerateams zu arbeiteten, um das eingeplante Budget nicht 'platzen' zu lassen. Parallel studierte ich Medienwissenschaft und Geschichte“, so der Filmemacher Ruzowitzky.

BEZIKKSBLÄTTER: Beim Filmfestival Kitzbühel 2020 wurde Ihr jüngstes Werk, die Verfilmung der gleichnamigen Erzählung von Hermann Hesse „Narziss und Goldmund“ als Eröffnungsfilm vorgeführt. Sind Sie ein Fan von Hermann Hesse?
RUZOWITZKY:
„Dieser historische Roman war mein Lieblingsbuch, als ich Teenager war. Die erste Liebe, Freundschaften, Kunst, Sex - das waren die Themen, die mich zu dieser Zeit bewegt haben. Ich freute mich über das Angebot und nahm die Herausforderung gerne an.“

Wie schreibt man ein Drehbuch?
"Wenn man ein Buch verfilmt, muss man immer schmerzhafte Schnitte machen, kürzen, vereinfachen, verdeutlichen. Wenn das Konzept klar ist, geht es mit dem Schreiben flott voran. Nun, „Writing is rewriting“, sagen die Drehbuchautoren. Die Produzenten, Studios, Verleiher und Förderer wollen immer dabei mitwirken, etwas verändern. Somit ist das Drehbuchschreiben ein mehrfaches Umschreiben mit dem Ziel, die Idee und den Charakter des Buchs zu bewahren.“

Nach der Filmvorführung in Kitzbühel haben Sie zahlreiche Fragen der Filmfestivalbesucher beantwortet. Ist Ihnen ein direkter Kontakt zum Publikum wichtig?
„Auf ein Feedback der Zuschauer lege ich großen Wert, weil ich einfach neugierig bin, ob meine Ideen in den Filmpassagen richtig verstanden worden. Wenn ich zum Beispiel eine witzige Szene eingebaut habe und im Kinosaal keiner lacht, dann ist etwas schief gelaufen. Wenn die Leute weinen, da wo es quasi nicht eingeplant war, dann habe ich etwas unbewusst geschafft, worüber ich selbst nachdenken muss. Über die positive Reflexion des Festival-Publikums auf 'Narziss und Goldmund' bin ich sehr glücklich und stolz, vor allem auch für meine perfekten Hauptdarsteller – Besetzung: Jannis Niewöhner (Goldmund) und Sabin Tambrea (Narziss) – beide sind für ihre Rollen quasi bestimmt. Jannis kommt aus Krefeld (DE), war nicht 'mal in einer Schauspielschule, ist aber jetzt der erfolgreichste Jungstar seiner Generation. Sabin kam als Kind aus Rumänien nach Deutschland und macht nach einer klassischen Schauspiel-Ausbildung und einer Theater-Karriere jetzt auch beim Film Furore."

Am 12. März 2020 war Kinostart – und dann plötzlich die „Corona-Pause“. Wie haben Sie es erlebt?
„Es war der 'Super-Gau', als es am Startwochenende zum Lockdown kam. Am Freitag ist der Film in Österreich in die Kinos gekommen und am Samstag war alles zugesperrt. In Deutschland war Donnerstag Kinostart und am Sonntag haben die Kinos geschlossen.“

War es ein Schock für Sie?
„Natürlich war es bitter. Man hat es vorher schon kommen sehen. Nun: Was geschehen ist, ist geschehen. Ich denke jetzt an keine wirtschaftlichen Einbußen. Ich möchte die eigenen Sorgen nicht in den Vordergrund stellen, wenn andere Menschen ihre Existenz, Freunde oder Familienangehörige verloren haben – und bei mir ein Film, wo man sich Hoffnungen gemacht hätte, dass er das breite Publikum findet. Es hat vorerst nicht geklappt.“

