5 Thesen 
Zur Zukunft des Alpinen Skisports


Wie es mit dem Skisport weitergeht, hat Günther Aigner (Kitzbühel Tourismus) untersucht. | Foto: Foto: Rote Teufel
  • Wie es mit dem Skisport weitergeht, hat Günther Aigner (Kitzbühel Tourismus) untersucht.
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KITZBÜHEL (red.). Günther Aigner leitet seit 2008 das Sport- und Eventmarketing von Kitzbühel Tourismus. Der Tourismus- und Freizeitforscher hat sich in seiner Diplomarbeit an der Uni Innsbruck der "Zukunft des alpinen Skisports" gewidmet. Daraus hat er fünf Thesen entwickelt.

These 1
Das Skifahren wird (wieder) zum Luxus-Sport

Mit dem Wirtschaftswunder nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Skisport zum Massenphänomen. Doch der Höhepunkt dieser Massenbewegung wurde bereits Ende der 1980er Jahre überschritten. Die Skifahrer und auch die Skitouristen werden seither weniger. Das Skifahren ist einfach zu teuer geworden. Zwei Kennzahlen verdeutlichen dies: Die Preise für die Ski-Tageskarte in Tirols stiegen seit der Euro-Einführung im Schnitt um 71% schneller an als die Lohnabschlüsse in Deutschland. Und sie stiegen um 30% schneller als der österreichische Verbraucherpreisindex. Dazu kommt, dass die Kosten für Wohnen, Energie und Treibstoffe explodieren. Diese Posten binden immer mehr das Budget der Haushalte. Ein Wirtschafts-Boom ist derweil weit und breit keiner in Sicht. Als Folge verabschiedet sich die Mittelschicht zunehmend vom Skisport. Dieser wird (wieder) zum Luxussport. Das, was er vor dem zweiten Weltkrieg bereits war. .

These 2
„Global Warming“ macht Pause. Jetzt kommt „Global Cooling“

Die überwiegende Mehrzahl der Klimaprognosen ging in den letzten 20 Jahren davon aus, dass den Alpen der Schnee ausgehen wird. Diametral entgegengesetzt entwickelten sich die gemessenen Temperaturdaten: Die Winter in den Tiroler Bergen wurden in den letzten 25 Jahren zunehmend kälter. Und sie blieben schneereich. Im Rückspiegel betrachtet, kann man feststellen, dass der vorläufige Höhepunkt der warmen Winter Ende der 1980er Jahre erreicht wurde. Spätestens seit 1995 geht der Trend deutlich nach unten. So sank am Kitzbüheler Hahnenkamm (Daten: ZAMG) seit 1993 die durchschnittliche Wintertemperatur im 10jährigen Schnitt von minus 2,7 auf minus 4,1 Grad. Also um satte 1,4 Grad Celsius. Längere Messreihen mit ähnlichen Werten gibt es von Schmittenhöhe, Sonnblick oder Säntis (Rheintal, SUI, Daten: MeteoSwiss). Auf der Zugspitze (Daten: DWD) werden die Winter gar schon seit 45 kälter. Auf Deutschlands höchstem Berg ist die Trendlinie der Wintertemperaturen von 1968 bis 2013 negativ.

These 3
Die Zukunft des Skitourismus hängt am Reichtum der Volkswirtschaften

Die Menschen lieben das Skifahren. Touristen aus Nah und Fern werden weiterhin in den Tiroler Winter fahren, wenn sie es sich leisten können. Die weitere Entwicklung des Skitourismus hängt also von der wirtschaftlichen Entwicklung unserer Quellmärkte ab. Der Blick auf die wirtschaftliche Situation in Europa ist derzeit ernüchternd. Die starken Volkswirtschaften Kerneuropas verhindern derzeit ein komplettes Abdriften Südeuropas in ein wirtschaftliches Nirwana. Doch sogar die wirtschaftliche Kraft Kerneuropas droht sich zu erschöpfen: Die Niederlande befinden sich seit Mitte 2011 in einer schweren Rezession, die Immobilienpreise schrumpften bereits um 25%. Analog zu Spanien ist dort eine beachtliche Immobilienblase geplatzt, die Arbeitslosigkeit zieht dramatisch an. Italien ist in einer schweren wirtschaftlichen Depression gefangen. 2013 werden so wenig Autos verkauft werden wie im Jahr 1967. Auch in Österreich und Deutschland sinken die Fahrzeugverkäufe 2013 um zweistellige Prozentpunkte. Nennenswertes wirtschaftliches Wachstum gibt es in Brasilien, Russland, Indien und China (BRIC-Staaten). In wie fern diese Quellmärkte für den Skisport begeistert werden können, steht derzeit in den Sternen. Erwarten Sie bis 2025 keine skitouristischen Boomjahre.

