Filmland Kärnten
Peter Handke und das Kino
„Regeln sind da, um gebrochen zu werden, wenn Du aber die Regeln nicht kennst, dann kannst du auch nichts zerbrechen“ Nicolas Roeg
Wenn in diesen Tagen überall der Nobelpreisträger für Literatur 2019 Peter Handke, geboren 1942 in Griffen, Kärnten, wohnhaft seit langem in einem Vorort von Paris, Frankreich, für Schlagzeilen und Gesprächsstoff sorgt, dann soll daran erinnert werden, dass Peter Handke ein leidenschaftlicher Kinogeher ist, der die Drehbücher zu sehr erfolgreichen Kinofilmen geschrieben, bzw. auch selbst Regie geführt hat.
Diese Leidenschaft zum Kino findet sich auch immer wieder in seinen Büchern, zum Beispiel im „Angst des Torwarts beim Elfmeter“, in dem der Protagonist das Wiener Kolibri-Kino im 9. Bezirk besucht um dort die verhängnisvolle Beziehung zur Kinokassiererin Gerda zu knüpfen, die er später erwürgt. Verfilmt 1971/1972 von Wim Wenders ursprünglich in einer Co-Produktion des WRD und des ORF, schließlich nach den TV-Erstausstrahlungen in Deutschland und Österreich durch den „Filmverlag der Autoren“ auch in den Kinos gestartet und an viele internationale Festivals verschickt.
Doch die Spuren des Kinos lassen sich schon zuvor in Peter Handkes Werk finden. Zum Beispiel 1966 in der „Publikumsbeschimpfung“, hier empfehlt er den Schauspielern sich zur Inspiration den Western „Der Mann aus dem Westen“ von Anthony Mann, mit Gary Cooper, USA 1958 anzusehen und 1969 arbeitet er zum ersten Mal mit Wim Wenders an dem Kurzfilm „3 amerikanische LPs“ zusammen, eine Zusammenarbeit die, natürlich mit Unterbrechungen, bis 2017 anhalten sollte: „Die schönen Tage von Aranjuez“, Regie: Wim Wenders, DB: Wim Wenders & Peter Handke, D/F 2017. Die Originalsprache des Films ist Französisch, nach dem deutschsprachigen Theaterstück von Peter Handke. (erschienen 2012)
Dazwischen liegen 4 Jahrzehnte Film und Fernsehen, insgesamt hat Peter Handke 19 Einträge als Autor für beide Medien. Unvergessliche Filme wie „Falsche Bewegung“, Regie Wim Wenders, DB: Peter Handke gemeinsam mit Wim Wenders ist es die filmische Adaption von Johann Wolfgang von Goethes Romanklassiker „Wilhelm Meisters Lehrjahre“, die vom Autorenduo Wenders/Handke in die Gegenwart übertragen wurde. BRD 1975 Und dann natürlich einer der schönsten deutschen schwarz/weiß-Filme der 1980er Jahre „Der Himmel über Berlin“, Regie: Wim Wenders, DB: Peter Handke, Richard Reitinger, Wim Wenders, mit Bruno Ganz, Otto Sanders, Peter Falk. BRD/F 1987
Sieht man ab von dem Gemeinschaftsprojekt „3 amerikanische LPs“ in dem sich Wenders und Handke alle wesentlichen Aufgaben der Produktion, wie Regie, Drehbuch, Text und Schauspiel geteilt haben, ab, hat Peter Handke bei 4 Filmen auch selbst Regie geführt. Alle 4 Filme können zum Autorenkino gezählt werden, d.h. Drehbuch und Regie liegen in der Verantwortung eines Autors/Regisseurs, bei Peter Handke sind das die Filme:
• Chronik der laufenden Ereignisse, 1971.
• Die linkshändige Frau, 1978
• Das Mal des Todes, 1986, Produktion: ORF
• Die Abwesenheit. Ein Märchen, 1992.
Wobei „Die linkshändige Frau“, die Verfilmung seines eigenen Romans aus dem Jahr 1976, wohl der bekanntest Film von Peter Handke sein dürfte. Zwar mit einer fast ausschließlichen deutschen Besetzung, sieht man ab von Gerard Depardieu, wurde der Film in Paris gedreht, Wim Wenders zeichnete für die Produktion verantwortlich, der Wenders Kameramann Robby Müller war auch hier für die Kameraführung verantwortlich, orientiert sich der Film formal und inhaltlich eher an das französische Post-Nouvelle Vague-Kino der 1970er Jahre, also an Maurice Pialat, Wir werden nicht zusammen alt, 1972, Jean Eustache, Die Mutter und die Hure, 1973 und natürlich an Alain Robbe-Grillet, Das beständige Gleiten der Begierde, 1974, den Handke schon aus Autor des Nouveau Roman verehrt hat, dementsprechend war sein Film „Die linkshändige Frau“ besonders in Frankreich ein Triumpf.
Die anderen drei Filme sind in erster Linie TV-Produktionen, wobei „Chronik der laufenden Ereignisse“ wieder ein „Film-Buch“ ist, das fast 50 Jahre nach seiner Veröffentlichung 1971 neu zu entdecken wäre, sowie die bemerkenswerte Literaturverfilmung „Das Mal des Todes“ nach dem Roman von Marguerite Duras, Drehbuch: Peter Handke, der neben Maria Colbin die männliche Rolle übernommen hat. Leider nie in den österreichischen Kinos gestartet wurde Peter Handkes bisher letzter Film „Die Abwesenheit“ mit Bruno Ganz und Jeanne Moreau aus dem Jahr 1992.
Die Zeit wäre also reif für eine umfangreiche Peter Handke im Kino Retrospektive, die Verleihung des Nobelpreises für Literatur wäre ein passender Anlass.
Links:
Literatur: Peter Struck: Der Geruch der Filme. Peter Handke und das Kino, Mirabilis Verlag; Auflage: 2. (16. August 2014)
Zu Peter Handke als Drehbuchautor, oder zu (TV-)Filmen nach Peter Handkes Bühnenstücken oder anderen Vorlagen.
Zu Peter Handke als Regisseur
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