Standort in Tösens
Tiroler Kompetenzzentrum für Herdenschutz im Oberland
TÖSENS (sica). In Österreich, Bayern und Südtirol wird derzeit ein Herdenschutzprojekt umgesetzt. Wanderschäfer Thomas Schranz stellt für das Herdenschutzkompetenzzentrum in Tirol sein seine Flächen in Tösens in Kombination mit seinem Fachwissen zur Verfügung.
Initiator vom Herdenschutzprojekt
In den vergangenen Monaten kam es im Bezirk Landeck und in ganz Tirol immer wieder zu Rissen von Schafen, die auf Wölfe zurückgeführt werden konnten. Es wurde die Besenderung von sogenannten Problemwölfen verlangt, mehrere Wolfspetitionen wurden verfasst und weitergereicht, auch einen Abschussantrag für die "Problemwölfe" wurde auf der Bezirkshauptmannschaft Landeck eingereicht. Es wurde über mögliche Herdenschutzmaßnahmen diskutiert, welche laut Vertretern der Landwirtschaft und Politik so kurzfristig nicht möglich gewesen seien. Für den einzigen Wanderschäfer in Tirol, Thomas Schranz aus Tösens ist das nicht nachvollziehbar.
Er macht schon seit geraumer Zeit vor, wie aktiver Herdenschutz funktionieren kann. Seit etwa 15 Jahren sammelt er bereits Unterlagen zum Thema, mit seiner Wanderschäferei verfolgt er ein bewusstes Leben im Naturkreislauf, Nachhaltigkeit und Erosions- und damit Katastrophenschutz, was durch eine gezielte Weideführung möglich ist.
Für den Schutz seiner Schafe setzt er beispielsweise Lamas und zwei Herdenschutzhunde ein, was zwar einen enormen bürokratischen Aufwand aufgrund vieler ungeklärter Rechtsfragen (beispielsweise Versicherung der Hunde) bedeutete, sich aber für Thomas auf alle Fälle gelohnt hat. "Vor Übergriffen durch große Beutegreifer wie den Wolf werden auch ich und meine Tiere vermutlich nicht verschont bleiben", so Thomas Schranz. "Ich bin aber bereit, alles was in meiner Möglichkeit steht zu unternehmen, um das bestmöglich zu verhindern."
Schranz ist auch bereit sein Wissen zum Herdenschutz weiterzugeben, in Kooperation mit dem WWF zeigte er auf einer beweideten, gut erreichbaren Fläche beispielsweise vor, wie man eine Nachtkoppel oder einen Nachtpfahl errichtet. Damit geriet er in die starke Kritik der örtlichen Bauernvertreter. Der vom Bauernbund als "Showalm" titulierte Vorzeigepferch sei für einen Medientermin errichtet und zwei Tage später wieder abgebaut worden und unrealistische Lösungen in Sachen Herdenschutz würden inszeniert werden. Der WWF nutze die Wolfproblematik für Spendeneinnahmen aus, hieß es damals in einer Presseaussendung. Thomas Schranz und der WWF wiesen die Kritik ganz klar zurück, Schranz habe lediglich auf einer sonst auch beweideten Fläche Lösungen zum Schutz der Schafe gezeigt, die gute Erreichbarkeit sei im Interesse der Medienvertreter gewesen. Für Schranz war diese Art der Kommunikation von Seiten des Bauernbundes eine "bodenlose Frechheit" und er überlege, aus dem Bauernbund auszutreten und seine Landwirtschaft niederzulegen.
Ein Projekt, an dem er bereits länger arbeitet, will Thomas Schranz aber auf alle Fälle durchziehen: Das Herdenschutzkompetenz-Zentrum für Tirol mit Standort in Tösens. Als Idealist hat der Wanderschäfer unzählige Unterlagen gesammelt und an verschiedene Stellen weitergeleitet. Das Projekt wurde bei der EU eingereicht und genehmigt - Seit 1. September ist das sogenannte "LifeStock Protect Herdenschutzprojekt" nun offiziell im Gange.
Projekt Herdenschutzkompetenzzentrum
"Bei diesem Projekt geht es nicht um den Wolf", erklärt Max Rossberg von European Wilderness Society. "Es geht um das Schützen von Nutztieren!" Das Ziel dieses "Life Stock Protect Herdenschutzprojekts", welches ganz Österreich, Bayern und Südtirol betrifft ist es, Bauern durch Weiterbildung im Bereich Herdenschutz zu helfen und dabei zu unterstützen, ihre Schafe, Ziegen, Kühe, Pferde oder Geflügel vor Rissen durch durchziehende Beutegreifer wie Wölfe, Goldschakale oder ähnliche zu schützen. Zusätzlich wird durch beispielsweise gezielter Weideführung der Erosion natürlich entgegen getreten, somit profitiert auch die Natur und die Region vom Projekt. In Österreich werden neun Herdenschutzzentren, in Bayern fünf und in Südtirol acht Standorte aufgebaut.
