„Nicht in Panik verfallen“

Volksbank-Direktor KR Josef Haag beurteilt die Situation am Finanzmarkt und spricht über aktuelle Probleme für Sparer und Kreditnehmer.

BB: Wie sehen Sie die aktuelle Wirtschaftslage und wie beurteilen Sie die Schuldenkrise?
JOSEF HAAG:
„Die aktuelle Wirtschaftslage sehe ich nicht so negativ, wie sie dargestellt wird. Allerdings ist die Schuldenkrise ernst zu nehmen. Dies gilt auch für Österreich. Trotz des Triple A sehe ich hier dringenden Handlungsbedarf. Zuzeit gibt es viele Baustellen, die vom Bildungs- bis hin zum Pensionssystem reichen. Die Märkte schauen in die Zukunft und Österreich kann das Triple A ohne Reformen schneller verlieren als uns allen lieb ist.“

BB: Ist die derzeitige Nervosität an den Börsen gerechtfertigt?
JOSEF HAAG:
„Eindeutig Nein! Die Börsen neigen immer wieder zu Über- bzw. Untertreibungen. Gerade das Ausmaß der letzten Tage ist völlig irrational. Dies lässt sich daran ablesen, dass die Realwirtschaft nicht binnen einer Woche um ein Drittel weniger Wert sein kann.“

BB: Was sind aus Ihrer Sicht zurzeit die besten Anlageformen? Aktien oder Sparbuch?
JOSEF HAAG:
„Aus meiner Sicht kommt es immer auf die Vermögensverhältnisse und das Alter der jeweiligen Person an. Es gibt daher kein Globalrezept. Wichtig ist immer eine breite Streuung der Anlageformen.Ein Mensch mit 30 Jahren kann ruhig Aktien kaufen, da er sie rund 30 Jahre behalten kann. Aktien sind etwas langfristiges, brauchen Zeit und Vertrauen in ein Unternehmen. Für einen 60-jährigen sind Aktien wegen der großen Schwankungen weniger zu empfehlen. Bis zu einem Alter von 40 Jahren sind auch Lebensversicherungen durchaus interessant. Momentan ist das Sparbuch die sicherste und flexibelste Vaiante. Gerade die aktuelle Unsicherheit trägt maßgblich dazu bei. Negativ anzumerken ist, dass beim Sparbuch die Verzinsung deutlich unter der Inflation liegt. Was in einer von Unsicherheit geprägten Zeit aber vernachlässigbar ist. Dies ist der Preis für Sicherheit und Flexibilität.“

BB: Hat der europaweite Bankenstresstest und die damit einhergehende negative Bewertung der Österreichischen Volksbanken AG (ÖVAG) auch Auswirkungen auf die Volksbank Landeck?
JOSEF HAAG:
„Gleich zur Klärung, die ÖVAG ist eine Tochter- und nicht die Muttergesellschaft der Volksbank Landeck. An dieser Tochter sind wir mit 1,4% beteiligt und deshalb sind die Auswirkungen für die Volksbank Landeck vernachlässigbar. Natürlich ist der Ausgang des Stresstests der ÖVAG unerfreulich. Der Stresstest kam aber zwei Monate zu früh. Zwei Faktoren konnten daher nicht mehr berücksichtigt werden, einerseits der Verkauf der Osteuropa Tochter VBI und andererseits die anstehende Verschmelzung der ÖVAG mit der Investkredit. Bei Einrechnung dieser beiden Faktoren hätte die ÖVAG den Stresstest bestanden.

BB: Zum Thema Basel III: was ist genau darunter zu verstehen und wann tritt diese Neuerung in Kraft? Gibt es Änderungen für Unternehmer bzw. Private?
JOSEF HAAG:
„Basel III tritt mit Übergangsregelungen zwischen 2013 und 2018 in Kraft. Die gravierendste Änderung betrifft das Kernkapital der Banken, das bis 2019 auf 7% steigen muss. Mit einem Puffer von 3,5% muss es dann insgesamt 10,5% betragen. Es stellt sich also die Frage woher man es nimmt? Entweder aus dem erwirtschafteten Gewinn oder aus einer Kapitalerhöhung. Beide Varianten sind teuer, weshalb auch die Kredite teurer werden. Die Volksbank Landeck erfüllt mit 14% Gesamtkapitalquote bereits heute Basel III und ist daher nicht betroffen.“

BB: Welche Marktanteile weistdie Volksbank im Bezirk auf?
JOSEF HAAG:
„Wir schließen im Bezirk auf eine Kreditsumme von 2,5 Mrd. Euro, wovon rund 800 Mio., also ein Drittel, von uns vergeben sind.“

BB: Der Schweizer Franken ist mittlerweile im Wechselkurs zum Euro fast paritätisch? Was raten Sie den Häuselbauern und Unternehmen?
JOSEF HAAG:
„Als erstes Ruhe bewahren und für sich selbst Limits nach oben und unten setzen. Es braucht aber individuelle Beratung für jeden Kreditnehmer. Als Grundsatz bleibt anzumerken, dass man sich nur in jener Währung verschulden soll, wo man sein Geld verdient. An Private dürfen mittlerweile keine Frendwährungskredite mehr vergeben werden. Wir gehen davon aus, dass der Franken in den nächsten Jahren wieder schwächer wird und sich die Lage deutlich entspannt.“

BB: Welche Rückschlüsse lassen sich auf die wirtschaftliche Gesundheit im Bezirk schließen? Laut Statistiken weist der Tourismus die geringste Eigenkapitalquote auf.
JOSEF HAAG:
„Die Fremwährungsentwicklung beeinträchtigt natürlich die Eigenkapitalquote. In fast jedem touristischen Unternehmen stehen aber stille Reserven zur Verfügung.“

BB: Welche Auswirkungen für die lokle Wirtschaft befürchten Sie bei einer Rezession?
JOSEF HAAG:
„Es kommt zu keiner Rezession. Wir sind aufgrund der Erfahrungen von 2008/09 optimistisch, da der Tourismus nicht wie prophezeit eingebrochen ist. Durch die aktuell teure Schweiz wird unser Tourismus profitieren.“

Das Interview führte
Mag. Othmar Kolp

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