U-Haft für mutmaßlichen Mörder: "Uns fällt ein Stein vom Herzen"

Beinah dreieinhalb Jahre nach dem Mord an Lucile K. in Kufstein dürfte der Täter nun im Breisgau (BRD) verhaftet worden sein. Er soll dort eine zweite junge Frau ermordert haben. | Foto: ZOOM.Tirol
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  • Beinah dreieinhalb Jahre nach dem Mord an Lucile K. in Kufstein dürfte der Täter nun im Breisgau (BRD) verhaftet worden sein. Er soll dort eine zweite junge Frau ermordert haben.
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KUFSTEIN/ENDINGEN (nos). In der Nacht vom 11. auf den 12. Jänner 2014 wurde die französische Studentin Lucile K. in Kufstein, wo sie ihr Erasmus-Auslandsstudium an der Fachhochschule ansolvierte, von einem Unbekannten mit einer Eisenstange erschlagen. Am Freitag, dem 2. Juni 2017 klickten nun im Bereich Freibug im Breisgau im deutschen Baden-Württemberg die Handschellen – die Polizei nahm an seinem Arbeitsplatz einen 40-jährigen Rumänen fest, der dort als LKW-Fahrer arbeitet und lebt. Über ihn wurde am Samstagmittag die Untersuchungshaft verhängt. Er gilt aufgrund zahlreicher Indizien als "dringend Tatverdächtig". Der Mord an Lucile K. ist im Haftantrag der deutschen Behörden nicht aufgeführt, da dies die Rechtslage nicht zulasse, so der leitende Oberstaatsanwalt Dieter Inhofer. Der mutmaßliche Täter wird sich also wahrscheinlich sowohl in Deutschland, als auch in Österreich einem Gerichtsprozess stellen müssen. Er bestritt sowohl bei den ersten Vernehmungen als auch vor dem Haftrichter einen Zusammenhang mit den beiden Morden, so der Oberstaatsanwalt.

In einer Pressekonferenz, an der auch Tirols LKA-Leiter Walter Pupp teilnahm, informierten Polizeipräsidium und Staatsanwaltschaft Freiburg über nähere Details. Haupttenor der Behörden war die Freude über den Fahndungserfolg nach "langwierigen und schwierigen Ermittlungen" sowie Dankbarkeit gegenüber den zahlreichen Ermittlern und der Bevölkerung, die mit Hinweisen und Hilfe die Polizeiarbeit unterstützte.

"Wir haben in monatelanger, akribischer Arbeit nach dem Täter gesucht", erklärte Freiburgs Polizeipräsident Bernhard Rotzinger. Ähnlich wie nach der Tat in Kufstein, herrschte auch in der Region um den "Kaiserstuhl" große Betroffenheit und Beunruhigung nach der Bluttat an der Joggerin Carolin G. im November 2016.
"Umso mehr sind wir froh, dass wir gestern einen Verdächtigen festnehmen konnten", so Rotzinger weiter, der die Spurenanalyse und Indiziensammlung in Kooperation mit zahlreichen Experten aus Deutschland und Österreich ein "kriminalistisches Meisterstück" nannte. "Wir haben uns über all die Monate nicht entmutigen lassen", so Rotzinger, "schließlich führte uns nun DNA-Spur Nummer 4334 zum Täter". Tausende Stunden Laborarbeit und krimialtechnischer, forensischer Analysen wurden in den vergangenen Monaten in Baden-Württemberg hierfür geleistet. "Wir waren an der Schmerzgrenze", erklärte Richard Kerber, Leiter des Kriminalkommissariat Emmendingen, zur personalintensiven Ermittlungsarbeit um die SOKO "Erle" und SOKO "Dreisam".

"Das war kein Sprint, sondern ein Langstreckenlauf"

Mit 17. Jänner diesen Jahres, als es gelang DNA-Spuren im Fall Carolin G. zu sichern, begann die Zusammenarbeit mit den Tiroler Ermittlern, die nach wie vor nach dem Mörder von Lucile K. suchten und dafür auch ähnlich gelagerte Taten, bis zurück in die 1990-er Jahre, in Nachbarländern untersuchten, wie LKA-Leiter Walter Pupp erklärte.
"Erschlagen und an relevanten Körperstellen entblößt" wurde die französische Studentin damals in Kufstein am Innufer gefunden, so Pupp, "offensichtlich ein Zufallsopfer, das hätte wohl jeder Frau dort zu diesem Zeitpunkt passieren können".
Pupp beschrieb das Dilemma der Ermittler: Öffentlicher Druck, eine schlechte Spurenlage – die gefundene Täter-DNA war nur in Bruchstücken vorhanden und somit nur für einen Direktvergleich brauchbar – und "so gut wie keine Augenzeugen". "Glück" hatten sie mit der im Inn gefundenen Eisenstange. Sie werde "im Verfahren eine gewichtige Rolle spielen", wie Pupp erklärte. Im Vergleich zur Tat in Endingen, wo Carolin G. vergewaltigt und ermordet wurde, fand in Kufstein laut Pupp "nur ein ganz leichter sexueller Übergriff" statt. Die Frage nach dem Motiv des Unbekannten und die gefundenen Indizien ließen schließlich das Augenmerk der Kriminalisten auf einen LKW-Fahrer als möglichen Täter fallen: "Das war nur eine der Varianten, aber wir sind ihr treu geblieben", meinte Pupp.