Standort in Tösens
"In dieser Region herrscht die besondere Situation, dass wir schon viele Anfragen von Bauern zum Thema Herdenschutz hatten", erklärt Max Rossberg. "Tösens ist als Standort auch deshalb spannend, da der Ort mitten im Kreuzgebiet von vielen Wölfen liegt" Thomas Schranz eigene sich als quasi "Standortleiter" sehr gut, da er schon eine fundierte Vorausbildung zum Thema Herdenschutz habe.
Schranz stellt sein gesammeltes Fachwissen mittels Unterlagen, einen Seminarraum, sein Gelände für die Kurse und seine Schafe für Demonstrationszwecke zur Verfügung. Die dreitägigen Kurse sollen in weiterer Folge von Fachleuten aus Deutschland, Südtirol und der Schweiz gehalten werden. Einführungskurse, Aufbaukurse, Kurse für besondere Situationen im Herdenschutz sind geplant. "Auch Herdenschutzhunde sind ein großes Thema, da sie irgendwann verstärkt zum Einsatz kommen sollen. Hier müssen allerdings noch viele Fragen geklärt werden, wie man das in der Praxis mit dem Tourismus umsetzten kann", erklärt Rossberg.
Vorbereitungen für Kurse laufen
Derzeit laufen die Vorbereitungen für die ersten Kurse für das Herdenschutzkompetenzzentrum Tirol in Tösens. Über den Winter werden die Inhalte, Orte, Gebühren und Strukturierungen für die Schulungen festgelegt. Vom 22. bis 23. Oktober findet für alle Projektpartner ein zweitägiges Meeting statt. Details der Projektorganisation, Verwaltung, Finanzmanagement und Kommunikation werden besprochen. Zusätzlich werden die nächsten wichtigen Schritte geplant und mehrere Arbeitsgruppen eingerichtet, um die geplanten Maßnahmen in Angriff zu nehmen.
"Die Kurse sollen immer dann stattfinden, wenn die Schafe noch nicht auf die Almen aufgetrieben wurden, die ersten Schulungen sollen im April starten.", berichtet Max Rossberg. Im Sommer sind für die Teilnehmer dann Informationsveranstaltungen zu Themen wie Förderungen oder Schadensersatz im Fall eines Risses geplant. "Es sollen aber nicht nur Bauern mit Schafen ausgebildet werden, sondern auch sogenannte 'Berater'", so Max Rossberg.
Damit wird das Ziel verfolgt, interessierte Landwirte, die bereit sind anderen zu helfen, auszubilden um eine "Nachbarschaftshilfe" auf die Beine zu stellen. Das Wissen soll nach Möglichkeit sozusagen in die Landwirtschaft übergehen und untereinander ausgetauscht werden. Interessierte können sich in naher Zukunft auf der Homepage von Life Stock Protect für die Kurse anmelden, in der Zwischenzeit gibt es online Updates zum Projektverlauf.
Zum Projekt
Das "Life Stock Protect Herdenschutzprojekt" ist ein EU kofinanziertes Projekt mit einer Laufzeit von fünf Jahren und Kosten in Höhe von knapp fünf Millionen Euro. Das Projekt wird von BIO Austria Niederösterreich angeführt, dabei sind unter anderem auch das Österreich-Zentrum, Bioland Deutschland, der Agrardynamische Wirtschaftsverein Südtirol, weitere Organisationen zum Herdenschutz, Universitäten und Landwirtschaftliche Organisationen. Das Projekt umfasst folgende Maßnahmen:
- Herdenschutzausbildung für Besitzer von Schafen, Ziegen, Kühen, Pferden und Geflügel
- Ausbildung von Herdenschutzberatern
- Aufbau und Verbesserung von Herdenschutz-Kompetenzzentren
- Verbesserung von öffentlichen und fachlichen Hilfsstrukturen beim Herdenschutz
- Steigerung der lokalen Akzeptanz von Herdenschutzmaßnahmen
- Wissenstransfer zum Thema Herdenschutz zwischen Landwirten, Experten, Jugend und Öffentlichkeit
- Training von Tourismusmanagern zum Umgang mit Herdenschutz
- Richtlinien für die Zucht und Zertifizierung von Herdenschutzhunden
LIFEstockProtect plant min. 150 Aktivitäten mit min. 4 000 Teilnehmern, darunter Workshops, Seminare und Trainings.
Mehr News aus dem Bezirk Landeck: Nachrichten Bezirk Landeck
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.