Job, Familie, Pflege - wie Frauen arbeiten

Anna Grafoner, Bezirksfrauenvorsitzende der SPÖ Kitzbühel und im Regionalvorstand der ÖGB-Frauen Unterland. | Foto: SPÖ Tirol
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  • Anna Grafoner, Bezirksfrauenvorsitzende der SPÖ Kitzbühel und im Regionalvorstand der ÖGB-Frauen Unterland.
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BEZIRK KITZBÜHEL (elis). Gleichberechtigung, das Wahlrecht für Frauen und die Emanzipation von Arbeiterinnen waren die Themen des Internationalen Frauentages vor 100 Jahren. Gleichberechtigung in allen Bereichen ist nach wie vor nicht erreicht, betrachtet man Fraueneinkommen und „Gläserne Decken“ im Berufsleben. In Tirol leben mehr Frauen als Männer. Im Bezirk Kitzbühel beträgt der Frauenanteil an der Bevölkerung dem Tiroler Gleichstellungsbericht zufolge 51,3 %.
Doch trotz dieses Faktums werden weite Teile des gesellschaftlichen Lebens, der Politik, der Ökonomie, der Medien oder des Sports überwiegend durch Männer und für Männer gestaltet. Wie sieht weibliche "Arbeits-Realität" aus? Wir haben Anna Grafoner, Bezirksfrauenvorsitzende der SPÖ Kitzbühel und Monika Kober, Geschäftsführerin von Klafs GmbH - Sauna und Spa in Hopfgarten um Antworten gebeten.

Wie sehen Sie die Lage von Frauen (in Bezug auf Arbeitsmarkt und Lebensumstände) im Bezirk Kitzbühel?
Anna Grafoner: Die Lebensumstände von Frauen im Bezirk Kitzbühel werden von vielen verschiedenen Einflussfaktoren geprägt und lassen keinen Jubel zu. Besonders in Verbindung mit regelmäßiger Berufstätigkeit finden Frauen nicht immer geeignete Rahmenbedingungen für Erwerbstätigkeit vor. Betreuungs-, Pflege-, Sorge- und Beziehungsarbeit – kurz Care-Arbeit genannt, sowie die Halbtagsschulen beeinflussen die Möglichkeiten und Chancen. Eine flächendeckende Versorgung mit Kinderbildungsplätzen ist nicht gegeben. Ein rascher Wiedereinstieg setzt ausreichende Kinderbildungseinrichtungen voraus. Erst wenn Vereinbarkeit tatsächlich ermöglicht wird, können Frauen mit Kindern auch ihre Einkommens- und Karriereentwicklung verbessern. Die Branchen sind typisch: Handel, Gesundheit und Soziales, Tourismus, Öffentliche Verwaltung. Nur ein Drittel der Frauen hat einen ganzjährigen Vollzeitarbeitsplatz. Die Löhne sind niedrig, die Lebenshaltungskosten hoch. Sechs der zehn Bezirke Österreichs mit den niedrigsten Fraueneinkommen liegen in Tirol. Darunter Kitzbühel auf dem achtschlechtesten Platz. Dies alles mündet auch in einer Diskriminierung bei der Entlohnung Frauen verdienen 11.061 Euro im Jahr auf Basis von Vollbeschäftigung weniger als Männer (Statistik Austria)!
Monika Kober: Ich bin überzeugt, dass wir viele sehr starke Frauen im Bezirk haben; wir sind hier in ländlichen, eher kleinen Strukturen; Ganztagskinderbetreuung gibt es noch nicht überall - wie stark das aktuelle auch nachgefragt und, soweit vorhanden, genutzt wird, kann ich aktuell nicht sagen. Ich hätte mir vor 20 Jahren vor allem in den Ferienzeiten mit meinen drei Kindern deutlich mehr Betreuungsmöglichkeiten gewünscht. In vielen Tourismus- und Gewerbe- und Landwirtschaftsbetrieben gibt es verheiratet oder unverheiratet das "gemischte Doppel" im Team; das halte ich für besonders wertvoll.

