Bildungssystem: Talente fördern statt Einheitsbrei!
Wo hapert es im österreichischen Schulsystem? Zwei Mütter schildern ihre Erfahrungen und Ideen. Über Eltern als Lehrer, Unterrichtsstoff und Frontalunterricht.
WIEN. Was wünschen sich Eltern vom Bildungssystem? Eine Frage, bei der regelmäßig die Wogen hochgehen. Geht es um die Unterrichtsmethoden, um die Inhalte oder sind gar die Lehrer schuld, wenn der Nachwuchs wieder zur Nachhilfe pilgern muss?
Die bz-Redakteurinnen Conny Sellner und Maria-Theresia Klenner sind Eltern schulpflichtiger Kinder und tagtäglich mit dem heimischen Bildungssystem konfrontiert. Ihrer Meinung nach fehle es keineswegs an guten Beispielen, an denen man sich orientieren könnte. Und dennoch scheinen die Kinder in der gleichen Welt gefangen zu sein, der die Mamas schon vor 20 Jahren entsprungen sind. "Meine Tochter wurde in der AHS in denselben Fächern unterrichtet wie ich in meiner Schulzeit", sagt Klenner. Ein Beispiel wäre das Fach Altgriechisch. Aber das Problem manifestiere sich auch anderswo: "Es kommen Kinder aus dem System, die eine mathematische Gleichung von vorne bis hinten diskutieren können, denen jedoch die Erstellung einer Excel-Liste völlig fremd ist", so Klenner. Wo sei die Vorbereitung auf das Berufsleben? Anstatt auf Fächer zu setzen, die die Gegenwart betreffen, werde starr auf eine traditionell humanistische Bildung gepocht.
Unterrichtsstoff modernisieren
"Politische Bildung spielt eine geringe Rolle, obwohl das Wahlalter herabgesetzt wurde", sagt Conny Sellner. Dieses Fach sollte bereits Volksschulstoff sein. Doch dort erachte man anscheinend nicht einmal Englisch als besonders wichtig. Das eigentliche Problem liege aber viel tiefer im System verankert. Sellner: "Die Talente der Kinder werden nicht gefördert." Klenner: "Falsch. Die Kinder werden gezielt in den Fächern gefördert, wofür sie eigentlich kein Talent haben." Sei ein Kind beispielsweise schlecht in Mathe, müsse es die meisten persönlichen Ressourcen dafür aufbringen, diesen Mangel auszugleichen, anstatt diese Energie in ein Talentfach stecken zu können. Es stellt sich die Frage: Wie hoch muss dieses Niveau sein, auf das alle gebracht werden müssen? Warum dürfen die Kinder nicht ihren Talenten entsprechend mitbestimmen?
Eltern als Lehrer
Den Eltern liegt noch ein dritter Punkt am Herzen: In der Schule werde frontal unterrichtet – wie auf der Uni. Die Folge: Die eigentliche Arbeit werde nicht selten auf die Eltern daheim – oder auf die Nachhilfe – abgewälzt. "Warum soll es meine Aufgabe sein, dem Kind den Unterrichtsstoff beizubringen? Ich verlange ja auch nicht von Lehrern, dass sie meine Artikel schreiben", sagt Sellner.
Die einzelnen Lehrer könne man dafür freilich schwer verantwortlich machen. Das System habe sie im Griff. Das Problem: "Die bemühten Lehrer sind in einem Korsett gefangen und haben kaum Spielraum", sagt Klenner.
Frontalunterricht ade
Konstruktive Lösungen tauchen am Schulhorizont leider nur isoliert auf. Am Wiener TGM wird zum Beispiel derzeit ein Schulversuch gewagt, in dem Kinder wesentlich an der Gestaltung ihres Stundenplans beteiligt sind. Das Motto: "Motivation, Eigenverantwortung, weniger Frust und besseres Lernen." Ziel müsse es doch sein, die Kinder auf das Leben vorzubereiten, anstatt sie auf ein Niveau zu komprimieren.
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