Die tiefste Armut – der letzte Reichtum

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- Gedanken am Bett meines sterbenskranken Vaters -

Nun sitze ich hier an deinem Bett und versuche – ein wenig verlegen – die Stille zu überbrücken. Es ist eine der wenigen Zeiten, die wir noch ganz alleine haben. Viele Bilder gehen durch meinen Kopf. Die Bilder von den langen, gemeinsamen Spaziergängen meiner Kindheit. Jede Pflanze, jedes Tier kanntest du beim Namen, wusstest zu erzählen. Wenn der Heimweg zu lang wurde, dann waren deine starken Schultern der Platz, der mir Sicherheit und Halt gab. Du hast mich getragen.
Jetzt aber ist es an mir, dich zu tragen. Dabei ertrage ich es kaum, dass dir Gott alles entrissen hat. Deine Gesundheit, deine Vitalität und deinen Humor, dein großes Wissen, deinen praktischen Hausverstand; alles, alles ging in den letzten Monaten in eine Art Auflösung. Nun liegst du da in deinem Pflegebett und bist müde - unendlich müde.
Das Reden ist dir zu anstrengend geworden.
Manchmal schauen deine geröteten und matt gewordenen Augen in die Runde. Gleich wirst du sie wieder schließen und in das Dösen verfallen,
dass wir nun schon länger gewohnt sind.
Ja - nun bist du arm.
Nichts mehr gehört dir.
Alles ist dir genommen
und das Leben, das du lebst,
ist in der Hand der Pflegenden.
Angewiesen aufeinander,
haben wir nun die letzte Mutprobe der Menschlichkeit vor Gott zu bestehen.
Allzuleicht krabbelt durch den Spalt der Hilflosigkeit
und auf der Welle des Nützlichkeitsdenkens
das Angebot der Sterbehilfe als Möglichkeit in den Raum.
Aktionismus ist nicht das Gebot der Stunde
und die Überheblichkeit der Einschätzung von außen
ist ein Werk des Bösen.
Sterbehilfe - ja!
Aber die, von der geduldigen Sorte,
die, mit dem langen Atem,
die deine Hilflosigkeit annimmt - respektiert und nicht auslöscht.
Nun ist die Stunde des Dankens.
Nun ist die Zeit der Bewährung.
Vertrauen wir und glauben - oder nicht?
Wie reich sind wir wirklich!?
Wir glauben an einen Gott,
der sich im Leiden unserer Schwachheit annimmt.
Wir schauen auf den Gekreuzigten,
und wir beten:
"Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Hoffnung!"
Er, der uns in seinem Leiden in die Ewigkeit rettet, ruft uns zu:
„Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich“(Mt 5, 3).
Ja, Vater, in der Armut dieser Tage bist du längst schon der reichste von uns.
Hilf uns!
Der Weg ist lang und beschwerlich.
Lass uns gemeinsam unseren Glauben neu buchstabieren und leben -
in Ewigkeit!

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