"Lasst ihn in Ruhe!"
Künstler und Mitarbeiter in Erl protestieren gegen "Dirigierverbot für Kuhn"

Auf der Bühne Künstler, Dolmetscherinnen und Andreas Leisner, im Publikumsraum Medienvertreter sowie dahinter Mitarbeiter der TFE.
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  • Auf der Bühne Künstler, Dolmetscherinnen und Andreas Leisner, im Publikumsraum Medienvertreter sowie dahinter Mitarbeiter der TFE.
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ERL (nos). Zu siebt kamen sie auf die Bühne des Festspielhauses, um ihren Protest gegen die Absetzung Gustav Kuhns als künstlerischer Leiter und Dirigent der Tiroler Festspiele Erl (TFE) auszudrücken, unterstützt von zwei Dolmetscherinnen sowie vom aktuellen künstlerischen Leiter Andreas Leisner. Dzmitry Klachko und Viktoryia Liashkevich für den Chor, Konzertmeister Fiodar Lushch, Orchestermusikerin Karin Mischl, Tenor Ferdinand v. Bothmer, Cellist Antonio Mostacci und Tim Herold für Technik und Belegschaft forderten im Rahmen einer mit Hilfe der TFE organisierten Pressekonferenz die Rückkehr "ihres Maestro" Gustav Kuhn ans Dirigierpult. Kuhn war zuvor aufgrund schwerwiegender Vorwürfe sowohl aus der künstlerischen Leitung als auch später aus dem Dirigat vorübergehend ausgeschieden – die BEZIRKSBLÄTTER berichteten. Die Künstler, die ihren Angaben zufolge um die 200 Mitarbeiter vertreten sollen, wollen ihn zurück, denn ohne Kuhn werde "Erl nicht mehr das sein, was es ist".
Zahlreiche Musiker und Mitarbeiter der TFE nahmen die Gelegenheit wahr, setzten sich hinter die anwesenden Medienvertreter ebenso in den Zuschauerraum und quittierten diverse Wortmeldungen der sieben Sprecher und Leisners auch mitunter mit Applaus.
Leisner stellte im Rahmen der Pressekonferenz in den Raum, dass manche Anschuldigungen oder die Aussagen von Unterstützern der Kritiker gegen Bezahlung erfolgt sein könnten – auch in Bezug auf die jüngste Veröffentlichung im Nachrichtenmagazin "Profil" – und wand sich dabei in Konjunktiv-Formulierungen, um möglichen rechtlichen Konsequenzen aus dem Weg zu gehen. Auch gäbe es Erpressungsversuche gegen die TFE, deutete der künstlerische Leiter an. Auf die Frage, dies klinge nach einer Unterstellung von Erpressung, meinte Leisner:

"Ja, das klingt so. Die Informationen die ich habe legen nahe, dass es zu solchen Angeboten gekommen sein kann."

Damit meinte er, Angebote Geld zu bezahlen, um gewisse Aussagen zu treffen, oder eben nicht. Ob er mit diesen Verdachtsmomenten zur Staatsanwaltschaft gehe, bedachte er mit der Antwort: "Ich glaube das ist der Plan."

Die sieben Mitarbeitervertreter hielten mehrfach fest, dass sie "aus absolut freien Stücken hier" seien – sowohl im Rahmen der Pressekonferenz, als auch überhaupt als Beschäftigte in Erl. Sie seien "an einer lückenlosen Aufklärung der Anschuldigungen interessiert", es gelte freilich der Rechtsstaat und damit auch die Unschuldsvermutung für Gustav Kuhn. Die mediale Berichterstattung komme ihrer Meinung nach "einer Vorverurteilung gleich", so Tenor v. Bothmer einleitend.

