Linzer Appell gegen "Kahlschlag bei Integration"

13 Organisationen unterzeichneten den Appell. Vorne von links: Werner Schöny (pro mente), Landesrat Rudi Anschober, Gunther Trübswasser (SOS Menschenrechte), Herbert Gimpl (PH OÖ). Hinten von links: Christian Schörkhuber (Volkshilfe), Johann Stroblmair (Diakoniewerk), Johann Bacher (JKU) und Bert Brandstetter (Katholische Aktion). | Foto: Land OÖ/Ernst Grilnberger
  • 13 Organisationen unterzeichneten den Appell. Vorne von links: Werner Schöny (pro mente), Landesrat Rudi Anschober, Gunther Trübswasser (SOS Menschenrechte), Herbert Gimpl (PH OÖ). Hinten von links: Christian Schörkhuber (Volkshilfe), Johann Stroblmair (Diakoniewerk), Johann Bacher (JKU) und Bert Brandstetter (Katholische Aktion).
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Mehr als 19.000 Asylwerbende haben in den vergangenen zwei Jahren in Oberösterreich an einem Deutschkurs teilgenommen. "Gibt es nicht bald eine Entscheidung, wird es dieses Angebot in dieser Form ab April nicht mehr geben", sagt Integrations-Landesrat Rudi Anschober. Denn der Bund, der bisher 60 Prozent der Deutschkurse finanziert hat, hat diese Finanzierung mit Jahresanfang 2018 eingestellt. Die letzten Kurse laufen in den nächsten Wochen aus. "Bisher hat es keine Entscheidung über eine Verlängerung gegeben, dabei sagt jeder Politiker, dass das Erlernen der deutschen Sprache oberste Priorität hat", so Anschober. Auch die Linzer Integrations-Stadträtin Regina Fechter warnt: "Vor dem Respektieren kommt das Verstehen. Dazu braucht es die gemeinsame Sprache, deren Erwerb die Stadt Linz bereits jetzt überdurchschnittlich fördert, weil ohnehin auf anderen Ebenen schon zu wenig geschieht. Wenn dort, etwa beim Bund, noch weiter gekürzt wird, können wir das nicht mehr kompensieren."

13 Unterstützer

Die Forderung nach einer raschen Fortsetzung der Deutschkurse ist nur ein Punkt im "Linzer Appell", den Anschober an die Bundesregierung stellt. Unterstützt wird der Integrations-Landesrat dabei von 13 breit gefächerten Institutionen, von der Kirche über das AMS bis zu Bildungseinrichtungen und NGOs. Sie alle haben am Freitag, 15. März, den Appell unterschrieben: die Volkshilfe, die Diakonie, die Pädagogische Hochschule OÖ, pro mente OÖ, SOS Menschenrechte, die Katholische Aktion, die Pädagogische Hochschule der Diözese Linz, die Johannes Kepler Universität, die Stadt Linz, der Städtebund, die Caritas OÖ, das Arbeitsmarktservice AMS OÖ und die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGIÖ).

"Das teuerste Sparen"

Der "Linzer Appell" richtet sich gegen einen finanziellen Kahlschlag bei den Integrationsmaßnahmen  und damit eine Zerschlagung des Integrations-Netzwerks in Oberösterreich. "Das wäre das teuerste Sparen, das unserer Gesellschaft einen dramatischen Schaden zufügen würde", so Anschober. Der Landesrat sieht drohende Kürzungen nicht nur bei den Deutschkursen, sondern auch bei Basisbildung und Qualifizierungsmaßnahmen für Asylwerber, bei AMS-Qualifizierungsmaßnahmen für Asylberechtigte (von 80 auf 30 Millionen Euro) und bei der Umsetzung des verpflichtenden Integrationsjahres (von 100 auf unter 50 Millionen Euro). Auch der Integrationstopf im Bundesbudget von bisher 80 Millionen Euro könnte laut Anschober zerschlagen werden. Viele wichtige Maßnahmen könnten dann in Oberösterreich nicht mehr umgesetzt werden.

Kampf um dezentrale Quartiere

Besondere Sorge bereitet Anschober außerdem die Ankündigung von Innenminister Herbert Kickl, die dezentrale Verteilung der Geflüchteten und den Privatverzug abzuschaffen, und die Menschen stattdessen in "Grundversorgungszentren" unterzubringen. "Wir werden um die dezentralen Quartiere kämpfen. Sie sind die ideale Voraussetzung für Integration, ermöglichen Teilhabe und verhindern Überforderung. Derzeit leben in Oberösterreich 9.565 Menschen in rund 325 Quartieren in bis zu 82 Prozent der Gemeinden. Die durchschnittliche Quartiergröße liegt bei knapp über 20 Bewohnern – wenn der Wille in den Gemeinden da ist, ist das absolut machbar. Wo Begegnung stattfindet, steigt die Akzeptanz. Großquartiere würden diese Akzeptanz gefährden", so Anschober.

Johann Bacher, Koordinator des MORE-Programms an der JKU und einer der Unterzeichner, ergänzt: "Sind viele junge Menschen, die keine Perspektive, etwa auf eine Ausbildung oder eine Arbeitsplatz haben, in einem Massenquartier zusammengepfercht, führt das zu Ghettos, Subkulturen und Depressionen." Gunther Trübswasser, Obmann von SOS Menschenrechte und ebenfalls Unterzeichner, erinnert sich: "Damit hat man in Linz schon in den 90er-Jahren schlechte Erfahrungen gemacht, als es in der Lunzerstraße das größte Flüchtlingsheim Österreichs gab. Es lag am Ende der Welt und wurde nur von einigen NGOs betreut, die sich hier abgemüht haben. Durch die Isolation herrschten Gewalt und massive Probleme."

Wirtschaftliche Bedeutung

Auch volkswirtschaftlich sei es "Wahnsinn, mittendrin mit der Integration aufzuhören – gerade jetzt, wo die Wirtschaft brummt und es so viele Mangelberufe gibt", sagt Johann Stroblmair vom Diakoniewerk OÖ. Die Unterzeichner treten etwa auch dafür ein, dass zumindest Lehrlinge während ihrer dreijährigen Ausbildung und in den folgenden Arbeitsjahren nicht abgeschoben werden. "Angesichts der vielen Mangelberufe ist es ein Gebot der Stunde, nicht bloß aus humanitären Gründen, sondern auch im Interesse der heimischen Unternehmen, dringend benötigte Fachkräfte ausbilden zu können", sagt Bert Brandstetter, Präsident der Katholischen Aktion OÖ und Obmann von "Land der Menschen".

Dialog suchen

Der Appell fordert die zuständigen Ministerien daher noch vor der Budgetrede kommenden Mittwoch im Nationalrat auf, rasch den Dialog zu suchen und Integration weiterhin zu ermöglichen. ""Wer Deutschkurse, Ausbildung, Qualifizierung und Integration zerstört, schafft bewusst und gezielt Probleme, Spaltung und Parallelgesellschaften und zerstört Lebenschancen und Wirtschaftschancen", so Anschober, der außerdem rasch politische Gespräche mit den Vertretern der Bundesregierung plant. Ein Treffen mit Bildungsminister Heinz Faßmann wurde bereits fixiert.

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