Natalie Dedreux – die Herz-Dame im deutschen Wahlkampf

"Ich will nicht abgetrieben werden, sondern auf der Welt bleiben!“ ruft uns Nathalie zu - auch im Namen der vielen, die es nie rufen können.
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  • hochgeladen von Martin Frank Riederer OPraem

Wie eine junge Frau die Kanzlerin und eine ganze Nation hinterfragt ---

„Seit ich geboren bin, sieht man es mir auch an, dass ich das Down-Syndrom habe. Man sieht es an den Augen und an den Ohren. Ich finde das gut. Ich bin gerne eine Frau mit Down-Syndrom! Ich will nicht abgetrieben werden, sondern auf der Welt bleiben!“ so stellt sich Nathalie Dedreux vor, auf der Homepage des Magazins „Ohrenkuss“.
Die junge Kölnerin arbeitet bei dem von der Caritas betriebenen Cafe "Queerbeet" in ihrer Heimatstadt. Als Jungwählerin und nebenberufliche Autorin gehörte sie zu dem Kreis derjenigen, denen Kanzlerin Merkel, in der ARD-Sendung „Wahlarena“ am vergangenen Montag, Rede und Antwort stehen musste.

Der Star des Abends

Nathalie hatte sich gut vorbereitet. Hier ihre Frage im Wortlaut:
„Frau Merkel, Sie sind Politikerin.Sie machen Gesetze.Ich bin Redakteurin bei Ohrenkuss.
Der Ohrenkuss ist ein Magazin. Da schreiben Menschen mit Down-Syndrom – so wie ich.
9 von 10 Babys mit Down-Syndrom werden in Deutschland nicht geboren. Sie werden abgetrieben.
Ein Baby mit Down-Syndrom darf bis wenige Tage vor der Geburt abgetrieben werden.
Das nennt man Spät-Abbruch.
Meine Kollegen und ich fragen Sie, Frau Merkel:
Wie stehen Sie zum Thema Spät-Abbruch?
Wieso darf man Babys mit Down-Syndrom bis kurz vor der Geburt noch abtreiben?
Ich finde es politisch nicht gut.
Dieses Thema ist mir wichtig:

Ich will nicht abgetrieben werden, sondern auf der Welt bleiben!“

Behinderung und Spätabtreibung

Mit Klarheit und in kurzen Worten machte die junge Frau deutlich, dass in dieser satten, wohlhabenden,selbstzufriedenen  Gesellschaft etwas völlig schief läuft. In Zeiten vordergründiger Tages-Infos und aufgeblähter Mainstream-Themen haben es die Problematik behinderter Menschen und das damit verbundene gesellschaftliche Thema Abtreibung nicht ganz leicht, wahrgenommen zu werden.
In der Fernsehsendung wurde die mutige Jungwählerin mit Down-Syndrom zum Star der Stunde.
Im Alltag ist die Situation eine andere. Kinder mit Down-Syndrom sieht man kaum mehr. 90 Prozent aller Föten, bei denen Trisomie 21 diagnostiziert wird, werden abgetrieben. Das ist in Österreich nicht anders. Die Möglichkeiten der Medizin haben auch dazu geführt, dass Ärzte laut dem Obersten Gerichtshof in Österreich auf Schadensersatz geklagt werden können, wenn jemand ein Kind zur Welt bringt, dessen Behinderung pränatal hätte diagnostiziert werden können.

Ein „Schadensfall“ fordert Lebensrecht und Zukunft

In der Person der jungen Kölnerin sitzt uns nicht nur eine faszinierende, mutige Frau gegenüber. Da meldet sich ein solcher medizinischer „Schadensfall“ zu Wort. Mit ihrem Statement und der Anfrage an Frau Merkel führt uns dieser Mensch den himmelschreienden Verlust menschlicher Werte vor Augen.
Nathalie macht uns sprachlos. Weil wir alle – mehr oder weniger stillschweigend – die Veränderungen in der Frage der Abtreibung und das Aufkeimen "bereinigender" Gedanken und Methoden gegenüber Behinderten zugelassen haben.
Es ist bereits fünf nach zwölf. „Ich will nicht abgetrieben werden, sondern auf der Welt bleiben!“ ruft uns Nathalie zu. Und sie macht damit deutlich, in welche Rolle Behinderte gedrängt werden. Sie müssen sich rechtfertigen, überhaupt geboren zu sein. Sie werden zur gesellschaftlichen „Last“ entwürdigt (sogar vom OGH) und damit ganz leise dem Denkmuster vom „unwerten Leben“ überstellt.
Politiker sind an dem Fragenkomplex bisher gescheitert. Angela Merkel musste erst einmal schlucken und antwortete dann: "Ich bin in der DDR aufgewachsen auf einem Gelände, wo geistig behinderte Kinder waren. Da gab es überhaupt keine Förderung, da gab es gar nichts. Und das ist einer der großen Vorteile der Deutschen Einheit, dass man heute an Ihnen sieht, was man mit Förderung, guter Betreuung und Bildung machen kann."
Danach erklärte sie, dass es verpflichtende Beratungen bezüglich Spätabtreibungen gibt und dass viele Eltern Angst vor einem behinderten Kind hätten, weil sie nicht wüssten, dass es Förderungen gebe. Für den Moment war das recht nett. Für die Politik war es ungenügend.
Auch das fasst Nathalie Dedreux in klare, kurze Worte:
„Ich finde es gut, dass Angela Merkel Gefühle gezeigt hat.
Aber das reicht nicht. Ich will, dass sich etwas ändert!“
In der Kosten-Nutzen-Mentalität und der Bequemlichkeit unserer Tage hat uns Nathalie entlarvt und mit ihrer klaren Herzlichkeit die belanglose Hinnahme von Abtreibung und unterschwellige Behinderten-Phobie zu unserer eigenen Beurteilung an den Pranger gestellt.
Wider das eigentliche „Down“-Syndrom einer verfehlten Bewusstseinsbildung und irrigen Politik verdient diese junge Frau mit allen behinderten Menschen in Deutschland und bei uns hier in Österreich auch weiterhin besondere Aufmerksamkeit und politische Unterstützung: "Ich will nicht abgetrieben werden, sondern auf der Welt bleiben!"

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