Thema: Alter & Diskriminierung
Bundestagung der GÖD-Pensionisten in Kufstein

Kurt Kumhofer, Vorsitzender-Stv der Bundesleitung der Pensionisten in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, am gepflanzten "Generationenbaum".
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  • Kurt Kumhofer, Vorsitzender-Stv der Bundesleitung der Pensionisten in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, am gepflanzten "Generationenbaum".
  • hochgeladen von Sebastian Noggler

KUFSTEIN (nos). Die erweiterte Bundesleitung der Pensionisten in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) tagte zwischen Montag, dem 1. Oktober, und Mittwoch, dem 3. Oktober, in der Festungsstadt. Hauptthema der Konferenz war das Problemfeld Altersdikriminierung. Rund 45 Deligierte, darunter die Bundesländerobleute und deren Stellvertreter sowie Bundesvorsitzender-Stv Kurt Kumhofer waren zur Jahrestagung nach Kufstein gereist und vom Tiroler Obmann, dem Kufsteiner Franz Uhl, in Empfang genommen. Die GÖD-Pensionisten zählen derzeit rund 55.000 Mitglieder, "wenn wir uns die Studien ansehen, werden wir in den kommenden fünf Jahren noch einmal 50.000 mehr", so Kumhofer mit Blick auf die Alterspyramide und die Pensionierungswelle der "Babyboomer"-Generation im Öffentlichen Dienst.

"Generationenbaum" am Gymnasium gepflanzt

Den Auftakt zum mehrtägigen Treffen, das heuer erstmals in Kufstein abgehalten wurde, machte eine Baumpflanzaktion am Montagnachmittag am Bundesgymnasium. Die GÖD-Pensionisten spendeten einen "Generationenbaum", der nicht nur die Verbindung zwischen den Alten und den Jungen, sondern auch zur Natur versinnblidlichen sollte. Diesen am Gymnasium zu pflanzen, anstatt im Stadtpark, wie ursprünglich angedacht, stellte sich dabei als zusätzliches Ausrufezeichen zur Symbolik dar. Neben einem Großteil der Delegierten fanden sich auch Direktorin Ellen Sieberer und Bürgermeister Martin Krumschnabel zur Zeremonie am Schulgelände ein, die von einer Bläsergruppe der Stadtmusikkapelle Wilten umrahmt wurde.

Zwei Ebenen der Altersdiskriminierung

Die Verbindung zur Jugend sei gerade den GÖD-Pensionisten ein großes Anliegen, unterstrich Kumhofer bei mehreren Gelegenheiten, denn jede Regelung die in Bezug auf aktuelle Pensionen getroffen werde, wirke sich noch weit mehr auf die kommenden Generationen aus. Zudem treffe gerade das Thema Altersdiskriminierung eben diese beiden Teile der Bevölkerung am stärksten – die Alten und die Jungen.
Dies war nicht nur der Dreh- und Angelpunkt der Tagung am Dienstag im Kufsteiner Kulturquartier, sondern auch der "PensPower Podiumsdiskussion" zum Abschluss der Konferenz am Mittwochvormittag. Unter der Moderation von Kumhofer diskutierten dazu Bezirkshauptmann Christoph Platzgummer, Kufsteins Sparkassendirektor Reinhard Waltl und TT-Chefreporterin Anita Heubacher durchaus angeregt mit den Delegierten.

"Wir sind in Diskussionen mit Jugendlichen und in Seminaren draufgekommen, dass das weit öfter vorkommt, als mein meint", stellte der GÖD-Pensionistenchef Kumhofer einleitend fest, "und das bringt oft Probleme mit sich." Rund 1,6 Millionen Über-65-Jährige gebe es derzeit in Österreich, dennoch würden "die negativen Altersbilder" die Wirklichkeit prägen: Demenz, Pflege, Pensionsprivilegien – mit solchen Themen würden "die Alten" am ehesten in Verbingung gebracht. Auch im Zusammenhang mit Jugendlichen gebe es zumeist ähnlich negative Wahrnehmungen.
Auch strukturell sei die Diskriminierung dieser beiden Gruppen in Österreich durchaus gegeben: Bei Jungen wie auch Alten etwa am Arbeitsmarkt.

