„Es ist ein totaler Wandel“

Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz will „weder den rechten Hetzern noch den linken Träumern etwas nachmachen“. | Foto: Haberl
  • Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz will „weder den rechten Hetzern noch den linken Träumern etwas nachmachen“.
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Bezirksblätter: Im Juli letzten Jahres haben Sie das Integrationszentrum Wörgl besucht. Am Ende haben Ihnen Schüler der Neuen Mittelschule ihren Film „Kickflip“ überreicht. Wie hat Ihnen der Film gefallen?
Kurz:
Ich habe den Film auf der Heimfahrt gesehen, aber nicht bis zum Ende. Gerade an Schulen etwas zu machen ist immer sinnvoll. Der Punkt ist: Integration betrifft zwar alle Menschen, aber gerade auch junge Menschen, weil die Zahl von Migrantinnen und Migranten bei den Jungen höher ist und weil man das Thema Integration über junge Menschen gewinnen kann. Insofern setzen wir bei all unseren Projekten schwerpunktmäßig bei der Jugend an.

Bezirksblätter: Ein solches Schulprojekt von Ihnen ist „Zusammen Österreich“, mit dem Sie gerade an der Neuen Mittelschule Kufstein waren. Dabei begleiten Sie „Integrationsbotschafter“. Wie wurden die ausgewählt?
Kurz:
Das Ziel war, möglichst große Vielfalt bei den „Integrationsbotschaftern“ zu haben. Es sind lauter spannende, aber auch unterschiedliche Lebensgeschichten. Und wir haben natürlich darauf geachtet, dass es eine regionale Verteilung gibt, aber auch eine Verteilung bei den Herkunftsländern und den Berufsgruppen.

Bezirksblätter: Wie lange wird das Projekt „Zusammen Österreich“ laufen?
Kurz:
Mindestens bis zur nächsten Wahl, vielleicht auch darüber hinaus. Wir glauben, dass wir bis Mitte 2013 rund 20.000 Schüler über dieses Projekt erreichen können.

Bezirksblätter: Sie haben einmal gesagt, „Integration ist regional unterschiedlich“. Was bedeutet das für eine bundesweite Integrationspolitik?
Kurz:
Zusammenleben läuft in Wahrheit immer vor Ort ab. Wir können uns auf Bundesebene bemühen, einen Rahmen vorzugeben und Regeln und Gesetze so zu machen, dass Integration funktionieren kann. Wir können Bewusstseinsbildung betreiben und wir haben auch die Möglichkeit, regionale Projekte zu unterstützen. Wir wollen nicht mit der Gießkanne quer drüber über alles und überall gleich, sondern wir versuchen schon, sehr spezifisch zu agieren. Und das tun wir, und zwar ganz bewusst nach den regionalen Bedürfnissen. Jede Region hat ihre eigenen Herausforderungen und auch ihre eigenen Lösungsansätze.

Bezirksblätter: Wie beurteilen Sie die Probleme des ATIB Vereins in Kufstein, einen neuen Platz für das Vereinshaus zu finden?
Kurz:
Es gibt einfach sehr viel Vorurteile, Unwissenheit und Ängste Richtung Muslime und muslimische Vereine. Und man muss auch sagen, muslimische Vereine agieren auch sehr unterschiedlich. Manchmal können sie überhaupt nichts dafür, dass es diese Ängste gibt, und manchmal verhalten sie sich auch nicht besonders förderlich. Insofern muss man immer, wenn es solche Bauvorhaben gibt, sehr sensibel damit umgehen. Solche Projekte funktionieren meistens dann gut, wenn von allen Seiten ganz offen agiert wird und die Bevölkerung eingebunden ist und vielleicht sogar ein Mitspracherecht hat.

Bezirksblätter: Etwa durch eine Abstimmung?
Kurz:
Nein, aber vielleicht durch passende Bürgerbeteiligung oder durch Mediation.

Bezirksblätter: Wird das Thema Integration oft nicht auch benutzt, um politisches Kleingeld zu machen?
Kurz:
Ja, sicher. Gerade in bundesweiten Wahlkämpfen wird Ausländerfeindlichkeit oft dazu verwendet, um Wähler zu gewinnen.

Bezirksblätter: Das 80.000 Euro EU-Projekt „Haus.Gemein.Schafft“ hätte ursprünglich von Wörgl und Kufstein gemeinsam durchgeführt werden sollen. Kufstein ist am Ende abgesprungen.
Kurz:
Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass wir immer, wenn wir uns europäische Gelder „abholen“ können, das auch tun sollten. Im Integrationsbereich kommen inzwischen mehr als die Hälfte der Gelder aus europäischen Fördertöpfen und das ist gut so. Ich kann nicht beurteilen, warum dieses Projekt in Kufstein nicht unterstützt wurde, aber Bedarf zur Steuerung des Zusammenlebens orte ich schon. Gerade beim Thema Wohnen kommen oft Konflikte an die Oberfläche.

Bezirksblätter: Sie haben sich für den Start von Lerncafés stark gemacht, in denen Kinder zwischen sechs und 15 Jahren ein kostenloses Nachmittags-
angebot erhalten. Lesepatenschaften verfolgen ähnliche Ziele und sind im Bezirk Kufstein sehr gut etabliert. Können Sie sich vorstellen, hier mehr Geld zu investieren?
Kurz:
Wir unterstützen auch sehr viele Lesepaten-Projekte. Ja, die beiden Dinge sind sehr ähnlich und sehr sinnvoll.

Bezirksblätter: Ihre Angelobung liegt ziemlich genau ein Jahr zurück. Sie wollten eine Versachlichung des Themas Integration erreichen. Ist Ihnen das schon gelungen?
Kurz:
Dieses Ziel haben wir definitiv stark erreicht. Es wird genauso viel über Integration diskutiert wie früher, jetzt aber wesentlich sachlicher. Insofern glaube ich, dass es wirklich einen totalen Wandel gegeben hat in diesem Jahr.

Bezirksblätter: Sie diskutieren das Thema Integration immer sehr positiv. Besteht dadurch nicht auch die Gefahr, dass man vorhandene Probleme übersieht?
Kurz:
Nein, überhaupt nicht. In Österreich wurde immer nur über die Probleme gesprochen, nie über die Chancen. Und das tun wir jetzt. Wir wollen weder den rechten Hetzern noch den linken Träumern etwas nachmachen. Das Dach unserer Arbeit ist „Integration durch Leistung“.

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