Frauen verdienen im Bezirk Kitzbühel im Schnitt 25,4 % weniger als Männer, zudem arbeiten durchschnittlich viele Frauen Teilzeit. Warum hinkt im Bezirk die Entwicklung hinterher?
Monika Kober: Die Statistiken hier klaffen etwas auseinander und geben Interpretationsspielraum her. Ich habe eine Eurostat Studie - Bruttoverdienste 2014 in % im EU Vergleich: Hier liegt die Differenz der Gehälter zwischen Männern und Frauen bei 22,9 %, wir liegen damit „vor“ Estland (28,3 %); der EU Schnitt beträgt 16,1 %, in Italien beträgt die Differenz 6,5 % und Slowenien "nur" 2,9 %; Also hätte es die Frauen in unserem südlichen Nachbarstaat besser als wir hier in Tirol?
Ich verwehre mich gegen die Verurteilung von Teilzeit, der genetische Unterschied besteht nun mal, Frauen kriegen Kinder und übernehmen in Folge einen Großteil der Kinderbetreuung und des Haushaltes. Teilzeitarbeit ist aber nicht in allen Berufsfeldern möglich bzw. verfügbar. Kollektivverträge für sich weisen schon starke Unterschiede aus zB Frisör - Handel - Elektrobranche; da bestehen schon große Unterschiede bei der Lehrlingsentschädigung.
Wir (Fa. Klafs in Hopfgarten, Anm.) haben deutlich mehr Nachfrage an Teilzeitjobs als wir anbieten können, um den Betrieb ganztags gut aufrecht zu erhalten. Vor einigen Jahren habe ich eine 30-Stunden Stelle für eine Reinigungskraft, der Anmeldung des Dienstverhältnisses haben einige Bewerberinnen von vornherein eine Absage erteilt. In dem Bereich hat zumindest für viele Frauen im Hinblick auf ihre Altersvorsorge ein Umdenken eingesetzt. Damit steigen auch die Teilzeitarbeitsverhältnisse. Mein Wunsch als Unternehmerin wäre jedenfalls, ein Arbeitsverhältnis hin zur Vollzeit. Wobei wir uns nach der Decke strecken und Teilzeit so lange es sich vereinbaren lässt zulassen in der Hoffnung, das mit der Selbständigkeit des Nachwuchses mehr daraus wird.
Anna Grafoner: Im Verlauf ihres Arbeitslebens werden Frauen durch eine Vielzahl von Faktoren - bewusst oder unbewusst – benachteiligt, zum Beispiel gleich bei ihren Berufseinstieg mit einer geringeren Entlohnung als ihre Kollegen. Fast die Hälfte der Frauen arbeitet in Teilzeit, nicht immer freiwillig.
Sie haben sehr oft lange keine Chance auf einen Vollzeitarbeitsplatz. Das dadurch entstandene geringe Einkommen begleitet sei ein Leben lang.
Viele, weil sie aufgrund der Kinder- oder Pflegebetreuung keine andere Möglichkeit haben, andere, weil immer mehr Unternehmen, vor allem im Handel, nur noch Teilzeitjobs anbieten.

Wie sehen Sie die gesellschaftliche und politische Entwicklung im Bezirk in Bezug auf Frauen? Welche Probleme gibt es?
Anna Grafoner: Die demographische Entwicklung hat zur Folge, dass der Pflegebedarf älterer Personen zunehmen wird. Dazu kommt, dass die Pflege und Betreuung naher Angehöriger nach wie vor als eine Hauptaufgabe von Frauen gesehen wird. Ein unzureichendes Angebot zwingt viele Frauen zu vollständige bzw. teilweise Aufgabe ihrer Berufstätigkeit und damit in die finanzielle Abhängigkeit.
Frauen gehören zur Gruppe von Armut besonders betroffen. Das zeigt der neulich präsentierte Sozialbericht. Von den 400.000 Menschen, die weniger als 1.500 Euro brutto verdienen, sind zwei Drittel Frauen.
Monika Kober: Ich finde die Situation schon ganz gut, die Kinderbetreuung wird step by step ausgebaut - hat immer noch Luft. Viele Frauen finden die passende Flexibilität in der Gründung eines eigenen Unternehmens (2014 österreichweit immerhin 43,5 % der Gründungen).