These 4
Dem Skisport bricht die Jugend weg

Die Bevölkerungspyramide dreht sich um. Sie stellt sich auf den Kopf. Im Jahr 2030 wird der Jahrgang der 65jährigen 2,5 Mal so stark sein wie die Zahl der Neugeborenen (Daten: Destatis). Die Jugend wird also zum Auslaufmodell. Und von den wenigen Jugendlichen, die dem Skisport noch zur Verfügung stehen könnten, werden sich immer mehr von ihm abwenden. In Mitteleuropa wächst eine migrationsdominierte Generation heran, die den Skisport nicht mehr „am Radarschirm“ hat. Skifahren wird nicht mehr ein kulturelles Bindeglied der Nation sein. Experten und Skipädagogen wissen: Schulskikurse sind bisweilen die einzige Möglichkeit, den Skisport in der gesamten Bevölkerung zu etablieren. Österreich hat sich davon verabschiedet. 1995 wurde die gesetzliche Skikurspflicht abgeschafft. Seitdem herrscht Wahlfreiheit. Die oft günstigere Sommersportwoche hat der Skiwoche den Rang abgelaufen.

These 5
Skifahren bleibt in

Der Skisport hat schon eine beträchtliche Zeitspanne überstanden. Genau genommen über 5.000 Jahre. In all diesen Jahrtausenden ist es dabei geblieben: Der Mensch, der zwei Beine zur Fortbewegung benutzt, kann sich auch am Schnee am besten durch zwei voneinander unabhängige Gleitgeräte an den Füßen bewegen. Das „Prinzip der zwei Ski“ besteht also seit mehr als 5.000 Jahren. Was sich aber ändern könnte, das sind die Motive zum Skifahren. An Bedeutung zunehmen wird bis zum Jahr 2025 etwa die Faszination Schnee. Die Menschen, welche vermehrt in den Städten wohnen, werden das „Gut Schnee“ noch kostbarer ansehen. Ein wachsender Trend der Sehnsucht nach der Natur äußert sich bereits im Skitouren- und Freeride-Boom. Diese beiden Märkte haben ihren Höhepunkt noch nicht überschritten. Eines scheint glasklar: So lange es Schnee gibt, werden wir Bergbewohner Ski fahren. Keine menschliche Kultur, die in einem schneebedeckten Umfeld gelebt hat, und die vom „Wunder des Skifahrens“ gewusst hat, wollte je auf ihn verzichten. Und das wird so bleiben!

Der Tourismus- und Freizeitforscher Günther Aigner, geboren und aufgewachsen im Bezirk Kitzbühel (Waidring), absolvierte die Diplomstudien der Sportwissenschaften und der Wirtschaftspädagogik an den Universitäten Innsbruck und New Orleans (USA). Bereits während des Studiums hat er erste Forschungsarbeiten zu Zukunftsaspekten des Skisports absolviert. Die Diplomarbeit „Zur Zukunft des alpinen Skisports“ verfasste Aigner im Auftrag der Tirol Werbung. Nach weiterführenden Forschungstätigkeiten am Institut für Sportwissenschaft der Universität Innsbruck bei Univ.-Prof. Elmar Kornexl wechselt er die Branche. Seit 2008 leitet Aigner das Sport- und Eventmarketing von Kitzbühel Tourismus. Nebenberufliche Lektorentätigkeit für Tourismus und Freizeit an diversen Hochschulen. Seine „5 Thesen zur Zukunft des alpinen Skisports“ stellt Aigner erstmals im Sommer 2012 beim Europäischen Forum in Alpbach einem breiteren Publikum vor.

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