TT-Journalistin Heubacher stellte eingangs fest, dass es laut Arbeiterkammer beim "immer relevanten Thema" Altersdiskriminierung besonders die Jungen seien, die diese zu spüren bekämen, da auf politischen Ebenen die Diskriminierung von Älteren durch diverse Maßnahmen immer wieder angefedert würden. Zudem mangle es, laut einer Studie aus Deutschland, an der Generationen übegreifenden Kommunikation: Nur drei Prozent der Jugendlichen sprechen, laut der von Heubacher zitierten Studie, mit Über 57-Jährigen außerhalb der eigenen Familie. Über kurz oder lange brauche es neben einer gesteigerten Kommunikation aber auch Veränderungne im System, so die Journalistin, etwa die Anpassung des Pensionssystems oder die Abkehr von der ständischen Organisation im Gesundheitssystem und eine Hinwendung zu einer "echten Solidargesellschaft". Also eine einheitliche Krankenversorgung unabhängig vom ausgeübten Beruf.

"Die Jungen sind zwar schneller, aber die Alten kennen die Abkürzung", meinte BH Christoph Platzgummer und bekräftigte, dass es im gesellschaftlichen Zusammenhalt eben beide Seiten brauche, Elan und Erfahrung. Als Behördenleiter gab er zu bedenken, dass es durchaus einen rechtlichen Rahmen gibt, der zumindest viele Auswüchse von Altersdiskriminierung in Schranken weisen könne – Art. 7 im Bundesverfassungsgesetz ("Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. (...)"), das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (B-GlBG), oder auch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union ("Artikel 21:
(1) Diskriminierungen, insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des
Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung, sind verboten.")
Platzgummer sehe "eher das soziale Thema, und das hat vielfach mit gesellschaftlichen Entwicklungen zu tun", meinte er mit Blick auf die Alterspyramide. Gerade das Thema Pensionen bereite vielen Jungen durchaus Sorgen und "löst bei manchen auch einen gewissen Neidfaktor aus". Die Würdigung beruflicher Erfahrung, etwa durch den Faktor Dienstalter in der Beförderung von Arbeitnehmern, sei durch Ausschreibungsverfahren und Ähnliches seit Anfang der 2000-er-Jahre massiv verändert worden, so der Bezirkshauptmann. "Ich glaube, dass es insgesamt eine gesellschaftliche Aufgabe ist, dass die Generationen konfliktfrei zusammenarbeiten können".

Sparkassendirektor Reinhard Waltl weiß um die Rolle der Banken "als Adressaten der einen oder anderen kritischen Bemerkung". Er stellte eingangs fest: "Wir wollen mit Diskriminierung nichts zu tun haben, wir sind ein Dienstleistungsunternehmen und nicht auf das schnelle Geschäft aus." Dafür nahm er auch Bezug auf die Gründungsstatuten der Kufsteiner Sparkasse von 1877, nämlch "für Jedermann in der Region da zu sein. Das betrifft sowohl das Kleinkind als auch den betagten Senior und das ist ein Auftrag." Dennoch wisse er um Schwierigkeiten, besonders für Ältere, in einem breiten Spektrum vom Online-Banking und Selbstbedienungsbereichen, Filialschließungen anderer Institute oder auch Sicherheitsbedenken, gerade im digitalen Bankgeschäft. Ein Kernproblem der betagten Kundschaft sei die Möglichkeit ab einem gewissen Alter noch einen Kredit zu bekommen. "Bei überschaubaren Pensionseinkommen" seien unerwartete Ausgaben, wenn zum Beispiel die Waschmaschine kaputt geht, "sicher eine Herausforderung". Dies "sollte bei ihrer Hausbank kein Problem sein", meint Waltl.  Er rief aber auch in Erinnerung, dass die heimischen Banken an gesetzliche Rahmenbedingungen gebunden seien, die teilweise eine indirekte Altersdiskriminierung hervorriefen, etwa durch die verpflichtende Kreditwürdigkeitsprüfung. Die Bank komme nicht umhin zu fragen: "Ist ein heute 50-Jähriger auch bei Pensionsantritt mit 65 dann noch in der Lage den Kredit zu bedienen? Wir müssen diese unangenehmen Fragen stellen", so Waltl.
Ein spannendes Thema im Austausch mit Senioren seien natürlich die Selbstbedienungsbereiche, Bankautomaten und weitere digitale Systeme. "Viele fühlen sich in die SB-Bereiche ausgesperrt", weiß der Sparkassendirektor, "aber man muss ielleicht nicht jede aktuelle Blödheit mitmachen. Wir wollen unsere langjährigen Kunden nicht brüskieren." Dass sein Institut im Bezirk eher neue Filialen eröffnet, als Standorte zu schließen, ist für Kunden anderer Banken und besonders für die Delegierten aus Ost-Österreich eher nicht so nahe an der Lebensrealität. Doch auch im Bezirk sind Infrastruktureinsparungen, eben was beispielsweise Bank- oder Postfilialen angeht, nicht nur für Senioren spürbar.

