Podiumsdiskussion
Assistierter Suizid als vielschichtiges Thema

Podiumsdiskussion zum Thema "assistierter Suizid" im Alten Widum in Landeck: Angelika Stegmayr (Diözese Innsbruck), Kathrin Hörschläger (Heimleitung Gemeindeverband Stanzertal), Sr. Mag. Dr. Barbara Flad (Leitung Krankenhausseelsorge Zams), Dr. Daniel Mederle (Anästhesie, operative Intensivmedizin am Krankenhaus Zams, Teil des mobilen Palliativteams), Dr. Elisabeth Medicus (langjährige Ärztliche Direktorin Tiroler Hospiz Gemeinschaft) und Martina Pfandler (Alter Widum Landeck) (v.li.). | Foto: Siegele
5Bilder
  • Podiumsdiskussion zum Thema "assistierter Suizid" im Alten Widum in Landeck: Angelika Stegmayr (Diözese Innsbruck), Kathrin Hörschläger (Heimleitung Gemeindeverband Stanzertal), Sr. Mag. Dr. Barbara Flad (Leitung Krankenhausseelsorge Zams), Dr. Daniel Mederle (Anästhesie, operative Intensivmedizin am Krankenhaus Zams, Teil des mobilen Palliativteams), Dr. Elisabeth Medicus (langjährige Ärztliche Direktorin Tiroler Hospiz Gemeinschaft) und Martina Pfandler (Alter Widum Landeck) (v.li.).
  • Foto: Siegele
  • hochgeladen von Carolin Siegele

LANDECK (sica). Mit dem Jahreswechsel wurde die Sterbehilfe neue geregelt: Seit 1. Jänner 2022 ist assistierter Suizid mit einigen Regelungen für schwerstkranke Personen möglich. Vorab fand im Alten Widum eine Podiumsdiskussion zu diesem Thema statt. 

Hilfe bei Suizid nicht mehr strafbar

Seit dem Jahreswechsel gibt es eine gesetzliche NeuregelungderSterbehilfe in Österreich welche festlegt, dass es künftig nicht mehr strafbar ist, einer schwerst- oder unheilbarkranken Person beim Suizid behilflich zu sein. Notwendig wurde das "Sterbeverfügungsgesetz" durch ein Verfassungsgerichtshof (VfGH)-Erkenntnis aus dem Dezember 2020, das die bisherige Regelung, die Hilfe zur Selbsttötung ausnahmslos zu verbieten, für verfassungswidrig erklärt hat und mit Ende 2021 außer Kraft treten ließ - nicht allerdings das Verbot der aktiven Sterbehilfe.
Ähnlich einer Patientenverfügung können Personen, die Beihilfe zum Selbstmord in Anspruch nehmen wollen, nun "höchstpersönlich" bei einem Notar oder Patientenanwalt eine Sterbeverfügungerrichten. Beschränkt ist diese Möglichkeit allerdings auf dauerhaft schwerstkranke und unheilbar kranke Personen und Minderjährige werden ausgeschlossen. Mit der Sterbeverfügung kann man sich ein tödlichesPräparat aus der Apotheke holen - Was dank eingezogener Hürden doch nicht ganz so einfach ist. Vor der Errichtung der Verfügung ist ein aufklärendes Gespräch mit zwei ÄrztInnen notwendig, eine oder einer davon muss eine palliativeAusbildung vorweisen. Falls Zweifel aufkommen, was die Entscheidungsfähigkeit betrifft, folgt auch eine psychischeBegutachtung. Nach diesen Schritten folgt eine zwölfwöchige "Bedenkzeit", bis die Sterbeverfügung aufgesetzt wird um akute Krisenphasen zu überwinden - Dann kann das Präparat von der betroffenen Person selbst oder einer laut Verfügung berechtigten Person abgeholt werden, einnehmen muss es der oder die Sterbewillige allerdings selbst

