Das war Michael Häupls Abschiedsrede im Gemeinderat
Michael Häupl, der 165. Bürgermeister der Stadt Wien, hielt am Donnerstag um kurz nach 9 Uhr seine Abschiedsrede im Wiener Gemeinderat.
WIEN. Um 9 Uhr wurde am Donnerstag die Sitzung des Wiener Gemeinderats eröffnet. Erster Tagespunkt: Die Abschiedsrede von Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ), die als Tagesordnungspunkt "Mitteilung" geführt wurde.
Mit den Worten "Herr Bürgermeister, the floor is yours", übergab der Vositzende Thomas Reindl das Wort an Häupl, der in knapp 40 Minuten ein Resumee über Wien, seine Rolle als Bürgermeister, aber auch internationale Zusammenhänge zog. Mit den Worten "Ich bedanke mich für die Zeit, die ich mit Ihnen verbringen durfte. Auf Wiedersehen", trat Michael Häupl vom Rednerpult. Es folgten Applaus und Standing Ovations.
Das sagte Michael Häupl bei seiner Abschiedsrede:
• "Es macht nachdenklich. Vor 35 Jahren wurde ich als Gemeinderat vereidigt. Ich will keinen Rechenschaftsbericht ablegen. Das Ergebnis unserer gemeinsamen Arbeit ist bei einem Gang durch unsere Stadt deutlich zu sehen."
• "Ich war nie ein Kind von Traurigkeit. Auch nicht verbal. Wenn ich in dieser Zeit jemanden gekränkt haben sollte, dann entschuldige ich mich dafür. Es war nie meine Absicht."
• "Der Beitritt Österreichs zur EU war und ist für Österreich und die Stadt Wien eine einzigartige Chance. Die haben wir genutzt und gemeistert. Wir sind hineingewachsen in dieses Haus Europa. Die Rolle von Städten in diesem gemeinsamen Europa ist neu. Vor den Verträgen von Lissabon war diese Rolle eine andere.
• "Kritik und Auseinandersetzung sind wichtig. Doch die Union ist das größte Friedensprojekt in der Geschichte dieses Kontinents. Es ist es wert, hart dafür zu arbeiten. Die Alternative wollen wir mit Sicherheit nicht."
• "Die Kommunikation hat sich radikal verändert. Heute kann jedes unserer Handys mehr, als ein Computerraum in unserer Studentenzeit. Die Digitalisierung ist die größte industrielle Revolution, mit der wir nun konfrontiert sind. Sie verändert die Produktion und die Distribution. Die Dame an der Kassa des Supermarkts wird es nicht mehr geben. Der ganze Dienstleistungsbereich, aber auch Ausbildungs- und Forschungsbereich – alles verändert sich radikal. Die artifizielle Intelligenz ist näher als wir glauben. "
• "Wir haben uns wegen der Digitalisierung entsprechend zu wappnen. Insbesondere gegen Missbrauch. Und wir haben den digitalen Analphabetismus zu bekämpfen. Wir können Menschen nicht in diesem Entwicklungsprozess zurücklassen."
• "Zur Lebensqualität möchte ich auch etwas sagen. Wir sind wegen der Mercer Studie immer kritisiert worden, dass diese Studie nur die Manager und Vermögenden erfasst. Aber die Studie der Universität Wien zur Lebenszufriedenheit hat weit mehr Probanden. Mercer erinnert mich zu sehr an das Schulzeugnis. Da hat man nur eine Note, aber das wars. Aber die Uni-Studie weist nicht nur darauf hin, was gut ist, sondern auch daraufhin, wo es Verbesserungspotential gibt, was die Bedürfnisse der Bevölkerung sind. Wir wollen letztlich Wien noch besser machen."
• "Seit 94 bis heute hatte die Stadt Wien etwa 20 Prozent Bevölkerungswachstum. Als ich Bürgermeister wurde, war die Stadt am Schrumpfen. Die Herausforderungen einer wachsenden Stadt nehme ich lieber an, als die einer schrumpfenden Stadt."
• "62 Prozent der Wiener wohnen im geförderten Wohnbau. Es gibt keine Stadt der Welt, wo dieser Wert so hoch ist. Rund 50 Prozent öffentlicher Verkehr heute. Zu 20 Prozent Individualverkehr. Jahreskarte mit 1 Euro eingeführt. Das ist Lebensqualität, um den uns sehr sehr viele beneiden."
• "2008 und 2009 waren äußerst schwierige Jahre. Jährlich Verluste der Stadt. Unser politischer Ansatz war: Herausinvestieren aus der Krise und nicht Hineinsparen in eine andere. Aus heutiger Sicht war das ein gutes keynesianisches Konzept. Die Wirtschaft wächst. Die Arbeitslosenzahlen sind rückläufig. Aber jetzt gilt es, dass man die Schulden wieder zurückzahlt. Es wurden aber auch nachhaltige Werte damit geschaffen."
• "Eine Worte möchte ich auch zur sozialen Frage loswerden, zu Migration und Integration. Es ist unbestreitbar, wer welche Aufgaben hat. Den Zuzug nach Wien zu regeln ist schwierig. Wir haben keine Außengrenzen. Die Frage des Zuzugs in Europa ist eine europäische Angelegenheit. Der Druck ist jetzt etwas geringer, und ich hoffe, dass man endlich versteht: Ja, wir wollen Menschen leben, die mit Leib und Leben bedroht sind. Aber wir wollen wissen, wer das ist, der zu uns kommt. Eine Situation wie 2015 ist nicht mehr wünschenswert und darf sich nicht verwandeln. Aber damals hätte man nichts anderes machen können. Ich wüsste nicht, was wir gemacht hätten, wenn sie nicht nach Deutschland weitergefahren wären. Das sage ich in aller Offenheit. Ja zur Hilfe zu Menschen, die bei uns Hife suchen. Aber auch ja, zur Kontrolle derer, die zu uns kommen, damit wir letztlich auch wissen, wem wir helfen."
• "Bei einigen möchte ich mich noch bedanken: Bei den Mitarbeitern der Stadt Wien zuvorderst. Sie leisten hervorragende Arbeit. Sie sind großartig – wenn sie wollen. Das lässt den Umkehrschluss zu. Und, entgegen all den Unkenrufe: Sie sind seit den 90er Jahren in ihrer Zahl gleich geblieben. Und das bei 20 Prozent Zuzug."
• "Bei Ihnen im Hohes Haus möchte ich mich sehr bedanken. Zunächst bei meinen politischen Freunden, aber auch beim Regierungspartner. Es war über weite Strecken eine tolle Zeit. Aber wie Politik eben so ist: Nicht jeder Tag war super. Nicht jeder Tag ist ein Sonnentag, aber ihr habt's mir sehr viele beschert.Es waren gute Zeiten. Aber natürlich sage ich: Eine absolute Mehrheit der SPÖ ist mir immer noch lieber."
• "Ich bedanke mich auch bei den Vertretern der Opposition. Ein Mehr an Gemeinsamkeiten würde der Stadt gut tun. Bei allem Verständnis für die Rolle, die eine Regierung und die die Opposition einzunehmen hat: Man darf nur das Monopol auf gescheid sein nicht übertreiben."
• "Natürlich bei allen Wienerinnen und Wienern. Für die Kritik, die sie an uns geübt haben und uns damit angespornt haben. Ohne diesen Typus Wiener, wären wir nicht so gut. Ich danke den Wienern, dass sie mir so lange das Vertrauen eingeräumt haben."
• "Ich bedanke mich für die Zeit, die ich mich ihnen verbringen durfte. Auf Wiedersehen."
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