Rege Diskussion

Im Anschluss an die kurzen Impulse der Podiumsteilnehmer wurde durchaus lebhaften mit den Delegierten diskutiert, besonders Heubachers Kritik am aktuellen Pensions- und Gesundheitssystem stieß nachvollziehbarerweise bei den GÖD-Pensionisten, viele davon über die BVA versichert, auf wenig Gegenliebe. Dafür brachten sie allerlei Studien und Zahlen ein. So meinte einer der Teilnehmer: "Wir wissen aus Studien, dass die Beamtenpensionen mit dem Jahr 2050 nur noch die Hälfte der heutigen Kosten ausmachen werden." Aufgeworfen wurde zudem die Frage, wie der gesamtgesellschaftliche Wissensstand zu Politik und Sozialsystem beschaffen sei. "Wir würden uns leichter tun, wenn die Bevölkerung besser bescheid wisse", hieß es aus den Reihen der Teilnehmer. "Man kann den Jungen alles mögliche einreden, und die glauben das dann auch noch", so eine weitere Wortmeldung, und: "Die Generationen sprechen heute unterschiedliche Sprachen." "Auch das Wissen um das Finanzwesen wäre dringend zu erweitern", pflichtete Sparkassendirektor Waltl hier bei. Zielgruppe des Bildungsimpulses sei hier nach Ansicht aller Beteiligten besonders die heutige Jugend, die sich "nur oberflächlich mit dem Smartphone informiert", wenig Interesse an Gesellschaft und Politik zeige und der es im Ganzen zunehmend an Allgemeinwissen und -Bildung mangle. Diese Erfahrungen habe auch Heubacher gemacht, wie sie sagte, sowohl in "Demokratiewerkstätten" im Austausch mit AHS- und Berufsschülern, die nicht wissen wie der aktuelle Bundeskanzler heiße, als auch in höheren Ausbildungsstufen, wo etwa der Begriff "Sozialpartnerschaft" auf Unkenntnis träfe.
"Unsere Lebensumwelt wird immer komplexer und ich warne daher immer davor, oberflächlich Dinge zu vergleichen, die beim genaueren Blick gar nicht vergleichbar sind, so etwas schürt Neidkomplexe", gab BH Platzgummer abschließend zu bedenken. "Wir sind alle miteinander in der Verpflichtung den jungen Menschen eine Perspektive mitzugeben", meinte Waltl. Trotz starker Kaufkraft kämen "Senioren in unserer Volkswirtschatlichen Gesamtrechnung nicht vor", konstatierte Kumhofer. Die hereinbrechende Digitalisierung und damit verbundene Robotik sei ein weiterer Angstfaktor, der alle Generationen betreffe, so der Vorsitzende-Stv.
Heubacher gab den GÖD-Pensionisten als Schlusswort mit auf den Weg sich zu überlegen, wie deren bestehendes Wissen und ihr Erfahrungsschatz jungen Menschen zugänglich gemacht werden könnte.

Bereits im Vorfeld der Podiumsdiskussion verabschiedete die erweiterte Bundesleitung der GÖD-Pensionisten eine Resolution an "ihre" Gewerkschaft, um mehr Information und Kommunikation zu diesem Themenkomplex zu erreichen.

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