Was würden Sie Frauen allgemein und speziell jenen im Bezirk Kitzbühel für die Zukunft wünschen oder raten?
Monika Kober: „Go for it“, die Chancen werden zunehmen vielfältiger. Gesundes Selbstbewusstsein zeigen, Allianzen suchen, sich mit anderen Frauen in ähnlicher Situation austauschen!
Anna Grafoner: Eine gerechte Arbeitswelt, die sich nicht nur an männlichen Mustern sondern auch an weiblichen Lebenswelten und Bedürfnissen orientieren.
Eine Aufwertung der Frauenbranchen, sie gehören besser entlohnt. unbezahlte Arbeit aufgeteilt. Gut funktionierende Kinderbetreuung. Nur 26% der Kindergartenkinder im Bezirk werden ganztägig betreut. An 36,8 Tagen im Jahr haben die Kindergärten geschlossen. Eine bessere Verteilung der Arbeit, das bedeutet eine Verkürzung der Arbeitszeit auf 35 h pro Woche und höhere Besteuerung von Überstunden. Eine Anhebung des Mindestlohnes auf 1.700 Euro, dort liege die Schwelle zur Armutsgefährdung. Bewusstseinsbildung oder Ausschreibung von Ganztagsstellen zuerst für Teilzeitarbeitskräfte im Betrieb sind wichtige Schritte. Mein Appell an Frauen ist, Netzwerke zu bilden und mutig ihre Rechte einzufordern.

Was sind ihre persönlichen Erfahrungen mit Frauenthemen in ihrer beruflichen Laufbahn? Mit welchen Hürden hatten Sie selbst als Frau zu kämpfen?
Monika Kober: Ich glaube, dass uns Frauen in den beruflichen Ansprüchen auch die "Genetik" etwas bremst. Wir sind es nicht gewohnt (dazu erzogen, berufen?) uns in einer Gruppe gut zu verkaufen, die Beste unter allen zu sein. Wir bleiben oft zu passiv und meinen, dass mit Fleiß und guter Arbeit schon erkannt wird, was wir leisten. Ich bin dank meiner Eltern sehr "emanzipiert" aufgewachsen, habe erst über die Jahrzehnte gemerkt, dass das, was ich die ersten 30 Jahre für selbstverständlich - gleichberechtigt hielt, sich in der Geschäftswelt nicht durchgängig so darstellt. Mir sind auch viele ordentliche Machos begegnet. Starke, durchsetzungskräftige Frauen kriegen auch schnell ein Etikett. Ferienzeiten sind mit drei Schulkindern sind besonders stressig, auch unterschiedliche Schulferien, damals noch keine Mittagsverpflegung in den Kindergärten, das macht Druck in der Mittags"pause".
Anna Grafoner: In meiner Funktion bei den ÖGB Frauen Tirol, den SPÖ Frauen im Bezirk und als langjährige Betriebsratsvorsitzende in einem Dienstleistungsbetrieb in einer typischen Frauenbranche, kenne ich die Problematik hautnah Ich setze mich schon sehr lange für die Rechte und Interessen erwerbstätiger Frauen ein. Als alleinerziehende Mutter von drei Kindern machte mir fehlende öffentliche Kinderbetreuung in den Ferien besonders zu schaffen.

Anna Grafoner, Bezirksfrauenvorsitzende der SPÖ Kitzbühel und im Regionalvorstand der ÖGB-Frauen Unterland. | Foto: SPÖ Tirol
Monika Kober leitet die Geschicke von Klafs Österreich. | Foto: Bildsymphonie
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