Für Ihren Film „Die Fälscher“ haben Sie einen Oscar bekommen. Was hat Sie dazu bewegt, diese Geschichte auf die Leinwand zu bringen?
„Ich hatte eigentlich nie vorgehabt, einen Film über Konzentrationslager zu machen. Überraschenderweise hat man mich fast gleichzeitig von zwei Produktionsfirmen darauf angesprochen – eine österreichische und einer deutsche. Da dachte ich: 'Das muss Schicksal sein!', und habe beide miteinander bekanntgemacht, und die haben dann eine Koproduktion gemacht. Das KZ aus dieser Perspektive zu zeigen war etwas Neues, Ungewöhnliches. Es hat für mich einen künstlerischen Reiz gehabt, und ich habe versucht, das Beste daraus zu machen."

Das ist Ihnen tatsächlich gelungen – Gratulation! Wie fanden Sie die Zusammenarbeit mit den Hauptdarstellern?
„Es war eine sehr nette, lustige Hauptdarsteller-Bande. August Diehl: Wenn bei ihm eine tragische Szene bevorsteht, sitzt er dann den ganzen Tag so versonnen und in sich gekehrt. Das hält ihn laut seiner Aussage in der bedrückten Stimmung. Karl Markovics und Devid Striesow: Die albern herum und dann sagt man: 'Jetzt bitte, wir drehen!' – und plötzlich 'sind sie' irgendwie im Konzentrationslager. Die stören einander aber nicht bei der Arbeit. Ich hatte anfangs gedacht, August wird Devid eine 'runterhauen und sagen: 'Hör mit deinem Blödsinn auf!' Aber das ist nicht so, da macht jeder sein Ding. Mir als Regisseur ist es egal, wie ein Schauspieler arbeitet: manche brauchen sehr viel Intellektuell-Analytisches, andere brauchen das Gefühl, dass sie geliebt werden, manche machen Method-Acting — und ich versuche, jedem das zu geben, was er braucht.“

Sie waren bei der Oscar-Verleihung persönlich dabei. Wie fühlt sich der Oscar an?
"Der Oscar fühlt sich wirklich gut an! Wir waren ein bisschen die Favoriten. Man weiß natürlich nichts bis zum Schluss, sonst würde die Verleihung ja keinen Sinn haben. Ich habe mir aber fest vorgenommen zu gewinnen. Anderseits, was ich von Kollegen kenne: man sitzt dann da, und wenn der Moderator sagt: 'The Oscar goes to...' denkt man sich im letzten Moment 'Oh, es wird jetzt peinlich, wenn ich nach oben auf die Bühne gehen muss, lieber nicht!' Und die, die so denken, die kriegen den Oscar auch nicht! Deswegen habe ich mich entschieden, mir selbst zu sagen 'Ich werde ihn gewinnen – und ich will ihn auch gewinnen!'"

Sie haben ein bewegtes Berufsleben mit Höhen und Tiefen! Was treibt Sie?
„Ich mache gerne unterschiedliche Sachen. Manchmal greift man auch daneben. Ich finde es sehr spannend, wenn man etwas Neues ausprobiert. Es klappt nicht immer, aber immer öfter. Ich habe schon einen Kinderfilm gemacht, Heimatfilm, Horror, Action und sogar eine Oper.“

Woran arbeiten Sie zurzeit?
„Jetzt schreibe ich gerade eine Komödie. Vor dem Genre habe ich am meisten Respekt, weil das Filmurteil immer sofort kommt: Wenn keiner lacht, dann ist es ein Flop. Es wird da viel schwarzen Humor geben, aber mehr kann ich momentan nicht verraten.“

Was waren die schönsten Momente beim Filmfestival hier in Tirol?
„Es war wirklich schön, sich wieder so zahlreich mit Gleichgesinnten zu treffen, sowohl mit den Filmkollegen als auch mit dem Publikum. Das Filmrepertoire war gelungen ausgewählt. Das Wetter, die Stimmung und die ganze Organisation waren fantastisch.“

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