"Der Fall in Kufstein scheint nun ebenso geklärt, wie der Fall hier in Endingen. Uns fällt ein Stein vom Herzen!"

Mit Beginn der Zusammenarbeit zwischen den Tiroler und Breisgauer Ermittlern wurde auch ein neues Phantombild des Täters erstellt und veröffentlicht. Insgesamt 4.300 registrierte Hinweise gingen bei der SOKO "Erle" während der Fahndung ein. Im Vergleich zwischen dem Festgenommenen und den Phantombildern stellte Oberstaatsanwalt Inhofer fest: "ein Erkennen anhand des Phantombildes wäre zugegebenermaßen schwierig", allerdings seien durchaus Parallelen im Erscheinungsbild sichtbar.

Richard Kerber, Leiter des Kriminalkommissariat Emmendingen, fasste zusammen: Mit den Informationen der Tiroler Kollegen, der Hubstange als möglicher Tatwaffe, der Nähe beider Tatorte zu Autobahnen festigte sich die Vermutung und die SOKO "Erle" richtete eine Ermittlergruppe "LKW-Spur" ein. Aus Österreich kamen dafür dann 50.000 Datensätze der "GO Boxen", die zur Abrechnung der LKW-Maut benutzt werden. "Es gelang, LKW herauszufiltern, die zum Tatzeitpunkt Stehzeiten in Kufstein hatten", so Kerber. Als die Polizei auch das Fabrikat der Eisenstange identifizieren, und dieses bestimmten Fahrzeugen zuordnen konnten, wurden die Fahndungsfilter immer enger.

Speditionen übergaben Personaldaten

Konkretisiert hat sich die Spur des Mörders schließlich am Mittwoch, dem 31. Mai, als aus zuvor kontaktierten Speditionen die Personalien mehrerer Fahrer einlangten. Bei einem der dort beschäftigten Fahrer kamen die Indizien zusammen, die schließlich zur Festnahme und nun zur Untersuchungshaft führten: Wohnsitz und Arbeitsplatz in der Region Freiburg/Breisgau, sein Handy war zum Endinger Tatzeitpunkt in der entsprechenden Mobilfunkzelle eingeloggt, sein Privat-PKW ist farb- und baugleich mit einem von Augenzeugen beobachteten PKW in Tatortnähe. Am Freitag, dem 2. Juni, um 13.40 Uhr ein weiterer Erfolg für die Ermittler: Die vom mutmaßlichen Täter abgegebene Speichelprobe stimmt mit den "tatrelevanten Spuren" aus Kufstein und Endingen überein.

Andreas Stenger, Leiter des Kriminaltechnischen Institutes des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg, erklärte Details zur "äußerst komplexen Spurenlage", die die "Kriminaltechnik in allen Bereichen gefordert" habe. 1.500 Spuren wurden ausgewertet, nun geht die Arbeit allerdings weiter: "Unsere Analysen sind nicht beendet", so Stenger, denn nun werde der "Fund optimiert", um Abgleiche in Datenbanken zu ermöglichen.

"Was wir haben, ist eine Spur, die man nicht in Datenbanken abgleichen kann. Aber im direkten Vergleich mit dem Spurenleger kann eine Übereinstimmung festgestellt werden."

Diese Übereinstimmung ist auch die "Leitspur" der Ermittler, die gesammelten Indizien unterstützen ihren Verdacht.

Der leitende Oberstaatsanwalt Dieter Inhofer zeichnete auch die Festnahme des Verdächtigen und die weiteren Schritte nochmals nach: "Der Täter war bislang nicht vorbestraft. Die Festnahme verlief ruhig, er ging mehr oder weniger freiwillig mit uns mit." Bei einer ersten Vernehmung bestritt er jegliche Verbindung mit den Taten. Am Samstagmittag wurde der 40-Jährige dem Haftrichter vorgeführt, wo er "keine ergänzenden Angaben" machte und aufgrund der Indizienlast wegen des "dringenden Tatverdachts der Vergewaltigung und des Mordes" an Carolin G. in Untersuchungshaft genommen wurde. "Ein dringender Tatverdacht bedeutet für die Staatsanwaltschaft, dass eine Verurteilung sehr wahrscheinlich ist", erklärte Inhofer. Er stellte aber auch klar, dass die Schuldfrage vom Gericht geklärt werden muss, "und davon sind wir noch ein gutes Stück entfernt".
Weitere Fragen zum mutmaßlichen Täter wollten die Ermittler derzeit nicht beantworten, denn "einige Ermittlungen stehen noch bevor". Inhofer stellte zur Zusammenarbeit mit den Tiroler Kollegen fest, dies sei ein "Musterbeispiel, wie unerlässlich eine unkomplizierte und vertrauensvolle Kooperation der europäischen Länder" sei.

Hier finden Sie den Link zur ORF TvThek mit dem Mitschnitt der Pressekonferenz.
Hier geht's zum ersten Beitrag und den darauf folgenden Ereignissen im "Fall Lucile".
Hier finden Sie den Beitrag zur neuen Spur in Endingen (BRD).

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