Künstler wie Mischl, Klachko, Liashkevich und Lushch beklagten "Diffamierungen" und "das verzerrte, falsche Licht, das man auf unser Zuhause wirft". Sie sehen sich ihrer "künstlerischen Aussage" durch Kritiker abgesprochen. Besonders die Musiker aus Osteuropa betonten, sie seien "keine Sklaven" und fühlten sich von Aussagen mancher Kritiker derart beleidigt, dass sie das Gefühl hätten, "dass wir nicht mehr in Europa willkommen sind".
Alle lobten ausführlichst das künstlerische "Genie" Gustav Kuhns und forderten deshalb, "ihren Maestro" wieder einzusetzen:

"Kuhn ist ein Genie, Alle sollten ihm erlauben so zu bleiben", meinte Klachko, "bitte lasst ihn in Ruhe, ohne ihn verlieren die Festspiele ihre Magie".

"Die Konsequenzen, wenn Gustav Kuhn nicht mehr dirigieren darf, können Sie sich denken, dann wird es die TFE nicht mehr SO geben", erklärte v. Bothmer. "Es gibt gute Gründe dafür, dass wir weiter mit dem Dirigat von Gustav Kuhn planen", schob Leisner nach, er halte "die Absetzung zu diesem Zeitpunkt als vollkommen verfrüht und vollkommen falsches Signal". Natürlich gäbe es im Hintergrund einen "Plan B", man habe Verantwortung dem Publikum gegenüber, aber "der Stil des Hauses müsste sich verändern", so Leisner. Wie ein solcher Ersatz, der seiner Ansicht nach "durchaus ein Profil gewinnen" könne, aussieht, dazu meinte der aktuelle künstlerische Leiter:

"den Plan B werde ich ja nicht allen auf's Brot schmieren nach dem Motto 'der Kuhn ist eh schon obsolet'!"

Herold findet "es beklagenswert, dass die Festspiele zum Spielball der Politik geworden sind", sprach von "inakzeptabler Vorverurteilung" und meint, er und seine Kollegen hätten sich "mehr Courage für Gustav Kuhn erwartet". Mostacci schwärmte vom künstlerischen Ansatz in Erl und meinte zu den Vorwürfen, es seien "falsche Darstellungen, die für uns keinerlei Grundlage haben", man werde nicht beleidigt in Erl.

Zu den Anschuldigungen sexueller Übergriffe durch Gustav Kuhn, die sich Mischl "ganz schwer bis gar nicht vorstellen" könne, meinte v. Bothmer, man fordere die Einhaltung des Rechtsstaats. Es seien "Anschuldigungen, die alle in Vier-Augen-Situationen geschehen sind – dafür gibt es Gerichte". "Unsere Wahrnehmungen sind natürlich sehr subjektiv", so v. Bothmer weiter, "was uns stört ist, dass uns nicht zugehört wird." Zudem sei man von Kritikern und der Initiative "Art but fair" beleidigt, beschimpft, diffamiert und unter Druck gesetzt worden, so der Tenor: "hier wird agitiert".
Leisner ging in Bezug auf den öffentlichen Druck einen Schritt weiter, sprach mit Blick auf die im Nachrichtenmagazin "Profil" veröffentlichte Story von einer "Masche", er "kenne die Hintergründe" und "wage zu bezweifeln" und dies "ernstzunehmen". Leisner lies durchblicken, dass er hier vermute, dass manche der Kritiker für ihre Aussagen bezahlt worden seien, vom Nachrichtenmagazin oder auch Dritten. Geldangebote, "um bestimmte Aussagen zu machen oder eben nicht"? – "Auch in anderen Fällen ist mir das begegnet", meint Leisner. Er erwäge den Gang zur Staatsanwaltschaft wegen Erpressung. Zudem spricht Leisner von politischer Einflussnahme auf den Stiftungsvorstand, der letzendlich für die Personalentscheidungen zuständig ist.
Von Politik und Stiftungsvorstand im Stich gelassen fühlen sich auch die Künstler, wie v. Bothmer feststellte: "Wir haben im Sommer dem Herrn Landeshauptmann einen Brief geschrieben (...) und fühlen uns von den Stiftungsräten etwas hintergangen."

Nachtrag: auf Anfrage der BEZIRKSBLÄTTER erklärt "profil"-Chefredakteur und Herausgeber Christian Rainer, dass der Anwalt des Mediums rechtliche Schritte gegen Andreas Leisner prüfen werde. Im Raum stehe ein öffentlicher Widerruf, ansonsten eine Klage.

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