Podiumsdiskussion zum Thema "assistierter Suizid" im Alten Widum in Landeck: Angelika Stegmayr (Diözese Innsbruck), Kathrin Hörschläger (Heimleitung Gemeindeverband Stanzertal), Sr. Mag. Dr. Barbara Flad (Leitung Krankenhausseelsorge Zams), Dr. Daniel Mederle (Anästhesie, operative Intensivmedizin am Krankenhaus Zams, Teil des mobilen Palliativteams), Dr. Elisabeth Medicus (langjährige Ärztliche Direktorin Tiroler Hospiz Gemeinschaft) und Martina Pfandler (Alter Widum Landeck) (v.li.). | Foto: Siegele
  • Podiumsdiskussion zum Thema "assistierter Suizid" im Alten Widum in Landeck: Angelika Stegmayr (Diözese Innsbruck), Kathrin Hörschläger (Heimleitung Gemeindeverband Stanzertal), Sr. Mag. Dr. Barbara Flad (Leitung Krankenhausseelsorge Zams), Dr. Daniel Mederle (Anästhesie, operative Intensivmedizin am Krankenhaus Zams, Teil des mobilen Palliativteams), Dr. Elisabeth Medicus (langjährige Ärztliche Direktorin Tiroler Hospiz Gemeinschaft) und Martina Pfandler (Alter Widum Landeck) (v.li.).
  • Foto: Siegele
  • hochgeladen von Carolin Siegele

Umfassender Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung

Parallel zum "Sterbeverfügungsgesetz" wird die Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich flächendeckend ausgebaut. Vorgesehen ist dazu eine Drittelfinanzierung durch Bund, Länder und Gemeinden. Für die kommenden Jahre stellt der Bund die folgenden Beträge zum Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung zur Verfügung: 2022 – 21 Millionen Euro, 2023 – 36 Millionen Euro, 2024 – 51 Millionen Euro. Ab 2025 soll der jährliche Zweckzuschuss aufgewertet werden. Damit werden die bisher vom Bund jährlich zur Verfügung stehenden 6 Millionen Euro vervielfacht. Unterstützt werden Bereiche der Hospiz- und Palliativversorgung, die nicht über die Leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung (LKF) abgedeckt sind.

Podiumsdiskussion im Alten Widum in Landeck

Zum heiklen Thema "assistierter Suizid" fand bereits im November eine Podiumsdiskussion mit hochkarätigen GesprächspartnerInnen im Alten Widum in Landeck statt. Zu diesem Zeitpunkt war seit einer Woche ein erster Gesetzesentwurf da, welcher begutachtet wurde. Zu verschiedensten Eckpunkten haben Sr. Mag. Dr. Barbara Flad (Leitung Krankenhausseelsorge Zams), Dr. Elisabeth Medicus (langjährige Ärztliche Direktorin Tiroler Hospiz Gemeinschaft), Kathrin Hörschläger (Heimleitung Gemeindeverband Stanzertal) und Dr. Daniel Mederle (Anästhesie, operative Intensivmedizin am Krankenhaus Zams, Teil des mobilen Palliativteams) diskutiert. 

Angelika Stegmayr führte als Moderatorin durch den Abend. | Foto: Siegele
  • Angelika Stegmayr führte als Moderatorin durch den Abend.
  • Foto: Siegele
  • hochgeladen von Carolin Siegele

"Jeder wird in neue Verantwortung gerufen"

Zu Beginn der Diskussionsrunde war die Sicht aus der jeweiligen Profession auf dieses herausfordernde Thema gefragt.

"Durch die aktive Sterbehilfe wird jeder in eine neue Verantwortung gerufen",

betonte Elisabeth Medicus ganz klar. "Man muss sich fragen, was es heißt, Hilfe in der jeweiligen Situation zu leisten. Und die Herausforderung für die Justiz ist klar: Das höchst persönliche Geschehen von Tod in ein Gesetz zu packen."

