Interview mit Ben Becker vor Lesung
Das wird kein Micky-Maus-Abend

Ben Becker führt gerade "Im Exil" in Berlin auf. | Foto: Kerstin Groh
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Warum man sein Handy nach dieser Lesung wegwerfen will, was Söldner und übergeschnappte Handelsagenten gemeinsam haben und warum er keine Fotografen mehr attackiert – Interview mit Schauspieler Ben Becker.

KLAGENFURT, BERLIN. Die Woche hat Schauspieler Ben Becker, der gerade am Berliner Theater mit dem Stück "Im Exil" (Joseph Roth) Premiere gefeiert hat, zur bevorstehenden Lesung beim Klagenfurt Festival "Apokalypse – Herz der Finsternis" am 26. Mai 2023 und Themen wie Cancel Culture, Kolonialismus und Handyklingeln bei Aufführungen befragt.

Woche: Worauf kann sich das Publikum bei "Apokalypse – Herz der Finsternis" im Klagenfurter Burghof gefasst machen?
Becker: Joseph Conrad ist ein herausragender Schriftsteller und unheimlich spannend zu lesen und ebenso spannend zu hören. Es steckt auch ein wenig Abenteuerroman im Buch – bei aller Kritik, die es damals dafür einstecken musste.
Kunst kann nicht immer, wie ein süßer Bon Bon sein. Der Abend ist ein Wagnis für mich, mit einer solch schweren Last die Bühne zu betreten und vom Gemetzel der belgischen Kolonialisten zu erzählen – das bereitet mir keine Freude, kostet mich eine gewisse Überwindung. Aus dieser Dunkelheit hilft mir der Abenteuerroman wieder heraus.
Die schönste Reaktion aus dem Publikum bisher: Herr Becker, wenn ich mir das anhöre, würde ich am liebsten mein Handy wegwerfen. Die Lesung macht deutlich, woher die Bestandteile fürs Handy herkommen, unter welchen Umständen diese geschürft werden und wer davon profitiert. Diese Reaktion hat mich gefreut.

Am 26. Mai kann den deutschen Schauspieler bei "Apokalypse - Herz der Finsternis" im Burghof erleben. Das Stück von Joseph Conrad diente als Vorlage für Francis Ford Coppolas cineastisches Meisterwerk "Apocalypse Now". | Foto: Jens Wazel
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Wir leben im Krisenmodus: Wieso befeuern Sie jetzt auch noch die Apokalypse?
Man kann nicht immer wegschauen. Ich lese doch auch gerne Micky Maus, irgendwann muss man sich mit der Dunkelheit auseinandersetzen – auf künstlerischer Ebene vermittelt Conrad, welche Zeiten uns umgeben. Wer das nicht will, sollte sich ein Musical anschauen. 
Ich bevorzuge es, zu beobachten, in welche Welt ich meine Tochter gesetzt habe, welche Ängste sie beschäftigen. Das alles spielt an diesem Abend eine Rolle und das will ich nicht beschönigen – das wäre falsch.

Ben Becker führt gerade "Im Exil" in Berlin auf. | Foto: Kerstin Groh
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Mit dem Schönreden und Verdrängen haben wir Österreicher es ja...
Ich komme gerade aus der Vorstellung "Im Exil" nach Joseph Roth. Wolfgang Ambros hat übrigens entscheidend die Musik dazu beigetragen.  Ich hoffe, dass ich mit diesem Stück auch bald nach Klagenfurt kommen kann, zumindest nach Wien. Im Exil thematisiert die Verdrängung des Anschlussgedankens. Ich schätze, dass die Österreicher bereit sind, sich auf diese Konfrontation einzulassen.

Conrad entwirft den verrückten und größenwahnsinnigen Handelsagenten Kurtz: Wer ist ihrer Meinung nach ein aktueller Kurtz?

Ich bin etwas älter geworden und verzichte daher auf eine freche Antwort. Wir leben in einer sogenannten Demokratie und befinden uns zugleich im Krieg. Wenn Zeitungen darüber berichten, dass in Berlin der BER wegen Nato-Übungen geschlossen (Anm.: am Berliner Flughafen gibt es von 12. bis 22. Juni Einschränkungen wegen Übung "Air Defender 2023") wird, wird mir bange. Der Krieg kommt immer näher. Wenn Sie mich nach Kurtz fragen, fällt mir auch Putins Wagner-Truppe ein, die für Angst und Schrecken sorgt. Noch sitze ich ein meiner Berliner Wohnung in Charlottenburg und bin sicher. Es gibt diese Kurtz’, die töten, das ist eine Tatsache. Genau das zu thematisieren, dafür sind Theater und dieser Abend da.

Wie gestalten Sie die Lesung?

Wie mein Vater Otto Sander zu sagen pflegte: Nur lesen, was da steht. Natürlich gibt es Nuancen, den Direktor der Kolonialfirma, den Kurtz oder den Hauptdarsteller. Ich versuche, den Charakteren Leben einzuhauchen. In erster Linie will ich jedoch einem großen Schriftsteller gerecht werden.

Brechen Sie eine Vorstellung ab, wenn ein Handy klingelt?
Früher bin ich runter ins Parkett und habe schon einmal einem Fotografen die Kamera weggenommen. Das mache ich heute nicht mehr, aus dem Alter bin ich raus. Vor zwei Tagen hatte ich bei der Vorstellung ein konstant langes Handyklingeln – das habe ich ausgesessen – eine Art Helmuth-Kohl-Taktik. Deswegen den Kinski raushängen zu lassen, wäre Blödsinn.

Sind Sie als Künstler schon ein einmal mit Cancel Culture in Berührung gekommen?
Joseph Conrads Buchtitel „Der Nigger von der Narcissus“ wurde (Anm.: in „Der Niemand von der 'Narcissus“) umbenannt. Diese Änderung finde ich sehr gut. Wenn das N-Wort in einem Text von 1890 vorkommt, bin ich dennoch dafür, wenn es auch provokant klingen mag, das weiterhin so zu benennen. Man kann diesen Menschen, die versklavt und kaputt gemacht wurden, nicht ihre Geschichten nehmen, indem wir mit dem Tipp-Ex einfach Passagen streichen. Das halte ich für falsch. Es muss eine ehrliche Auseinandersetzung mit unserer gemeinsamen Geschichte stattfinden.

Freuen Sie sich auf Klagenfurt?
Klagenfurt steht seit vielen Jahren auf meiner Agenda. An Klagenfurt kommt man mit dem Theater nicht vorbei und das auch gut so.

Becker: "Man kann nicht immer wegschauen. Ich lese doch auch gerne Micky Maus, irgendwann muss man sich mit der Dunkelheit auseinandersetzen – auf künstlerischer Ebene vermittelt Conrad, welche Zeiten uns umgeben." | Foto: Jens Wazel
  • Becker: "Man kann nicht immer wegschauen. Ich lese doch auch gerne Micky Maus, irgendwann muss man sich mit der Dunkelheit auseinandersetzen – auf künstlerischer Ebene vermittelt Conrad, welche Zeiten uns umgeben."
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