Dr. Elisabeth Medicus (langjährige Ärztliche Direktorin Tiroler Hospiz Gemeinschaft) | Foto: Siegele
  • Dr. Elisabeth Medicus (langjährige Ärztliche Direktorin Tiroler Hospiz Gemeinschaft)
  • Foto: Siegele
  • hochgeladen von Carolin Siegele

Sr. Barbara Flad erläuterte, dass sie als Seelsorgerin einen eigenen Blick auf diese Thematik hat:

"Für und als Seelsorge ist klar: Wir begleiten bis zum Ende, aber wir assistieren nicht. Selbstverständlich gibt es Grenz- und Härtefälle und dafür fordern wir eine klare Linie. Es braucht eine Ethikkomission, um Einzefälle zu beleuchten und den Anliegen einzelner Schicksale gerecht zu werden."

Angst, dass sich bei seiner Arbeit beim mobilen Palliativteam viel ändern wird, hatte Daniel Mederle nicht "Bei Palliativpatienten wird der Wunsch sich umzubringen nur in Einzelfällen beobachtet. Insofern habe ich kene Angst vor dem 1. Jänner 2022." Auch Kathrin Hörschläger betonte, dass sie den Jahreswechsel und das damit kommende neue Sterbeverfügungsgesetz mit relativer Gelassenheit, aber auch mit dem Bewusstsein, dass man nicht weiß was in zehn Jahren passiert, erwartet:

"Unser Wohn- und Pflegeheim ist das Zuhause vieler Menschen, die von der Entschlussfähigkeit durch psychische Erkrankungen und Demenz weit entfernt sind. Wir erleben aber kaum, dass jemand den Wunsch äußert, Suizid zu begehen. Als besonders wichtig empfinde ich, dass man die MitarbeiterInnen schützt. Auch ich würde eine Ethikkomission für eine individuelle Entscheidung begrüßen."

Ein "Ausweg" ist jetzt da

Ein weiterer Diskussionspunkt war die ethische Frage, ob ein selbstbestimmtesSterben möglich ist, wo sich ein selbstbestimmtes Leben schon schwierig darstellt. Im Laufe des Gesprächs wurde deutlich, dass das "zur Last fallen" am Lebensende von vielen als eine große Belastung empfunden wird.

"Wir beobachten immer wieder, dass palliative Patienten Sorge davor haben, zur Last zu fallen - auch aus finanzieller Sicht. Nun ist mit dem assistierten Suizid sozusagen ein Ausweg da, die Frage ist, was mit dieser Möglichkeit in Zukunft passieren wird",

gaben Daniel Mederle und Sr. Barbara Flad gleichermaßen zu bedenken, ob die Kostenverursachung bei der Pflege eventuell zum assistierten Suizid beiträgt. 

Sr. Mag. Dr. Barbara Flad (Leitung Krankenhausseelsorge Zams) | Foto: Siegele
  • Sr. Mag. Dr. Barbara Flad (Leitung Krankenhausseelsorge Zams)
  • Foto: Siegele
  • hochgeladen von Carolin Siegele

Lässt sich Missbrauch vermeiden?

Neben vielen anderen angesprochenen Aspekten des nun möglichen assistierten Suizids war auch die Frage, ob ein Missbrauch dieser neuen Möglichkeit vermieden werden kann, zentral. Kahtrin Hörschläger fasste treffend zusammen:

"Es werden gesetzlich viele Schranken gesetzt, einen Missbrauch wirklich zu hundert Prozent zu vermeiden, gelingt aber sicher niemanden. Aus meiner Sich kann ich aber sagen, dass ich glaube, dass es nicht so häufig sein wird."

Kathrin Hörschläger (Heimleitung Gemeindeverband Stanzertal) | Foto: Siegele
  • Kathrin Hörschläger (Heimleitung Gemeindeverband Stanzertal)
  • Foto: Siegele
  • hochgeladen von Carolin Siegele

Mehr News aus dem Bezirk Landeck: Nachrichten Bezirk Landeck

Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Folge uns auf:

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.